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„Die europäische Verständigung ist für mich ein Herzensthema“

Wie arbeiten Parlamentarier anderer Länder? Abgeordnete des Bundestages treffen regelmäßig Kollegen aus aller Welt. mitmischen.de fragt nach – heute beim Vorsitzenden der Parlamentariergruppe Nördliche Adria Oliver Luksic (FDP).

Porträtfoto Oliver Luksic, darauf eine Deutschlandflagge sowie eine Slowenien- und Kroatienflagge

Hat selbst familiäre Wurzeln in Südosteuropa und ist ein großer Fan von Slowenien und Kroatien: Oliver Luksic (FDP). © Oliver Luksic

Wie funktioniert der Parlamentarismus in den Ländern der nördlichen Adria? Welche Unterschiede gibt es zu Deutschland?

Slowenien besitzt ein sogenanntes „unvollkommenes“ Zweikammerparlament, während Kroatien seit dem Jahr 2000 nur noch eine Parlamentskammer hat. In beiden Ländern werden Varianten des Verhältniswahlrechts genutzt, wahlberechtigt sind Bürger ab 18 Jahren. Zudem sind in beiden Ländern Sitze für nationale Minderheiten reserviert.

Anders als in Deutschland sind in den Parlamenten eher viele Parteien beziehungsweise Wahlbündnisse vertreten: aktuell zehn in Slowenien und fünfzehn in Kroatien sowie weitere unabhängige Abgeordnete. Dies ergibt sich unter anderem aus dem Wahlrecht, denn ohne Fünf-Prozent-Hürde, wie es sie bei uns gibt, steigt die Anzahl der Parteien im Parlament. Die Unterschiede zu Deutschland sind vor allem formeller und organisatorischer Natur. Wie der Bundestag sind die jeweiligen nationalen Parlamente alleinige Gesetzgeber und besitzen das Budgetrecht. (Anm. d. Red.: Budgetrecht heißt, das Parlament entscheidet, wofür die Regierung Geld ausgeben kann und wie viel.)

Welche Themen beschäftigen Sie in der Gruppe am meisten?

Wir pflegen die parlamentarischen Beziehungen. Praktisch heißt das, dass die Themenvielfalt enorm ist. Von Abstimmungen zum westlichen Balkan bis zu gemeinsamen Kulturprojekten sind wir in einem intensiven Austausch mit unseren Partnern an der Nördlichen Adria.

Zuletzt war der Umgang mit dem Coronavirus eines der dominierenden Themen. Gleichzeitig kam es im vergangenen Jahr zu zwei schweren Erdbeben in Kroatien. Auch hier waren wir in intensivem Austausch mit unseren Partnern vor Ort und mit der Bundesregierung.

Wie erleben Sie das öffentliche Interesse in Deutschland an den Ländern der nördlichen Adria und umgekehrt?

Die Öffentlichkeit in beiden Ländern ist jeweils sehr interessiert und auch sehr informiert. Deutschland hat, insbesondere seit dem Wirtschaftswunder, viele Menschen von der Nördlichen Adria angezogen. Gleichzeitig sind sowohl Slowenien als auch Kroatien für viele Deutsche bekannte und geschätzte Urlaubsregionen.

Kultur- und Sprachkenntnisse trifft man somit viel häufiger auf beiden Seiten, als das vielleicht auf den ersten Blick zu vermuten wäre. Diese engen gesellschaftlichen Verbindungen machen unsere Arbeit umso reizvoller und bedeutsamer.

Hatten Sie einen persönlichen Bezug zu den Ländern der nördlichen Adria, bevor Sie den Vorsitz übernahmen?

Ich habe selbst familiäre Wurzeln in Südosteuropa, daher bin ich schon immer mit der Region verbunden. In der 17. Wahlperiode des Bundestages war ich zudem für die Freien Demokraten Berichterstatter für die Aufnahme Kroatiens in die EU. Daher sind mir seitdem viele der Themen und Personen gut bekannt.

Die europäische Verständigung ist für mich insgesamt ein Herzensthema, daher habe ich Europastudien auch in Frankreich und Großbritannien studiert und bin seit Langem in der Europäischen Bewegung aktiv, vormals auch im Bundesvorstand. Gerade die erfolgreiche Aufnahme Sloweniens und Kroatiens zeigt, welche positive Wirkung gemeinsames europäisches Handeln entfalten kann.

Gab es etwas, das Sie überrascht hat?

Ja, nämlich, wie gut unsere slowenischen und kroatischen Partner auch über innenpolitische Themen Deutschlands informiert sind. Die Rolle Deutschlands, gerade im Rahmen der EU und ihrer Institutionen, wird dort teilweise deutlicher wahrgenommen als bei uns.

Gleichzeitig wächst die gegenseitige Bedeutung nationaler Entscheidungen oder Wahlen zwischen den Mitgliedsstaaten durch die Integration innerhalb der EU. Die Perspektive der beiden Länder mit engen Beziehungen zum westlichen Balkan ist etwa für uns von enormer Bedeutung, um eine friedliche und erfolgreiche Entwicklung in der Region voranzutreiben.

Haben Sie einen Reise-Tipp für die Länder der nördlichen Adria?

Ich glaube beide Länder sind bekannt als großartige Reiseländer, sowohl was Landschaft und Leute, Kulinarisches und Kultur anbelangt. Mir bleiben besonders die slowenische Alpenlandschaft, etwa im Tal des Flusses Soča, und die dalmatinische Küste mit ihren vielen Buchten und Inseln in großartiger Erinnerung.

Über Oliver Luksic

Oliver Luksic, 41, ist seit 2000 Mitglied der FDP und sitzt seit 2017 für die Partei im Bundestag. Der Unternehmensberater stammt aus dem Saarland, sein Wahlkreis ist St. Wendel. Er hat in Paris Europastudien und Volkswirtschaft und in London Europarecht studiert und 2006 mit Master abgeschlossen. Mehr erfahrt ihr auf seinem Profil auf bundestag.de.

(loh)

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