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5 Fragen an 6 Fraktionen Wahlrecht für 16-Jährige?

Laura Heyer

Sollte man schon mit 16 Jahren bei der Bundestagswahl mitmachen dürfen? Und was würde das für die Parteien bedeuten? Wir haben allen sechs Fraktionen die gleichen Fragen gestellt - die Meinungen gehen auseinander.

CDU/CSU
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Marcus Weinberg ist der familienpolitische Sprecher und Vorsitzender der Arbeitsgruppe Familie, Senioren, Frauen und Jugend der Unionsfraktion. © Dennis Williamson

Marcus Weinberg (CDU/CSU)

Wer mindestens 18 Jahre alt ist, kann in Deutschland bei der Bundestagswahl wählen. Einige Politiker fordern, das Wahlalter auf 16 zu senken. Eine gute Idee?

Als CDU/CSU sind wir der Überzeugung, dass Volljährigkeit weiterhin Voraussetzung für die Teilnahme an Bundestagswahlen sein sollte. Mit 18 Jahren ist man für sein Handeln selbst verantwortlich, darf alleine Auto fahren, zum Tanzen auch nach Mitternacht in den Club, ist voll strafmündig, kann zum Beispiel einen Mietvertrag allein abschließen.

Es ist folgerichtig, dann auch das zentrale Bürgerrecht des Wahlrechts an die Volljährigkeit zu knüpfen. Denn warum sollte jemand über die politischen Geschicke des Landes mitentscheiden dürfen, der in unserer Rechtsordnung noch nicht für mündig gehalten wird, die eigenen Lebensverhältnisse allein zu regeln? Wer die Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre vorschlägt, muss auch die Volljährigkeit mit allen Pflichten auf 16 Jahre absenken. Diese Forderung erhebt allerdings praktisch niemand.

Heute leben in Deutschland viele ältere und wenige junge Menschen. Befürworter sagen, dass diese Schieflage durch Wahlberechtigte 16- und 17-Jährige etwas ausgeglichen werden könnte. Was sagen Sie dazu?

Eine Absenkung des Wahlalters sollte nicht anhand der Mehrheitsverhältnisse von Jüngeren und Älteren diskutiert werden, sondern nur danach, ob es das Wahlrecht auch von unter 18-Jährigen mit dem für eine Wahlentscheidung notwendigen Maß an Einsichtigkeit und Verantwortungsbewusstsein ausgeübt werden kann. Ich finde auch die Grundannahme falsch, dass Ältere sich nicht auch an den Interessen der jüngeren Generation bei ihrer Wahlentscheidung leiten lassen. Auch Ältere haben ein Interesse daran, dass Jugendliche einen erfolgreichen Weg gehen können.

Einige Bundesländer und viele Gemeinden haben das Wahlalter bei Landtags- oder Kommunalwahlen auf 16 herabgesetzt. Was hören Sie von dort, welche Erfahrungen gibt es?

Wenn es auf Landes- oder Kommunaleben politische Mehrheiten für eine Absenkung des Wahlalters gibt, ist das selbstverständlich zu akzeptieren. Wissenschaftler zeichnen ein differenziertes Bild zu den Erfahrungen mit der Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre.

„Wahlrechtsfragen sind immer auch Machtfragen“, sagen Demokratieforscher und meinen damit, dass sich einige Parteien für eine Absenkung aussprächen, weil sie glauben, dass sie davon profitieren würden. Ist es denn so klar, wie die Jugend wählen würde?

Die Frage, wen junge Menschen wählen würden, sollte nicht das maßgebliche Argument für oder gegen eine Absenkung des Wahlalters auf 16 sein. Entscheidend ist vielmehr, ob die Wahlentscheidung mit dem notwendigen Maß an Einsichtigkeit und Verantwortungsbewusstsein ausgeübt werden kann. Hier hat der Gesetzgeber mit der Anknüpfung an die Volljährigkeit eine Grundentscheidung getroffen, die ich für richtig halte.

Was glauben Sie, welche Veränderung würde ein Wahlrecht ab 16 Jahren für Ihre Partei bedeuten?

Ich bin überzeugt davon, dass CDU und CSU ein sehr attraktives Politikangebot für junge Menschen machen und auch bei 16- und 17-Jährigen viele Wählerinnen und Wähler finden würde.

