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Nach Gerichtsurteil Klimagesetz ist beschlossene Sache

Eric Matt

In Teilen verfassungswidrig – das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Klimaschutzgesetz war eindeutig. Innerhalb kürzester Zeit brachte die Bundesregierung einen neuen Gesetzentwurf ein, den der Deutsche Bundestag nun verabschiedete. Kritik kam aus der Opposition.

Schild mit der Aufschrift 'There is no Planet B' wird bei einer Klima-Demonstration hochgehalten

Demonstrierende fordern mehr Klimaschutz. © shutterstock.com/MikeDotta

Die Gletscher schmelzen, die Meeresspiegel steigen und immer wieder kommt es zu heftigen Waldbränden. Der Klimawandel, seine Ursachen und seine Folgen gehören zu den großen Streitthemen der Politik. Im Juni brachte die Bundesregierung einen neuen Entwurf zur Verschärfung des Klimaschutzgesetzes ein. Doch was genau steht drin? Und was sagen die Fraktionen dazu?

Über den Entwurf debattierten die Abgeordneten des Deutschen Bundestages kürzlich in zweiter und dritter Lesung. Anschließend verabschiedete eine Mehrheit von ihnen den Gesetzentwurf der Bundesregierung zur „Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes“.

Warum schärfere Klimaschutzziele?

Grund für den Vorstoß der Bundesregierung war ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe ist das oberste Gericht Deutschlands und kann Gesetze als verfassungswidrig erklären.

Im April dieses Jahres passierte genau das: Einzelne Teile des Klimaschutzgesetzes, das die Koalitionsfraktionen im Jahre 2019 beschlossen hatten, seien mit unserem Grundgesetz nicht vereinbar, lautete das Urteil. Auf seiner Homepage schreibt das Bundesverfassungsgericht, dass „die nationalen Klimaschutzziele und die bis zum Jahr 2030 zulässigen Jahresemissionsmengen insofern mit Grundrechten unvereinbar sind, als hinreichende Maßgaben für die weitere Emissionsreduktion ab dem Jahr 2031 fehlen“.

Bedeutet: Die Bundesregierung hat nicht ausreichend geklärt, wie sie ab dem Jahre 2031 gegen den Klimawandel vorgehen möchte. Dies gefährde die verfassungsrechtlich garantierten Freiheitsrechte zukünftiger Generationen, so das Gericht.

Kurz bevor der Bundestag das Gesetz nun verabschiedete, hatten wir euch auf mitmischen.de das Urteil des Bundesverfassungsgerichts erklärt und mit einem Abgeordneten gesprochen:

Bundesregierung: Ab 2045 treibhausgasneutral

Was steht im überarbeiteten Gesetzestext? Die Große Koalition möchte die CO2-Emissionen bis 2030 anstatt um 55 Prozent um mindestens 65 Prozent reduzieren – zum Vergleichsjahr 1990. CO2 bedeutet Kohlenstoffdioxid und ist laut vielen Wissenschaftlern und Wissenschaftlerinnen für den Klimawandel maßgeblich mitverantwortlich.

Bis 2040 sollen die Emissionen sogar auf mindestens 88 Prozent sinken. Das endgültige Ziel soll dann im Jahre 2045 – anstatt ursprünglich 2050 – erreicht sein: Dann nämlich möchte die Regierung die sogenannte Treibhausgasneutralität erreichen. Das heißt, dass der Treibhausgas-Abbau die Treibhausgas-Emissionen ausgleichen.

Die Abgeordneten des Bundestages aber zeigten sich am 10. Juni 2021 bei der ersten Lesung nicht vollends zufrieden. Daher nahm der Umweltausschuss noch einige Änderungen vor. So änderte der Ausschuss im Gesetzentwurf einzelne Passagen. Hier einige Beispiele: Die Pflicht, mit dem Gesetz für eine „Gleichwertigkeit der Lebensverhältnisse“ in Deutschland zu sorgen, ergänzte der Ausschuss um die Pflicht, auf die „Auswirkungen auf die Beschäftigungsentwicklung“ zu achten. Ebenfalls steht in der abgeänderten Version, dass die Politik ab 2024 alle zwei Jahre über den Stand der CO2-Bepreisung berichten muss.

Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) erklärte: „Alle die, die das Klimaschutzgesetz als zahnlosen Tiger kritisiert haben, werden sehr schnell erleben, dass das Gegenteil der Fall ist.“

Doch was denken die Abgeordneten des Deutschen Bundestages über das neue Klimaschutzgesetz?

AfD: „Es gibt keinen Klimanotstand“

Der AfD-Abgeordnete Karsten Hilse kritisierte das Gesetz scharf: Durch das neue Klimaschutzgesetz sei „wieder ein Riesenstück Freiheit genommen worden, sind Hunderte Milliarden völlig unnützer Kosten ohne Nutzen fürs Klima festgezurrt – ein weiterer Stein auf dem Weg in Unfreiheit und Armut“, so Hilse.

Der Abgeordnete bezog sich in seiner Rede auf einen Wissenschaftler, der gesagt habe, „dass von der Erhöhung der CO2-Konzentration keinerlei Gefahr ausgeht, weder für das Klima noch für Mensch und Tier“. Hilse kommentierte: „Es gibt keinen Klimanotstand durch CO2, jetzt nicht, morgen nicht und übermorgen auch nicht.“

CDU/CSU: „Eine gewaltige Gemeinschaftsaufgabe“

„Wir wollen die entscheidenden Schritte gehen, damit Deutschland bis 2045 ein klimaneutrales Industrieland wird. Das ist eine gewaltige Gemeinschaftsaufgabe. Dabei sind für uns Klimaschutz, nachhaltiges Wachstum und soziale Sicherheit untrennbar miteinander verbunden“, erklärte Stephan Stracke von der CDU/CSU-Fraktion.

