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Corona-Debatte Freiheit versus Gesundheit?

Manche Corona-Regeln schränkten in den vergangenen Wochen unsere Freiheit ein, einige gelten nach wie vor. War und ist das gerechtfertigt? Darüber wird im Bundestag aktuell gestritten.

Corona-Demonstration: Junge Frau hält vor dem Brandenburger Tor ein Grundgesetz und ein Plakat 'Verbotsorgien stoppen' hoch

Vor dem Brandenburger Tor demonstriert eine Frau mit Grundgesetz und Plakat gegen „Verbotsorgien“. © picture alliance/Christoph Soeder/dpa

Es gibt verschiedene Grundrechte – und manchmal stehen sie in einem Spannungsverhältnis. So gibt es einerseits ein Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Um dem gerecht zu werden, hat die Politik in den letzten Monaten viele Lebensbereiche eingeschränkt, damit möglichst wenige Menschen sich mit dem neuartigen und weitgehend unerforschten Coronavirus infizieren.

Es gibt andererseits aber auch Bürgerrechte wie etwa das Recht auf Versammlung und das Recht auf gemeinschaftliche Religionsausübung. Diese Rechte wurden durch die gleichen Regelungen beschnitten. Dies zeigt deutlich: die Eingriffe in Grundrechte sollen die Grundrechte anderer schützen.

Mehr über die Grundrechte, die als Grundpfeiler unserer Demokratie gelten, erfahrt ihr in unserem Video über das Grundgesetz:

Seit Beginn der Corona-Krise haben Politiker diesen Konflikt betont. In ihrer Regierungserklärung im April nannte Kanzlerin Angela Merkel (CDU) die Pandemie „eine demokratische Zumutung“. Sie betonte, es sei deshalb umso wichtiger, die Einschränkungen zeitlich zu begrenzen, sie transparent zu erklären und auch Kritik daran zuzulassen.

Den Oppositionsfraktionen reicht das nicht aus. Am 7. Mai wurden im Plenarsaal verschiedene Anträge debattiert, die sich mit dem Thema Bürgerrechte in der Corona-Krise beschäftigen.

FDP: Einschränkungen ständig überprüfen

Der Antrag der FDP heißt „Rechtsstaat in der Corona-Krise verteidigen – Bürger- und Freiheitsrechte bewahren“. Die FDP fordert darin die Bundesregierung auf, alle Einschränkungen überprüfen zu lassen und alle Freiheitsbeschränkungen, die sich gesundheitlich nicht mehr rechtfertigen lassen, sofort aufzuheben. Das gelte besonders für die Versammlungsfreiheit und das Recht auf freie und gemeinschaftliche Ausübung der Religion.

Im Interview erklärt Stephan Thomae die Anliegen seiner Fraktion genauer. Die Abgeordneten diskutierten den Antrag der FDP gemeinsam mit einem Antrag der Grünen.

Grüne: „Pauschale Versammlungsverbote sind verfassungswidrig“

„Demokratie, Bürgerrechte und Zivilgesellschaft in Zeiten der Corona-Krise“, so ist der Antrag der Grünen überschrieben. Darin heißt es: „Der Austausch von Meinungen, der kritische Diskurs, eine aktive Zivilgesellschaft, eine freie und vielfältige Kultur und freie Medien sind Grundbedingungen einer demokratischen Öffentlichkeit.“ Pauschale Versammlungsverbote seien verfassungswidrig, deshalb müssten etwa Protestkundgebungen erlaubt werden, wenn sie Auflagen zum Schutz vor Infektionen beachteten.

Der Antrag enthält weiter eine lange Reihe von Forderungen. So schlägt er beispielsweise eine „Corona Technologie Task Force“ vor und verlangt schnellstmöglich nach einer Corona-Tracing-App, die allerdings den Datenschutz gewährleisten müsse.

Zur Erklärung: Die Bundesregierung plant eine Corona-App, die Menschen rasch und anonym informieren soll, wenn sie Kontakt zu anderen Nutzern hatten, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden.

Die Debatte über die Anträge von FDP und Grünen, die beide an den Innenausschuss überwiesen wurden, seht ihr hier im Video:

AfD: „Nein zu Big Brother“

Die AfD brachte zwei Anträge zum Thema ein. Der erste Antrag konzentriert sich auf die Versammlungs- und Religionsfreiheit– letztere nennt er „einen Prüfstein für die Einhaltung der Menschenrechte überhaupt“. Religiöse Feste wie Ostern, Pfingsten und Weihnachten sowie Taufen und Beerdigungen müssten gemeinschaftlich begangen werden dürfen, fordert die AfD.

Der Antrag wurde an den Innenausschuss überwiesen.

„Nein zu Big Brother“ steht über dem zweiten Antrag der AfD. Darin fordert die Fraktion die Bundesregierung dazu auf, die Entwicklung einer Corona-Tracing-App einzustellen. Wenn doch eine App käme, müsse die Regierung aber sicherstellen, dass diese nur freiwillig genutzt werde und eine Nicht-Nutzung zu keinerlei sozialen Nachteilen führe.

Dieser zweite Antrag wird nun im Gesundheitsausschuss weiter besprochen.

Hier seht ihr alle Reden zu den Anträgen der AfD:

Was sagen die anderen Fraktionen?

Philipp Amthor (CDU/CSU) verwehrte sich gegen die Behauptung, die Grundrechte seien aktuell ausgesetzt. Das Bundesverfassungsgericht habe manche Maßnahmen bestätigt, andere wieder aufgehoben – allein das belege, dass Demokratie und Gewaltenteilung funktionierten. Dass die Corona-Maßnahmen im Parlament kritisch hinterfragt würden, sei gut und richtig. Man dürfe aber nicht, mahnte er in Richtung AfD, Verschwörungstheorien nähren, die aktuell eine „große Gefahr für unser Land“ seien.

Mahmut Özdemir (SPD) betonte, die Menschen hätten gerade während des Osterfestes die Einschränkungen eingehalten und genau dadurch den Erfolg erzielt, dass die Corona-Zahlen zurückgegangen seien. Inzwischen gebe es längst wieder Protest-Versammlungen und Zusammenkünfte zur Religionsausübung.

Friedrich Straetmanns (Die Linke) erklärte dagegen, seine Fraktion teile das Anliegen von FDP und Grünen. Es sei „absolut erforderlich“, alle Corona-Maßnahmen kritisch zu überprüfen. Auch er warnte vor Verschwörungstheorien, die andernfalls noch mehr Zulauf bekommen könnten.

(DBT/jk)

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