SPD
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Mahmut Özdemir sitzt seit 2013 im Deutschen Bundestag. Er wurde damals mit 26 Jahren als jüngster Abgeordneter ins Parlament gewählt.© Bettina Engel-Albustin

Mahmut Özdemir (SPD)

Wer mindestens 18 Jahre alt ist, kann in Deutschland bei der Bundestagswahl wählen. Einige Politiker fordern, das Wahlalter auf 16 zu senken. Eine gute Idee?

Definitiv eine sehr gute Idee! Warum sollten Jugendliche ab 16 nicht ihre Zukunft selbst mitgestalten können? Klar, Politik ist komplex. Aber wer sagt, dass Ältere da zwingend einen besseren Durchblick haben? Wer ab 16 wählen darf, beschäftigt sich auch früher mit unserer Demokratie, den Parteien und den Politikern und Politikerinnen. Das ist doch toll, was sollte dagegen sprechen ...? Außerdem wäre das ein Grund mehr, sich noch stärker in der Schule mit dem Thema zu beschäftigen, wenn man die Praxis bei Wahlen im Idealfall direkt durchleben kann.

Heute leben in Deutschland viele ältere und wenige junge Menschen. Befürworter sagen, dass diese Schieflage durch Wahlberechtigte 16- und 17-Jährige etwas ausgeglichen werden könnte. Was sagen Sie dazu?

Das ist in der Tat richtig. Durch den demografischen Wandel, der die Veränderung der Altersstruktur unserer Bevölkerung beschreibt, haben wir es in Deutschland mit einer stark alternden Bevölkerung zu tun. Wenn man sich mal die Anzahl der Wähler und Wählerinnen über 60 Jahre im Vergleich zu den beispielsweise unter 30-Jährigen anguckt, wird das Ausmaß sehr deutlich. Viele ältere Bürger entscheiden im Umkehrschluss über die Zukunft der jungen Menschen. Da kann es meiner Meinung nach nicht schaden, wenn das Ungleichgewicht etwas verringert wird.

Einige Bundesländer und viele Gemeinden haben das Wahlalter bei Landtags- oder Kommunalwahlen auf 16 herabgesetzt. Was hören Sie von dort, welche Erfahrungen gibt es?

Die Erfahrungen sind durchweg positiv. Wie sollte es auch anders sein? Ein Problem bleibt weiterhin, dass vielerorts die Wahlbeteiligung auch bei den unter 18-Jährigen noch zu gering ist. Das ist Aufgabe und Mahnung an uns alle, noch mehr Menschen jeden Alters für Politik zu begeistern.

„Wahlrechtsfragen sind immer auch Machtfragen“, sagen Demokratieforscher und meinen damit, dass sich einige Parteien für eine Absenkung aussprächen, weil sie glauben, dass sie davon profitieren würden. Ist es denn so klar, wie die Jugend wählen würde?

So klar finde ich das absolut nicht. Meine Erfahrung im persönlichen Austausch mit Schülern und Schülerinnen zeigt mir immer wieder, wie durch den persönlichen Kontakt mögliche Vorurteile, die beispielsweise durch Eltern übermittelt wurden, abgebaut werden können. Das Miteinander-Reden und Diskutieren ist ohnehin das A und O unserer Demokratie. Nur so kann man Menschen für sich oder seine Partei begeistern. Da müssen sich eben einige noch ein bisschen mehr anstrengen und ehrliches Interesse zeigen.

Was glauben Sie, welche Veränderung würde ein Wahlrecht ab 16 Jahren für Ihre Partei bedeuten?

Keine großen. Ich kenne viele Politiker und Politikerinnen der SPD, die sich sehr dafür interessieren, was die Jugend umtreibt. Wir haben die Interessen junger Leute (Schüler, Auszubildene, Studierende und andere) fest im Blick, davon bin ich überzeugt. Wir möchten schließlich eine gute Zukunft für uns alle gestalten, ist doch klar. Daher mein Appell, an alle, die das lesen: Mischt euch ein und lasst euch nicht beirren.

