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Läden, Bars, Verkehr Wie wird eine Innenstadt attraktiv?

Diana Podoynitsyn

Einkaufen in der Stadt ist out, Onlineshopping in. In vielen Innenstädten stehen Geschäfte leer. Die Corona-Pandemie beschleunigt diese Entwicklung. Was hilft dagegen? Abgeordnete haben dazu Experten befragt.

Stadtszene

Wie müsste eine Innenstadt gestaltet sein, damit du Lust hättest, dorthin zu gehen? ©shutterstock/Heiko Kueverling

Deutschland hat 2054 Städte – und in vielen davon wird es immer trostloser. Denn die meisten Menschen finden Innenstädte eher uncool: In einer Umfrage des Instituts für Handelsforschung (IFH) aus dem Jahr 2018 gab eine Mehrheit der Befragten ihrer Innenstadt eine 3+, also gerade mal ein Befriedigend.

Vor allem junge Menschen gehen immer seltener in die Zentren. Laut IFH waren 2020 gerade einmal 16 Prozent der Innenstadtbesucher unter 25 Jahre alt, 2018 waren es noch 21 Prozent. Shoppe vor Ort geht zurück. Jeder vierte Euro im Bereich Technik und Mode wird mittlerweile online verdient. Viele, die sich gleichwohl in die Innenstädte aufmachen, wünschen sich laut Konsumforschern den Besuch dort als Erlebnis, verbunden mit Essen oder Kultur, am besten besonders angenehm und komfortabel.

Der monatelange Corona-Lockdown hat die Situation verschärft: Seit Dezember haben die meisten Geschäfte geschlossen. Noch mehr Menschen als vorher greifen daher auf den Onlinehandel zurück. Langfristig werden viele Geschäfte schließen müssen, prognostizieren Experten.

Was also tun? Dazu haben Abgeordnete des Bundestages kürzlich mit Experten im Ausschuss für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen gesprochen und fünf Anträge der Oppositionsfraktionen beraten. Ihr Fazit: Es ist kompliziert.

Die Ideen der Opposition

Die Oppositionsfraktionen legten in ihren Anträgen ganz unterschiedliche Ideen vor. Die AfD schlug unter anderem ein Förderprogramm zur Rettung der Innenstädte vor. Sogenannte kommunale Innenstadtmanager sollen auf eine richtige Mischung von Handel und Gewerbe achten und sich Leerständen widmen. Zudem wollen die Abgeordneten kostenloses WLAN in Innenstädten fördern und mehr Platz für Autos schaffen. In einem weiteren Antrag fordert die AfD-Fraktion Änderungen im Planungsrecht, um Gebäude flexibler nutzen zu können und so Innenstädte zu stärken.

Aus Sicht der FDP-Fraktion könnten mehr Öffnungen an Sonntagen, weniger Bürokratie für den Handel und Erleichterungen bei der Gewerbesteuer gegen eine Verödung der Innenstädte helfen. Zudem fordern die Liberalen in ihrem Antrag, probeweise den Lärmschutz zu lockern, um Stadtteile durchmischter zu benutzen.

Die Linksfraktion fordert ein mit 500 Millionen Euro ausgestattetes Notfallprogramm, um Kommunen und Gewerbetreibenden bei den Auswirkungen der Corona-Krise zu helfen.

Für einen Innenstadt-Krisengipfel und eine Stärkung des Immobilien- und Bodenkaufs durch Kommunen plädiert die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Antrag. Ein Städtebau-Notfallfonds in Höhe von 500 Millionen Euro soll den Städten die Möglichkeit geben, innovative Konzepte unter Mitwirkung der Bevölkerung zu entwickeln, leerstehende Immobilien anzukaufen und die Ansiedlung gemeinnütziger Institutionen zu fördern. Daran müssten sich auch private Akteure aus der Gemeinde beteiligen.

Das sagen die Experten

Dass die momentane Pandemie dazu führe, dass bis zu 50.000 weitere Geschäfte schließen müssten, verbessere die Lage der Innenstädte nicht, sagte Norbert Potz vom Deutschen Städte- und Gemeindebund. Der Präsident des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen, Andreas Ibel, sieht auch noch die Gefahr, dass „Mietausfälle, sinkende Mieteinnahmen und drohende Wertverluste der Immobilien“ Realität würden.

Wohnen, wo es gutes Essen gibt

Um diese Entwicklung in eine andere Richtung zu lenken, sollen die Innenstädte aus Sicht einiger Experten künftig vielfältiger genutzt werden. Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbands Deutschland HDE, forderte zum Beispiel die Stärkung des kommunalen Vorkaufsrecht. Das bedeutet, dass die Städte beim Kauf von Immobilien gegenüber Privatpersonen bevorzugt werden.

Eine in Teilen befristete Lockerung im Baurecht forderte Iris Schöberl aus dem Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA). Dadurch soll es nicht nur leichter, sondern für Unternehmerinnen und Unternehmer auch attraktiver werden, Bauprojekte in Angriff zu nehmen.

Mehr Sonntagsöffnungen, eine niedrigere Gewerbesteuer und der Abbau der Bürokratie ist aus Sicht von Ingrid Hartges, die Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbands Dehoga, ein guter Weg, um auch junge Menschen wieder für Innenstädte zu begeistern. Sie betonte, dass eine Umfrage Folgendes ergeben hätte: Junge Menschen machten ihren Wohnsitz demnach zu 60 Prozent vom Angebot der Gastronomie abhängig.

Individuelle Konzepte

In einem waren sich alle einig: Auch wenn jede Stadt in Deutschland mit dem wachsenden Onlinehandel und dem Lockdown zu kämpfen hat, sind weitere Ursachen und die konkreten Gegebenheiten von Kommune zu Kommune unterschiedlich.

Während die eine Innenstadt mit allen Verkehrsmitteln gut zu erreichen ist, hat eine andere Kommune das Problem, dass sie nicht kinder- und jugendfreundlich genug ist, um junge Menschen und Familien anzusprechen. Deswegen sei es wichtig, individuelle und vor allem innovative Lösungsmodelle zu konzipieren, die langfristig Innenstädte retten und stärken.

Die ganze Anhörung könnt ihr euch auf bundestag.de durchlesen oder im Video anschauen.

Zur Person

Portraitfoto von mitmischen-Autorin Diana Podoynitsyn
Mitmischen-Autorin

Diana Podoynitsyn

lebt in Trier. In ihrer Freizeit engagiert sie sich in der Kommunalpolitik, bei "Demokratie leben!" sowie im Altersheim. Sie liest und philosophiert gern. Manchmal gestikuliert sie so stark, dass ihre Mitmenschen lieber Abstand zu ihr halten.

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