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Bundestagsstipendiatin 2022 „Ich will helfen, Brücken zu bauen“

Salome aus Georgien lernt die deutsche Demokratie kennen. Hier erzählt die Bundestags-Stipendiatin, was sie beeindruckt und wie sie das später in ihrer Heimat einbringen möchte, um dort etwas zu bewegen.

Junge Frau vor dem Paul-Löbe-Haus des Bundestages

Salome vor dem Paul-Löbe-Haus, einem Gebäude des Bundestages, in dem sie derzeit arbeitet. © DBT/Julia Karnahl

Internationales Parlaments-Stipendium (IPS)

Jedes Jahr lädt der Deutsche Bundestag bis zu 120 junge Hochschulabsolventen aus 50 Ländern ein, fünf Monate lang das parlamentarische Geschehen in Deutschland mitzuverfolgen und in einem Abgeordneten-Büro mitzuarbeiten. Details zum Programm findet ihr auf der IPS-Seite des Bundestages.

Salome ist 26. Sie kommt aus Georgien, einem Staat, der östlich des Schwarzen Meeres liegt und im Norden an Russland, im Süden an die Türkei und Armenien und im Osten an Aserbaidschan grenzt. Sie stamme aus einer „winzigen Stadt im Kaukasus“, sagt sie. Zum Studium ging sie in die Hauptstadt Tiflis, wo sie ihren Bachelor in Internationalen Beziehungen machte. Über das Erasmus-Bildungsprogramm der EU studierte sie dann ein Jahr lang Politikwissenschaft in Jena. Freunde hatten ihr begeistert von der Stadt berichtet.

Karte von Georgien und Nachbarländern

Georgien ist ein Staat an der Schnittstelle zwischen Europa und Asien. Die ehemalige Sowjetrepublik liegt am Schwarzen Meer. © Google Maps

Von Tiflis nach Jena: „Wie anders alles war!“

„Ich war das erste Mal im Ausland“, erzählt Salome. „Wie anders alles war! Das Lehrpersonal an der Uni war so offen und freundlich, das hat mich sehr beeindruckt. Ich habe schnell gedacht: In diesem Land kann man viel lernen!“ Ihr war sofort klar, dass sie nach einem Jahr Jena weiter in Deutschland bleiben wollte. Also hängte sie einen Freiwilligendienst in Berlin dran. Und bewarb sich dann an der Freien Universität Berlin für einen Master-Studiengang Politikwissenschaft. Ende August wird sie ihren Abschluss machen. Aber im Moment kommt sie nicht viel zum Lernen. Dafür ist die Arbeit im Bundestag viel zu spannend.

„Von dem IPS-Programm habe ich zum ersten Mal in Georgien gehört, da war ich 19 oder 20“, erzählt Salome. Dass sie gerne daran teilnehmen würde, war ihr gleich klar. Aber: „Ich wollte mich erst sprachlich und fachlich weiterentwickeln, um diese Chance dann auch wirklich gut nutzen zu können.“

Bürger-Anfragen und „Wow-Veranstaltungen“

Jetzt – nach einer Corona-Verschiebung – ist es so weit. Im März hat sie sich mit den anderen IPS-Stipendiaten in Seminaren und Konferenzen jede Menge Hintergrundwissen rund um den Bundestag angeeignet. Anfang April ging es dann los mit der Praxis. Für sie in dem Abgeordneten-Büro von Josef Rief von der Unionsfraktion. Er kommt aus Baden-Württemberg und sitzt im Haushaltsausschuss und im Rechnungsprüfungsausschuss.

Im Büro beantwortet die Georgierin Anrufe und Briefe von Bürgerinnen und Bürgern oder stellt Informationen für Termine zusammen. „Im Moment geht es viel um das Thema Ukraine: Was passiert dazu im Bundestag, was macht die Union, wie steht ‚mein‘ Abgeordneter dazu?“ Aber auch mit anderen Themen hat Salome zu tun: „Heute beschäftige ich mich zum Beispiel mit der Rente. Ein ganz neuer Bereich für mich“, erzählt sie.

Besonders toll findet Salome es, dass sie mit auf Veranstaltungen gehen darf und so viele Menschen kennenlernt. Eine „Wow-Veranstaltung“ war für sie der Frühlingsempfang der Deutschen Parlamentarischen Gesellschaft: „Die Leute dort waren so interessiert und hilfsbereit, ich habe wirklich wertvolle Ratschläge für meine Zukunft und meinen weiteren Weg bekommen. Und trotzdem sind mir alle auf Augenhöhe begegnet. Das ist in Georgien anders, da gibt es viel strengere Hierarchien.“

Weniger Hierarchien, mehr Kompromissbereitschaft

Noch ein großer Unterschied zu Georgien: „Hier im Bundestag arbeiten die verschiedenen Fraktionen wirklich konstruktiv zusammen und finden auch mal einen Kompromiss, wie etwa kürzlich bei den Waffenlieferungen in die Ukraine.“ Deshalb gefällt es Salome auch, dass sie bei der Opposition gelandet ist: „Ich finde es spannend mitzuerleben, wie die Union sich in ihre neue Rolle als Opposition einfindet“, erklärt sie.

Und in Georgien? „Da sind jene, die die Regierung unterstützen und die Opposition verfeindet und haben gar kein Interesse an echtem Dialog.“ Das findet Salome schade. Und das ist einer der Gründe, warum sie später nach Georgien zurück möchte. Um dort etwas zu bewegen.

Bis Ende Juli wird sie noch im Bundestag arbeiten. Danach kommt der Studienabschluss. Und dann? „Ich würde gerne noch ein EU-Praktikum in Brüssel oder Straßburg machen. Und dann möchte ich alles, was ich gelernt habe, anwenden, um meinem Land zu helfen. Georgien ist eine junge Demokratie. Es ist schade, dass so viele junge, gute Leute weggehen.“

Zwei Zukunftsthemen für Georgien

In zwei Bereichen möchte Salome aktiv werden in ihrer Heimat: Zum einen will sie zur Konfliktschlichtung zwischen verschiedenen gesellschaftlichen und politischen Gruppierungen beitragen, etwa in den von Georgien abtrünnigen Gebieten Abchasien und Südossetien, die von Russland politisch und militärisch unterstützt werden. „Es ist schade, dass sich da so wenig bewegt“, findet Salome. „Ich würde gerne helfen, Brücken zu bauen und Gespräche zu ermöglichen.“

Ihr zweites Thema: die Beteiligung von Frauen in Politik und Gesellschaft. „Ehrlich gesagt dachte ich, Deutschland wäre da schon weiter“, sagt Salome. Dass nur knapp 35 Prozent der Mitglieder des Deutschen Bundestages weiblich sind, habe sie etwas enttäuscht. „Aber ich hatte hier gute, ermutigende Gespräche zu dem Thema. Und ich will da unbedingt weiterkämpfen.“

(jk)

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