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Schülerprojekt Vorlagen per Messenger

Timo Frahm hat an seiner Schule ein besonderes Projekt organisiert: eine Bundestags-AG. Was genau das überhaupt ist, wie er auf diese Idee kam und wie die AG funktioniert, hat er Gloria erzählt.

Timo Frahm mit Lothar Binding (SPD). Der Bundestagabgeordnete nahm an einer Sitzung der AG teil, nachdem er durch einen Zeitungsartikel von der Idee erfahren hatte. © Timo Frahm

Timo, wie kamst du auf die Idee, eine Bundestag-AG an deiner Schule zu organisieren?

Ich habe ein Video über "Model United Nations" (MUN) aus den USA gesehen und war fasziniert. MUN ist eine Simulation für Schüler und Studenten, in der die Arbeit der Vereinten Nationen (UN) nachgestellt wird. Die Planspiele finden seit Jahrzehnten auf der ganzen Welt statt, auch in Deutschland. In der AG haben wir ganz zu Beginn also den Sicherheitsrat der Vereinten Nationen simuliert, bis wir uns irgendwann dazu entschlossen, dass der Deutsche Bundestag für uns politisch viel "näher" ist. Aus Model United Nations wurde Model Bundestag.

Welches Ziel hast du mit der AG?

Politik und Diskussionen – das fand ich schon immer unglaublich spannend. Also habe ich mir überlegt, wie ich das in meine Schule und in meine Stufe (12) integrieren könnte. Denn etwas dieser Art gab es zuvor nicht. Ich wollte eine Plattform schaffen für politische Diskussionen an unserer Schule.

Und das hast du geschafft …

Ja, definitiv. Die Lehrer und die Schulleitung stehen hinter meiner AG und unterstützen sie. Die Teilnehmer sind absolut begeistert und haben unglaublichen Spaß an den Debatten. Sie haben dafür gekämpft, die AG sogar parallel zum Abi weiterlaufen lassen, um noch so lange wie möglich etwas davon zu haben. Doch auch die Schüler außerhalb der AG haben etwas davon: Wir haben immer drei bis zehn Schüler, die als Zuschauer mit dabei sind. Auch wenn sie sonst kein Interesse an Politik haben, macht es ihnen Spaß, uns zuzuschauen.

Wie läuft die Bundestag-AG denn ab?

Ab montags können alle AG-Abgeordneten Anträge und Themenvorschläge in unseren Messenger-Chat stellen. Mittwochabend stimmen wir ab, über welche Themen wir diskutieren möchten. Bis zur Sitzung am Freitag bereiten sich dann alle Schüler vor: Sie recherchieren Fakten, die das jeweilige Thema betreffen. Zudem informieren sie sich über die Position ihrer AG-Partei beziehungsweise Fraktion.

Wie werden die Schüler den Fraktionen zugeordnet?

Die Fraktionen wurden in den 14 Monaten, die unsere AG bereits besteht, drei Mal neu zugeordnet. Jeder darf dabei seine zwei Prioritäten angeben, und ich versuche jeden, seiner Wunsch-Fraktion zuzuteilen. In den Diskussionen vertreten die Abgeordneten die Standpunkte der Fraktion, deren Abgeordnete sie sind. Freitags findet die 40-minütige Sitzung in der Mittagspause statt. Der Antragsteller hält eine kurze Rede, in der er seine Argumente vorbringt. Es folgt eine kurze Beratungszeit innerhalb der Fraktionen. Den Großteil der Zeit verbringen wir dann in der offenen Diskussion. Auch Änderungsanträge können vorgeschlagen werden. Zum Ende der Sitzung wird der Antrag dann angenommen oder abgelehnt.

Was lernen die Schüler, die an der AG teilnehmen?

Einerseits werden sie vertraut mit den Grundlagen der Politik. Was passiert im Bundestag? Welche Rolle spielen Fraktionen und Mehrheiten? Über diese und viele weitere Fragen lernen die Teilnehmer durch ihre praktischen Erfahrungen aus der AG sehr viel. Zudem beschäftigen sie sich mit verschiedensten politischen Themen und mit den Positionen der im Bundestag vertretenen Fraktionen zu diesen Themen. So können sie sich eine eigene Meinung bilden.

Welche Regeln gibt es für die AG?

Wir halten uns an die allgemeinen Ordnungsregeln, wie respektvoller Umgang miteinander und den Anderen ausreden zu lassen. Rederecht wird per Handzeichen beantragt. Um die Redezeiten durchzusetzen, mit denen wir noch immer experimentieren, habe ich einen Hammer, der konsequent benutzt wird.

Du bist also quasi der Bundestagspräsident und leitest die Debatten. Wo siehst du darin die Schwierigkeit?

Manchmal ist es ein wenig anstrengend, immer die treibende Kraft der AG zu sein – immer die anderen anzusprechen und zu motivieren. Aber während der Sitzungen macht es mir großen Spaß, alles in der Hand zu haben. Ich muss dafür sorgen, dass die Diskussionen geordnet ablaufen. Manchmal fühle ich mich dabei wie der Sprecher des britischen Parlaments. Ich rufe dann wie er "Ordnung!, Ordnung!". Dazu hat er mich inspiriert.

Kommt es denn vor, dass ernsthafter Streit entsteht? Oder bleibt die Debatte immer sachlich?

Zwar wird es häufig laut, und die Abgeordneten der Fraktionen "bashen" sich gegenseitig. Aber auch das geschieht im Spaß. Ich würde sagen 99 Prozent der Zeit laufen Diskussionen sachlich ab. An eine besonders hitzige Diskussion erinnere ich mich noch immer gerne: Die Grünen hatten einen Antrag für ein Tempolimit auf Autobahnen von 120 km/h gestellt. Dieses Thema wurde sehr kontrovers debattiert.

Wie geht es nun weiter mit deiner Idee?

Wir haben heute das erste Mal Schüler der 11. Klasse bei einer Sitzung dabeigehabt. Sie waren hellauf begeistert und wollen die AG nach unserem Abitur übernehmen. Es wird also einen fließenden Übergang geben: wir 12er gehen und die 11er übernehmen dann die AG komplett.

Außerhalb der Schule habe ich die Initiative MUN-AG (Model-United-Nations-AG) gegründet. So sollen auch andere Schulen solche AGs bei sich einführen können. In den USA sind solche Diskussionsrunden bereits Standard und auch an unseren Schulen gibt es die Nachfrage, das sieht man ja an meiner Schule. Gerne gebe ich anderen Schülern Tipps, die solch eine AG aufbauen möchten.

Über Timo Frahm:

Timo Frahm, 17 Jahre, besucht in Heidelberg ein Gymnasium. Später möchte er in der internationalen Politik arbeiten. Alle, die Interesse an der Bundestag-AG haben, können sich gerne unter bundestag-ag@mail.de bei Timo Frahm melden.

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