AfD
Abgeordneter am Rednerpult

Johannes Huber ist Mitglied der Kinderkommission und im Ausschuss für Familie, Frauen, Senioren und Jugend. © picture alliance/dpa | Fabian Sommer

Johannes Huber (AfD)

Wer mindestens 18 Jahre alt ist, kann in Deutschland bei der Bundestagswahl wählen. Einige Politiker fordern, das Wahlalter auf 16 zu senken. Eine gute Idee?

Es ist zu begrüßen, dass sich Jugendliche in den politischen Prozess miteinbringen wollen. Eine Absenkung des Wahlalters lehnen wir jedoch ab. Im Alter von 16 Jahren ist man noch nicht voll geschäftsfähig, es gilt das mildere Jugendstrafrecht und diverse Schutzbestimmungen. Der Gesetzgeber hat erkannt, dass man sich in diesem Alter noch in der Reife befindet und dies muss sich auch in Bezug auf Wahlen ausdrücken. Es gibt junge Leute, welche die geistige Reife besäßen, aber Gesetze müssen generalisieren.

Heute leben in Deutschland viele ältere und wenige junge Menschen. Befürworter sagen, dass diese Schieflage durch Wahlberechtigte 16- und 17-Jährige etwas ausgeglichen werden könnte. Was sagen Sie dazu?

Der demographische Wandel ist das Ergebnis einer verfehlten Familienpolitik. Zur nachhaltigen Lösung muss es unser Ziel sein, das Kinderbekommen wieder attraktiver zu gestalten: Beispielsweise durch die bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf oder finanzielle Entlastung. Eine solche Entwicklung wäre nicht nur aus demokratietheoretischer Sicht, sondern auch in Hinblick auf das Renten- und Gesundheitssystem notwendig.

Einige Bundesländer und viele Gemeinden haben das Wahlalter bei Landtags- oder Kommunalwahlen auf 16 herabgesetzt. Was hören Sie von dort, welche Erfahrungen gibt es?

Die Wahlbeteiligung in der Altersgruppe bleibt oft hinter den Erwartungen zurück und damit ist der Effekt auch überschaubar.

„Wahlrechtsfragen sind immer auch Machtfragen“, sagen Demokratieforscher und meinen damit, dass sich einige Parteien für eine Absenkung aussprächen, weil sie glauben, dass sie davon profitieren würden. Ist es denn so klar, wie die Jugend wählen würde?

Tatsächlich gibt es dazu diverse Erhebungen. Es entsteht daraus der Eindruck, dass einige Jugendlichen eben noch nicht mit den wirtschaftlichen Auswirkungen einer solchen Politik konfrontiert wurden. Eine intakte Volkswirtschaft ist aber für die Finanzierung von Umweltschutz genauso Voraussetzung wie für den persönlichen Wohlstand.

Was glauben Sie, welche Veränderung würde ein Wahlrecht ab 16 Jahren für Ihre Partei bedeuten?

Es wäre mit Sicherheit eine spannende Herausforderung und dieser würden wir uns auch stellen. Wir sind insbesondere in den sozialen Medien stark vertreten und können darüber nahbar kommunizieren. Wichtig wäre es hierbei, freiheitlich-konservative Werte als Zukunftsmodell stärker in den Fokus zu rücken und attraktiv anzubieten.

FDP
Portrait des Abgeordneten

Roman Müller-Böhm ist 28 Jahre alt und der jüngste Abgeordnete des 19. Deutschen Bundestages. © Roman Müller-Böhm

Roman Müller-Böhm (FDP)

Wer mindestens 18 Jahre alt ist, kann in Deutschland bei der Bundestagswahl wählen. Einige Politiker fordern, das Wahlalter auf 16 zu senken. Eine gute Idee?

Auf jeden Fall! Wenn es allein nach mir ginge, würden wir das Wahlalter sofort auf 16 Jahre absenken. Der Grund dafür ist ganz einfach: Junge Menschen, über deren Lebensbedingungen in der Politik entschieden wird, müssen sich auch aktiv in den demokratischen Staat einbringen dürfen. Die langfristigen Auswirkungen vieler Maßnahmen, die jetzt beschlossen werden, betreffen ja gerade kommende Generationen – wie zum Beispiel die Bildungs-, Digital- oder auch Rentenpolitik. Und: Wenn sich schon 16-Jährige von der Politik respektiert und ernst genommen fühlen, wirkt das sicher auch der (leider) zunehmenden Politikverdrossenheit entgegen.