Auch wenn die größten Herausforderungen noch bevorstünden, könne sich „die Leistungsbilanz dieser Koalition in Sachen Klimaschutz sehen lassen“. So habe Deutschland beispielsweise seine Klimaziele für 2020 erreicht, einen Emissionshandel eingeführt und in den vergangenen Jahren 80 Milliarden für den Klimaschutz ausgegeben.

FDP: „Das ist nicht effizient“

Der FDP-Abgeordnete Lukas Köhler erklärte in Richtung der Großen Koalition, man müsse sich „noch mal ein bisschen näher angucken, ob das, was Sie da mit Ihrem Klimaschutzgesetz gemacht haben, wirklich so effizient ist“. Er kritisierte, dass Deutschland vorrangig allein handle, anstatt mit anderen europäischen Ländern eine gemeinsame Lösung zu erarbeiten. „Das ist nicht effizient. Das ist genau das Gegenteil davon“, so Köhler.

Um die Klimaziele tatsächlich zu erreichen, sei ein Emissionshandel zielführender als beispielsweise Tempolimits oder Flugverbote. Emissionshandel muss man sich wie eine Art „Gutscheinsystem“ vorstellen: Wenn ein Unternehmen CO2 ausstoßen möchte, braucht es eine Berechtigung, die es beim Staat kaufen kann – einen Gutschein also. Wer aber keinen Gutschein hat, der darf auch kein CO2 ausstoßen. Dieser Weg sei das „einzig effiziente und funktionierende System“, kommentierte Köhler.

Erste Lesung zum Klimagesetz

Linke: „Klimagerechte Mobilität“

Sabine Leidig von der Fraktion Die Linke plädierte dafür, insbesondere die großen Banken und Unternehmen in die Pflicht zu nehmen. „Längst ist klar, dass deshalb die Schere zwischen Hyperreichtum und Armut wächst und die natürlichen Lebensgrundlagen zerstört werden: Artenvielfalt, Ackerböden, Wasserhaushalte, stabiles Klima“, so die Abgeordnete.

Sie kritisierte, dass die Politik in der Vergangenheit beispielsweise die Automobilindustrie unterstützt habe, anstatt in Klimaschutz zu investieren. Dies sei „eine große Ressourcenverschwendung. Für das Geld hätten unendlich viele Fahrradwege und Bahnstrecken hergerichtet werden können“.

Leidig sprach sich für eine Verkehrswende aus, um den motorisierten Verkehr zu reduzieren: „Klimagerechte Mobilität geht mit guten Fuß- und Fahrradwegen, mit Zügen und öffentlichen Verkehrsmitteln für alle, Bus und Bahn statt Autobahnwegen.“

Grüne: „Kein solider Plan“

„Noch nie standen einer Regierung beim Klimaschutz so viele Möglichkeiten offen wie Ihnen“, sagte Anton Hofreiter von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in Richtung CDU/CSU und SPD. In den vergangenen Jahren habe es mehrere Hitze- und Dürresommer gegeben, eine Klimabewegung sei entstanden und auch Wirtschaft und Industrie hätten umgedacht. „Doch keine Möglichkeit haben Sie ausreichend genutzt: beim Kohleausstieg nicht, der viel zu spät kommt, beim Klimapaket 2019 nicht und auch jetzt beim Klimasofortprogramm nicht“, so der Grünen-Abgeordnete.

Auch wenn die Große Koalition nun ambitioniertere Ziele verfolge, gebe es noch immer keinen „soliden Plan, wie Sie genau diese Ziele erreichen“ wolle. Hofreiter sagte: „Ja, Klimaschutz bedeutet Veränderung, bedeutet Anstrengung. Aber das ist doch kein Grund, ihn einfach sein zu lassen, abzuwarten, vage zu bleiben, sondern das muss doch Ansporn sein, Klimaschutz sozial gerecht zu organisieren.“

SPD: „Wir haben nur eine Erde“

„Mit diesem Klimaschutzgesetz legen wir klare Ziele fest, und diese Ziele werden regelmäßig auf Einhaltung überprüft. Das ist der erste Punkt“, merkte der SPD-Abgeordnete Klaus Mindrup an. Ein zweiter wesentlicher Bestandteil sei, dass zukünftig regelmäßig geprüft werde, ob die Ziele ausreichten. Wenn dem nicht so sei, müssten sie verschärft werden – so stehe es im Gesetz. „Das ist ein Mechanismus, den Sie hier immer wieder falsch darstellen. Der ist aber revolutionär und richtig“, so Mindrup.

Er wies den Vorwurf zurück, dass sich die Regierung innerhalb der Europäischen Union nicht für Klimaschutz eingesetzt habe. Der SPD-Abgeordnete beendete seine Rede: „Wir müssen den Umbau der Industriegesellschaft gemeinsam mit den Betroffenen hinbekommen. Denn wir haben nur eine Erde, und diese Transformation muss gelingen.“

Im Anschluss an die Debatte votierten in namentlicher Abstimmung 351 Abgeordnete für und 290 gegen den Gesetzentwurf. Zehn Abgeordnete enthielten sich. Auch der Bundesrat hat dem Gesetz bereits zugestimmt, so dass es nach Unterschrift des Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier und Verkündung im Bundesgesetzblatt direkt in Kraft treten kann.

Die komplette Debatte sowie Infos zu abgelehnten Entschließungsanträgen der Opposition findet ihr wie immer auf bundestag.de, das Video der Debatte gibt’s hier:

Portraitfoto von mitmischen-Autor Eric Matt
mitmischen-Autor

Eric Matt

... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.

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