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Antrag Hilfe für Wohnungslose

Wer obdachlos ist, hat oft große Schwierigkeiten, wieder zurück in die Gesellschaft zu finden. Das Konzept „Housing First“ sieht deshalb vor, jedem Obdachlosen eine Wohnung zur Verfügung zu stellen. Die Linksfraktion fordert die bundesweite Einführung.

Obdachloser schläft auf einer Bank

In Deutschland haben 263.000 Menschen kein Zuhause. © shutterstock.com/Srdjan Randjelovic

Im Dezember 2022 veröffentlichte die Bundesregierung ihren ersten Wohnungslosenbericht. Demnach sind derzeit 263.000 Menschen in Deutschland wohnungs- oder obdachlos.

Bis 2030 soll es in Deutschland keine Wohnungslosigkeit mehr geben. So sieht es die Lissaboner „Declaration on the European Platform on Combatting Homelessness“ der Europäischen Union vor, die Deutschland im Juni 2021 unterschrieben hat.

Die Linksfraktion hat nun in einem Antrag gefordert, dieses Ziel mit Hilfe des Konzepts „Housing First“ umzusetzen. Am 10. Februar debattierten die Abgeordneten die Vorlage in erster Lesung.

Was steht im Antrag?

„Ohne festen Wohnsitz wird es deutlich schwerer, das Arbeitsverhältnis zu halten oder ein neues zu finden, die Beantragung von Sozialleistungen wird schwieriger und der Gesundheitszustand verschlechtert sich häufig. So kann sich Wohnungslosigkeit schnell verfestigen.“ So beschreibt die Linksfraktion die Situation Wohnungsloser im Antrag.

Die Lösung aus Sicht der Antragsteller: „Ein Ausweg aus dieser Spirale gewährt am unmittelbarsten ein reguläres Wohnverhältnis, in dem unter gesunden Bedingungen und mit fester Postanschrift und Kommunikationsmöglichkeiten die Lebensführung wieder möglich ist.“ Die Linke will den Housing-First-Ansatz, „der insbesondere in Finnland sehr erfolgreich angewendet wird und unter anderem auch in Wien, Berlin und Nordrhein-Westfalen bereits erprobt wird“, flächendeckend auch in Deutschland einführen und „Wohnen für alle“ damit zum „voraussetzungslosen Grundrecht“ machen.

Sie fordert die Bundesregierung auf, einen entsprechenden Gesetzentwurf vorzulegen und dafür zu sorgen, dass ausreichend Wohnungen zur Verfügung stehen.

Linke: „Teufelsspirale überwinden“

Katja Kipping (Die Linke), Senatorin für Integration, Arbeit und Soziales in Berlin, erklärte, wer auf der Straße lebe, sei „schutzlos Frost und Kälte ausgeliefert“ und würde schneller Opfer von Diebstahl und Gewalt. Das sei eine „Teufelsspirale“, die man am besten überwinden könne, indem man Obdachlosen eine eigene Wohnung zur Verfügung stelle.

Natürlich sei die Arbeit mit einem unterschriebenen Mietvertrag nicht getan: „Die Probleme sind nicht alle weg, aber aus der Sicherheit der eigenen vier Wände lassen sie sich einfacher bearbeiten.“

In Berlin werde das Konzept Housing First derzeit als Pilotprojekt umgesetzt. Die wissenschaftlichen Ergebnisse zeigten „ganz klar“, dass das Konzept aufgehe, so Kipping. Deshalb sei ihr Ziel, Housing First „vom Pilotprojekt zum Leitmotiv“ zu machen.

SPD: „Überwindung der Wohnungslosigkeit bis 2030“

Cansel Kiziltepe (SPD), Parlamentarische Staatssekretärin für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen, bestätigte, dass „über eine Viertel Million Menschen“ in Deutschland keine Wohnung habe. „Das ist ein Zustand, den wir in einem reichen Land wie Deutschland so nicht hinnehmen können“, sagte sie.

Die Problemlage sei „vielschichtig“, deshalb arbeite die Ampel-Koalition an einem nationalen Aktionsplan. Dabei sei es wichtig, Länder, Kommunen, Wohnungslosenhilfe und Betroffene einzubeziehen, um die Wohnungslosigkeit bis 2030 „gemeinsam Hand in Hand zu überwinden“. Das sei ein „ambitioniertes“ Ziel, aber möglich.