Heute leben in Deutschland viele ältere und wenige junge Menschen. Befürworter sagen, dass diese Schieflage durch Wahlberechtigte 16- und 17-Jährige etwas ausgeglichen werden könnte. Was sagen Sie dazu?

Das ist natürlich ein Aspekt, der nicht außer Acht gelassen werden darf. Dass das politische Machtgefälle von Alten zu Jungen immer größer wird, ist definitiv ein Problem. Noch wichtiger ist aber doch: Heute machen die 17-Jährigen Abitur oder sind sogar schon mitten in der Ausbildung. Sie verdienen Geld, zahlen Steuern und können auch strafrechtlich belangt werden. Da sollte man ihnen nicht verwehren, am demokratischen Prozess teilzunehmen und wählen zu können.

Einige Bundesländer und viele Gemeinden haben das Wahlalter bei Landtags- oder Kommunalwahlen auf 16 herabgesetzt. Was hören Sie von dort, welche Erfahrungen gibt es?

Ich habe nur Positives gehört. Und ich finde es spannend mal die Frage zu stellen, ob irgendjemand behaupten würde, dass es in den Bundesländern, in denen das Wahlrecht ab 16 bereits bei Kommunal- und Landtagswahlen gilt, belegbare negative Auswirkungen hatte?

„Wahlrechtsfragen sind immer auch Machtfragen“, sagen Demokratieforscher und meinen damit, dass sich einige Parteien für eine Absenkung aussprächen, weil sie glauben, dass sie davon profitieren würden. Ist es denn so klar, wie die Jugend wählen würde?

Niemand kann genau sagen, welche Partei junge Menschen im Endeffekt wählen würden. Das ist aber auch nicht ausschlaggebend für das Wahlrecht ab 16: Entscheidend ist doch, dass 16-Jährige in der heutigen Zeit immer mehr Verantwortung tragen und großes Interesse an politischen Themen zeigen. Immer mehr arbeiten ehrenamtlich oder informieren sich proaktiv über politische Themen. Schon allein die die Debatte um die EU-Urheberrechtsreform und die Proteste von Fridays for Future haben gezeigt, wie viel Zeit und Herzblut junge Menschen in politische Themen investieren – sie sind also durchaus in der Lage, sich eine Meinung zu bilden und dafür einzutreten. Da kann es nicht sein, dass Jugendliche unter 18 Jahren bislang immer noch nicht die Möglichkeit haben, an einem der wichtigsten Entscheidungsprozesse unserer Demokratie, der Bundestagswahl, teilzunehmen.

Was glauben Sie, welche Veränderung würde ein Wahlrecht ab 16 Jahren für Ihre Partei bedeuten?

Die FDP setzt schon seit Langem auf zukunftsorientierte Themen, wie Digitalisierung und Bildung, die vor allem junge Menschen beschäftigen. Bei anderen Parteien sieht das aber sicher anders aus und gerade das wäre ein weiterer Gewinn des Wahlalters ab 16: Alle Parteien müssten stärker über die konkreten Auswirkungen ihrer heutigen Politik auf junge Generationen nachdenken und dementsprechend mehr Verantwortung übernehmen.

Die Linke
Portraitfoto

Norbert Müller ist Obmann im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend und Mitglied in der Kinderkommission.© privat

Norbert Müller (Die Linke)

Wer mindestens 18 Jahre alt ist, kann in Deutschland bei der Bundestagswahl wählen. Einige Politiker fordern, das Wahlalter auf 16 zu senken. Eine gute Idee?

Ja, ganz klar, meine Partei fordert das seit Langem und hat es in Bundesländern, in denen wir mitregiert haben auch bereits auf Landesebene durchgesetzt. Viele politische Entscheidungen beeinflussen das Leben junger Menschen ganz akut oder treffen, wie die Fridays-for-Future-Demos zeigen, besonders auf ihr Interesse. Es bedarf daher einer breiteren Beteiligung von Jugendlichen im gesamten politischen Prozess. Eine zügige Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre bei allen Wahlen von der Gemeindevertretung bis zum Europäischen Parlament ist dazu ein erster wichtiger Schritt.

