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3. Oktober Parlamentarier auf Probe im „Plenarsaal“ in Erfurt

Das große Bürgerfest zum Tag der Deutschen Einheit findet dieses Jahr in Erfurt statt. Auch der Deutsche Bundestag präsentiert sich dort – mit einem Planspiel. In einer „Sondersitzung“ geht es ums Bratwurst-Brauchtum-Förderungsgesetz.

Publikum schaut auf einen nachgebauten Plenarsaal

Der Plenarsaal tagt heute ausnahmsweise mal nicht in Berlin – sondern in Erfurt. © DBT/Tobias Koch

Ein lauter Gong ertönt, die Menge steht auf. Es ist ein ungewohnter Anblick: Im Plenarsaal trägt an diesem Sonntag kaum jemand Anzug oder Blazer, stattdessen bunte Regenjacken und Sportschuhe. „Nehmen Sie bitte Platz“, sagt der Bundestagspräsident und lässt seinen Blick prüfend durch den Saal schweifen.

Die Reihen sind voll wie selten. Kein Wunder, schließlich steht heute etwas ganz Besonderes auf der Tagesordnung: Es ist „Sondersitzung“, noch dazu an einem ungewöhnlichen Ort – im Forum Plenarsaal in Erfurt. Zum „Tag der Deutschen Einheit“ ist der Bundestag nämlich nach Thüringen gereist, wo in diesem Jahr die sogenannte Einheitsfeier stattfindet.

„Zusammen wachsen“

Vor 32 Jahren, am 3. Oktober 1990, trat die DDR der Bundesrepublik bei. Damit war die Teilung Deutschlands in Ost und West beendet. An diese Wiedervereinigung erinnert jedes Jahr ein großes Fest. Meistens findet es in dem Bundesland statt, das aktuell den Vorsitz des Bundesrats innehat, so nennt man die Kammer der 16 Bundesländer.

Noch bis Ende des Monats heißt der Bundesratschef: Bodo Ramelow (Die Linke), er ist Ministerpräsident aus Thüringen. Die Feier in seinem Bundesland findet unter dem Motto „zusammen wachsen“ statt.

„Es geht um die Wurst!“

Und noch etwas ist anders als sonst: Im Plenum diskutieren keine richtigen Abgeordneten, sondern die Besucherinnen und Besucher. Geleitet werden die Debatten von einem Team aus Besucherführern des Deutschen Bundestages. Und darum geht’s an diesem Sitzungstag: das Bratwurst-Brauchtum-Förderungsgesetz, kurz BraWuBrauFöG.

Das Thema ist von nationaler Bedeutung, erklärt der Bundestagspräsident, weshalb die Kanzlerin persönlich das Wort ergreift. Ja, die Kanzlerin. In Erfurt ist an diesem Wochenende wieder eine Frau an der Macht. Und die freut sich über das volle Haus. „Es geht immerhin um die Wurst!“, sagt sie. Und darum, das Brauchtum zu fördern. Nicht notwendig, kontert die Opposition.

Applaus und Zwischenrufe

Die Probe-Parlamentarier applaudieren, es wird dazwischengeredet, der Bundestagspräsident muss auch mal zur Ordnung rufen. Ganz so wie im Original in Berlin. Dann wird abgestimmt. Alle Anwesenden haben zuvor Stimmkarten mit verschiedenen Farben bekommen: blau, rot, weiß (also: Zustimmung, Ablehnung, Enthaltung) und müssen nun eine der Karten hochhalten.

Und was passiert, wenn das Ergebnis nicht eindeutig ist, möchte Lukas (12) wissen. „Dann gibt es im Bundestag einen Hammelsprung“, erklärt der Parlamentschef. Das heißt, alle Abgeordneten müssen erstmal den Saal verlassen. Dann kommen sie nacheinander durch eine von drei Türen mit den Beschriftungen „Ja“, „Nein“, „Enthaltung“ wieder herein und werden dabei gezählt.

Im Plenarsaal in Erfurt ist bei dieser Abstimmung kein Hammelsprung nötig. Die Entscheidung fällt ziemlich eindeutig aus: Rund zwei Drittel der Abgeordneten zücken eine blaue Stimmkarte. Damit ist das BraWuBrauFöG angenommen!

„Frau Kollegin Bas, Sie haben das Wort“

Doch nicht nur die Besucher schlüpfen an diesem Tag in neue Rollen. Auch Bundestagspräsidentin Bärbel Bas zeigt sich von einer ungewohnten Seite: Statt auf den Platz der Parlamentschefin hat sie sich ins Plenum gesetzt. Heute ist sie als Abgeordnete im Plenarsaal – und bekommt sogleich das Wort erteilt. „Frau Kollegin Bas, Sie haben das Wort“, sagt der Präsident.

Am Rednerpult stellt sie sich den Fragen aus dem Plenum – erst zum fiktiven Bratwurst-Gesetz, dann zu aktuellen Debatten wie dem Neun-Euro-Ticket und schließlich zu ihrer Wahl als Bundestagspräsidentin. „Ich habe damit gar nicht gerechnet“, erinnert sie sich. Doch als SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sie vor fast genau einem Jahr bittet, für den Posten zu kandidieren, habe sie nicht lange Zögern müssen. „Ich habe sofort Ja gesagt. So ein Amt abzulehnen – in Duisburg würde man sagen: Das ist bekloppt.“

Gänsehaut im Plenarsaal

Die darauffolgende Nacht sei trotzdem eine schlaflose gewesen, verrät sie. Schließlich ist der Job der Bundestagspräsidentin das zweithöchste Amt in diesem Land. Noch heute bekomme sie Gänsehaut, wenn sie vor den Abgeordneten stehe.

Und während Bas im Mini-Plenarsaal weiter Frage um Frage beantwortet, decken sich nebenan, im sogenannten Kommunikationsforum, Gäste mit Infomaterial ein, füllen Quizze aus oder machen ein Erinnerungsfoto vor dem Rednerpult.

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