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Aktuelle Stunde Debatte über die Wahl in Thüringen

Tim Oswald

Thomas Kemmerich (FDP) wurde in Erfurt zum Ministerpräsidenten gewählt, mit den Stimmen der AfD. Darüber wird seitdem heftig diskutiert. Letzte Woche auch im Bundestag.

Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke schüttelt dem neuen Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) die Hand.

Dieses Bild ging durch die Medien: Der Thüringer AfD-Chef Björn Höcke (rechts) gratuliert dem neuen Ministerpräsidenten Thomas Kemmerich (FDP) zum Wahlsieg. © picture alliance/Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa

Am 5. Februar wurde Thomas Kemmerich (FDP) Ministerpräsident in Thüringen. Aber warum wird eine Wahl auf Landesebene zum Thema einer Aktuellen Stunde im Bundestag? Weil Kemmerich der erste Ministerpräsident in Deutschland ist, der mithilfe von AfD-Stimmen ins Amt kam.

Die FDP ist die kleinste Fraktion im Thüringer Landtag. Die Stimmen von FDP und CDU hätten nicht ausgereicht, um Kemmerich zu wählen. Linke, SPD und Grüne hatten sich schon vorher dazu bekannt, ein Regierungsbündnis eingehen zu wollen. Es war also klar, dass sie alle für den Linken-Kandidaten Bodo Ramelow stimmen würden. Nur weil die AfD geschlossen Kemmerich wählte statt den eigenen Kandidaten, erzielte er eine Mehrheit.

Seitdem wird über die Wahl in Thüringen diskutiert. Am 13. Februar auch im Plenum des Deutschen Bundestages. Die Linke-Fraktion hatte eine Aktuelle Stunde über die „Auswirkungen auf Demokratie und internationale Beziehungen“ beantragt.

Was steht dahinter?

Die letzten Jahre war es Konsens zwischen den anderen großen Parteien, nicht mit der AfD zusammenzuarbeiten, da diese als anti-demokratisch und in Teilen sogar als rechtsextrem gesehen wird. Bis zur Wahl in Thüringen haben sich auch alle daran gehalten.

Die Ergebnisse der Landtagswahl in Thüringen 2019 waren jedoch gewissermaßen einzigartig. Denn dort ergab sich die Situation, dass keine der üblichen Regierungskoalitionen mehr eine Mehrheit zusammen bekommen hätte. Da CDU und FDP eine Zusammenarbeit mit der Linken ablehnen, ein Bündnis ohne Beteiligung der AfD oder der Linken aber rechnerisch nicht möglich war, entstand eine augenscheinlich ausweglose Lage.

Ein Ministerpräsident musste trotzdem gewählt werden. Der bisherige Ministerpräsident Bodo Ramelow (Die Linke) erhielt überraschend auch im dritten Wahlgang keine Mehrheit. Dafür gewann der FDP-Kandidat Thomas Kemmerich die Wahl, da er die Stimmen von FDP, CDU und AfD versammelte. Viele empfanden das als „Tabubruch“. In Berlin, Erfurt und anderen Städten gingen Menschen auf die Straße, um gegen die Wahl in Thüringen zu protestieren.

Kemmerich nahm die Wahl erst an, kündigte am nächsten Tag jedoch an, zurücktreten zu wollen, nachdem es bundesweit Kritik gegeben hatte. Aktuell ist die Situation in Thüringen immer noch unklar. Neuwahlen wurden bis jetzt nicht beschlossen. Allerdings weiß auch niemand, wie sich eine Regierung unter den aktuellen Verhältnissen zusammensetzen könnte.

Linke, Grüne und SPD: Sorge um die Demokratie

In der Debatte im Bundestag äußerten Linke, Grüne und SPD deutliche Kritik an den Vorgängen in Thüringen. Als „Tabubruch“, der hochgefährlich für unsere Demokratie sei, bezeichnet Amira Mohammed Ali von der Linksfraktion die Wahl Kemmerichs. Auch Carsten Schneider von der SPD-Fraktion benutzte den Ausdruck „Tabubruch“, um die Geschehnisse in Thüringen zu beschreiben. Außerdem warnte er alle Parteien davor, in Zukunft mit der AfD zu kooperieren, es bestünde sonst die Gefahr, dass der Extremismus in der Mitte der Gesellschaft ankäme.

Katrin Göring-Eckhardt, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen, hielt Thomas Kemmerich vor allem vor, dass er nicht direkt “Nein” gesagt und die Wahl abgelehnt habe. Doch trotz all der Aufregung sah sie in den vergangenen Wochen auch einiges Positives. Ihrer Meinung nach hätten die Demokraten zusammengestanden und so gezeigt, dass die Demokratie in Deutschland weiterhin stark sei. Abschließend appellierte sie: “Demokratie braucht Haltung. Sie braucht Überzeugung. Dann ist sie wehrhaft. Das haben wir gemeinsam gemacht.”

AfD verteidigt die Wahl in Thüringen

Alexander Gauland von der AfD befand hingegen, die Wahl Kemmerichs sei nicht problematisch – vielmehr sei es falsch, die Wahl aus ideologischen Gründen rückgängig machen zu wollen. Er sah die AfD als Partei der bürgerlichen Mitte und die Wahl Kemmerichs in Thüringen als Sieg für die Demokratie und auch für seine Partei.

Gauland warnte seinerseits die CDU davor, mit der Linken zusammenzuarbeiten, die er als „Mauermörder“ bezeichnete.

CDU und FDP geben Fehler zu

Paul Ziemiak von der CDU-Fraktion fand klare Worte: Er stehe dazu, Björn Höcke, den Partei- und Fraktionsvorsitzenden der AfD in Thüringen, einen Nazi zu nennen – “weil er einer ist.” Ziemiak bekannte sich auch zur Rolle der CDU bei der Wahl Kemmerichs. Forderungen danach, die CDU solle ihr Kooperationsverbot mit der Linken überdenken, lehnte er allerdings ab.

Christian Lindner, Fraktionsvorsitzender der FDP, griff die Kritik an seiner Partei auf. Er entschuldigte sich ausdrücklich für das, was in Thüringen geschehen war und sagte: “Erfurt war ein Fehler, aber wir unternehmen alles, damit er sich nicht wiederholen kann.”

Die teilweise sehr emotionale Debatte könnt ihr euch hier ganz anschauen:

Portraitfoto von mitmischen-Autor Tim Oswald
mitmischen-Autor

Tim Oswald

ist Schüler aus Weisenheim am Sand. Seine großen Leidenschaften sind Politik und Engagement. Außerdem liest er gerne, geht joggen und ist fasziniert von fremden Ländern und Sprachen. Seine Freunde machen sich heute noch darüber lustig, dass sein Lieblingsbuch in der Grundschule der Atlas war.

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