Heute leben in Deutschland viele ältere und wenige junge Menschen. Befürworter sagen, dass diese Schieflage durch Wahlberechtigte 16- und 17-Jährige etwas ausgeglichen werden könnte. Was sagen Sie dazu?

Dieses Argument finde ich wenig überzeugend. Im Umkehrschluss müssten wir bei steigenden Geburtenzahlen das Wahlrecht also wieder hochsetzen? Es geht hier um die Gewährung eines Grundrechts für Menschen, die die Entscheidungen von Politik bereits in sehr vielen Bereichen zu spüren bekommen: In der Schule, bei der Ausbildung, in der Freizeit. Junge Menschen haben genauso viel zu sagen wie ältere. Das muss sich auch endlich in einem bundesweiten Stimmrecht ausdrücken.

Einige Bundesländer und viele Gemeinden haben das Wahlalter bei Landtags- oder Kommunalwahlen auf 16 herabgesetzt. Was hören Sie von dort, welche Erfahrungen gibt es?

Die Erfahrungen aus Ländern und Gemeinden sind allesamt positiv. In Brandenburg beispielsweise, wo wir das Wahlalter 2012 gesenkt haben, liegt die Wahlbeteiligung in der Altersgruppe 16 bis 18 Jahre höher als die aller anderen Alterskohorten unter 35 Jahren.

„Wahlrechtsfragen sind immer auch Machtfragen“, sagen Demokratieforscher und meinen damit, dass sich einige Parteien für eine Absenkung aussprächen, weil sie glauben, dass sie davon profitieren würden. Ist es denn so klar, wie die Jugend wählen würde?

Diese Machtfragen stellen sich auch noch in ganz anderen Bereichen. Es gibt in diesem Land viele Millionen Menschen, die entweder nicht wählen dürfen oder sich so wenig vom politischen System erwarten, dass sie von ihrem Wahlrecht keinen Gebrauch machen. Das betrifft vor allem hier lebende Ausländer und Ausländerinnen und ökonomisch Schwache. Die großen Parteien machen schon lange eine Politik vorbei an deren Interessen auch mit dem Kalkül, dass dort keine Stimmen zu holen sind. Wenn nun neue Wählergruppen „erschlossen“ werden, besteht zumindest die Hoffnung, dass sich die herrschende Politik auch endlich für deren Interessen stark macht. Als Linke sind wir zuversichtlich, dass sich auch jugendliche Wähler und Wählerinnen von unseren Argumenten überzeugen lassen. Schließlich ist es diese Generation, die die falschen Entscheidungen von Heute zum Beispiel in Fragen des Klimaschutzes ihr ganzes Leben über wird ausbaden müssen.

Was glauben Sie, welche Veränderung würde ein Wahlrecht ab 16 Jahren für Ihre Partei bedeuten?

Bereits jetzt engagieren sich in unserer Partei und ihrem Umfeld viele Menschen unter 16 Jahren. Ich selbst habe mit 13 Jahren angefangen Politik zu machen. Natürlich habe ich die Hoffnung, dass wir in der neuen Altersgruppe auch gute Wahlergebnisse erzielen würden, weil wir seit Langem glaubwürdig für die Interessen junger Menschen streiten, auch ohne, dass sie uns wählen konnten. Das alles ist aber nicht die Motivation für diese Forderung. Hier geht es einfach um die Gewährung von Grundrechten.

Die Grünen
Portrait der Abgeordneten

Beate Walter-Rosenheimer ist die Sprecherin für Jugendpolitik, Ausbildung und Weiterbildung der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen. © Ammy Berent/All Eyes On You

Beate Walter-Rosenheimer (Bündnis 90/Die Grünen)

Wer mindestens 18 Jahre alt ist, kann in Deutschland bei der Bundestagswahl wählen. Einige Politiker fordern, das Wahlalter auf 16 zu senken. Eine gute Idee?

Eine sehr gute Idee und ein längst überfälliger Schritt. Meine Fraktion und ich setzen uns bereits seit Langem dafür ein. Junge Menschen sind interessiert und wollen ihre Zukunft mitgestalten. Das hat unter anderem auch Fridays for Future eindrucksvoll gezeigt. Viele Jugendliche sind hochmotiviert, engagieren sich und wollen bei politischen Entscheidungen, die ihre eigene Zukunft oft am stärksten betreffen, eingebunden werden.