Dass der Ansatz Housing First „auch in Deutschland funktionieren kann, zeigt Berlin“, so Kiziltepe. Aber es gebe einen „Berg an Herausforderungen“, gerade angesichts der „dramatischen Lage am Wohnungsmarkt“. Die Bundesregierung habe die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum deshalb zu einem „zentralen Thema“ gemacht.

Union: „Ziele sind Ziele und Wege sind Wege“

Lars Rohwer (CDU/CSU) sagte, der Ansatz „Unterkunft zuerst“ sei ein guter und vielversprechender. Aber: „Ziele sind Ziele und Wege sind Wege.“

Zwar sei das Konzept Housing First in vielen Ländern, etwa in Finnland oder den USA, erfolgreich. Doch die Wohnungssituation sei in den verschiedenen Regionen in Deutschland sehr unterschiedlich. Deshalb zeigte Rohwer sich „skeptisch“, ob eine bundesweite Lösung den Herausforderungen vor Ort gerecht werden könne.

Dringend müsse neuer Wohnraum geschaffen werden. „Leerstehenden Wohnraum zu enteignen“, wie es Die Linke vorschlage, sei für die Unionsfraktion „keine Option“. Die beste Lösung sei, neue Wohnungen zu bauen.

Grüne: „Menschenrecht auf Wohnen für alle“

Hanna Steinmüller (Bündnis 90/Die Grünen) sagte zu Beginn ihrer Rede: „Wohnungs- und obdachlose Menschen gehören zu den verletzlichsten in unserer Gesellschaft.“ Es müsse das gemeinsame Ziel aller Beteiligten sein, diesen Zustand bis „spätestens 2030“ zu überwinden.

Housing First sei dabei „ein Instrument“. Wichtig sei aber zum Beispiel auch „ein starkes Mietrecht“, damit Menschen ihre Wohnung gar nicht erst verlören. Und natürlich sei es erforderlich, für „bezahlbare Wohnungen“ zu sorgen.

Sie freue sich, so Steinmüller, mit den anderen Fraktionen gemeinsam an dem Ziel zu arbeiten, „das Menschenrecht auf Wohnen für alle zu verwirklichen“.

AfD: „Sie sind kein Teil der Lösung, Sie sind das Problem“

Sebastian Münzenmaier (AfD) stimmte den anderen Rednern darin zu, dass das „Leiden auf den Straßen“ ein Ende haben müsse. Das Konzept Housing First funktioniere in vielen Fällen gut. Es müssten dafür aber auch „gewisse Rahmenbedingungen“ gegeben sein.

Die Politik der Bundesregierung verhindere aber die erfolgreiche Bekämpfung von Wohnungslosigkeit de facto, befand Münzenmaier. Denn in Deutschland herrsche „akuter Wohnungsmangel“, den die Ampel-Koalition nicht in den Griff bekomme.

Berlin als Positivbeispiel zu nennen, bezeichnete der AfD-Abgeordnete als „Realsatire“. Denn der Wohnungsmarkt in Berlin sei „einer der katastrophalsten überhaupt“. Der Linken, die in Berlin bislang Teil der Regierung gewesen sei, warf er vor: „Sie sind kein Teil der Lösung, Sie sind das Problem, liebe Linksfraktion“, so Münzenmaier.

Zudem treibe die „unkontrollierte Masseneinwanderung“, die die Bundesregierung ermögliche, die Wohnungsnachfrage „exorbitant“ in die Höhe. Für die AfD sei klar, was getan werden müsste: „Mehr bauen“ und „Einwanderung stoppen“, damit der Wohnraum „unseren eigenen Leuten“ zugute komme.

FDP: „Lassen Sie uns gemeinsam mehr bauen!“

Rainer Semet (FDP) sagte eingangs, Wohnungslosigkeit sei „kein Randphänomen“, sondern betreffe viele Menschen auch „mitten in der Gesellschaft“. Den Housing-First-Ansatz beurteilte er „grundsätzlich positiv“. Denn Mietschulden oder Mietzahlungsschwierigkeiten seien die häufigsten Gründe für Wohnungslosigkeit. Eine eigene Wohnung sei eine gute Möglichkeit für Resozialisierung.

Die Ampel-Koalition unternehme viel, um „die Herausforderungen anzugehen“, betonte Semet. Das größte Problem sei der Wohnraum: „Wir haben schlichtweg nicht genug davon.“ Deshalb appellierte Semet an die anderen Fraktionen: „Lassen Sie uns gemeinsam mehr bauen!“

Hier seht ihr die Debatte im Video:

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