Wählen mit 16 kann dazu beitragen, die Wahlbeteiligung und das Interesse an Politik nachhaltig und langfristig zu steigern – gerade, wenn die Wahlalterabsenkung mit politischer Bildung im Schulunterricht entsprechend flankiert wird.

Heute leben in Deutschland viele ältere und wenige junge Menschen. Befürworter sagen, dass diese Schieflage durch Wahlberechtigte 16- und 17-Jährige etwas ausgeglichen werden könnte. Was sagen Sie dazu?

Ja, diese Meinung teile ich. In einer immer älter werdenden Gesellschaft sollen junge Menschen ihre Zukunft mitgestalten, denn auch sie haben ein Recht darauf, dass ihre Meinungen, Wünsche und Vorstellungen bei Entscheidungen berücksichtigt werden. Jugendbeteiligung soll deshalb an allen Orten des Aufwachsens möglich sein: auch an der Wahlurne. Wer früh spürt, dass Dinge durch eigenes Engagement verändert werden können, erlebt eigene Wirkmächtigkeit und lernt Demokratie.

Einige Bundesländer und viele Gemeinden haben das Wahlalter bei Landtags- oder Kommunalwahlen auf 16 herabgesetzt. Was hören Sie von dort, welche Erfahrungen gibt es?

In zehn Bundesländern gibt es bereits die Möglichkeit mit 16 Jahren die Stimme bei Kommunalwahlen abzugeben und in vier Bundesländern dürfen junge Menschen ab 16 Jahren an Landtagswahlen teilnehmen. Die Erfahrungen hier sind durchweg positiv. Das ist ein starkes Signal auch für die Bundesebene. Und dieses Argument sollte auch die Gegner und Gegenerinnen der Wahlalterabsenkung dazu bewegen, ihre Meinung noch einmal zu überdenken. Denn auch mit 16 Jahren haben junge Menschen die nötige Urteilsfähigkeit, um den Deutschen Bundestag mit zu wählen.

„Wahlrechtsfragen sind immer auch Machtfragen“, sagen Demokratieforscher und meinen damit, dass sich einige Parteien für eine Absenkung aussprächen, weil sie glauben, dass sie davon profitieren würden. Ist es denn so klar, wie die Jugend wählen würde?

Im Fokus einer solchen Entscheidung muss doch die Teilhabe junger Menschen am politischen Geschehen liegen. Ganz unabhängig davon, wen sie wählen würden. Denn das Wahlrecht kann und darf doch nicht von der politischen Orientierung abhängen. Das funktioniert ja beim Wahlrecht für Erwachsene auch nicht so. In einer demokratischen Gesellschaft darf jede und jeder die Partei wählen, die er oder sie möchte. Aus Angst vor möglichen Stimmverlusten jungen Menschen das Wahlrecht nicht einzuräumen, halte ich deshalb für ein falsches, ja sogar für ein gefährliches Signal.

Was glauben Sie, welche Veränderung würde ein Wahlrecht ab 16 Jahren für Ihre Partei bedeuten?

Klar ist, dass – wenn Jugendliche früher wählen dürfen – sich mit Sicherheit auch die Wahlprogramme ändern werden. Jugendliche sind dann eine durchaus gewichtige Zielgruppe, die angesprochen werden muss. Das finde ich enorm wichtig, denn die Belange junger Menschen fallen viel zu oft hinten runter. Und das will ich als jugendpolitische Sprecherin so nicht hinnehmen. Wir Grünen haben die Perspektive junger Menschen auch jetzt schon im Blick, mit vielen guten Initiativen und schneiden dementsprechend bei den U18-Wahlen des Deutschen Bundesjugendrings auch sehr gut ab.

Zur Person

Mitmischen-Autorin

Laura Heyer

hat in Heidelberg Geschichte studiert, in Berlin eine Ausbildung zur Journalistin gemacht und ist dann für ihre erste Stelle als Redakteurin nach Hamburg gegangen. Dort knüpft sie nun Netzwerke für Frauen. Aber egal wo sie wohnt – sie kennt immer die besten Plätze zum Frühstücken.

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