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Bundestagspräsident „Wir dürfen das nicht hinnehmen!“

Wolfgang Schäuble ruft alle Bürger auf, Extremisten "keinen Millimeter öffentlichen Raum zu geben". Der Bundestagspräsident gedachte der Opfer der NSU-Morde und verurteilte die Ausschreitungen bei der Demo gegen Corona-Maßnahmen vor dem Bundestag scharf.

Polizisten und Absperrungen vor dem Reichstagsgebäude in Berlin

Am 29. August demonstrierten mehrere tausend Menschen in Berlin gegen die Corona-Politik des Bundes. Trotz Absperrungen versuchten Demonstranten, gewaltsam in den Bundestag einzudringen. © picture alliance/Christoph Soeder/dpa

Das waren ernste Worte – und sie richteten sich an uns alle. Die erste Sitzungswoche nach der parlamentarischen Sommerpause begann im Bundestag mit einer emotionalen Ansprache von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble.

NSU-Morde: „Eine Zäsur für unser Land“

Am 9. September 2000, wurde in Nürnberg ein Mann erschossen, allein wegen seines Migrationshintergrundes. Die rechtsextreme Gruppe, die sich selbst „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) nannte, ermordete insgesamt neun Männer und eine Polizistin.

In seiner Ansprache nannte Schäuble diesen Tag vor 20 Jahren „eine Zäsur für unser Land“. Er warnte: „Vor dem Ausmaß an rechtsextremer Bedrohung kann niemand mehr die Augen verschließen.“ Gebannt sei die Gefahr auch heute nicht, das zeigten etwa die Anschläge von Hanau und Halle sowie der Mord an dem Politiker Walter Lübcke.

Dass Menschen, die sich für unser Land engagierten, dass Journalisten, Künstler, Politiker, Vertreter der Justiz und von Religionsgemeinschafen angegriffen würden, das dürften wir nicht hinnehmen, so Schäuble.

Selbstkritik und Konsequenzen

Selbstkritisch gab der Bundestagspräsident zu, die Aufklärung der NSU-Morde sei zu langsam vonstatten gegangen. Und: „Dass Spuren zu den Ermittlungsbehörden selbst führen, ist ein ungeheuerlicher Vorgang, der umfassend aufgeklärt gehört.“

Ein „starker Rechtsstaat“ müsse „mit der gebotenen Härte den Rechtsextremismus bekämpfen“. Es liege in unser aller Verantwortung, „den gewaltbereiten Chaoten und militanten Neonazis keinen Millimeter öffentlichen Raum zu geben.“

Corona-Demonstration: „Es gibt Grenzen“

Schäuble kam auch auf die Vorfälle vom 29. August zu sprechen. An diesem Tag hatten mehrere tausend Menschen in Berlin gegen die Corona-Maßnahmen demonstriert. Dabei versuchten einige Demonstranten, gewaltsam in das Reichstagsgebäude einzudringen – einige zeigten Symbole der Demokratie-Verachtung. Sie konnten von der Polizei aber abgehalten werden.

Einige der Polizisten, die an dem Tag Dienst am Reichstagsgebäude hatten, waren während der Rede zu Gast auf der Zuschauertribüne des Plenarsaals. Sie bekamen von den Abgeordneten Standing Ovations.

„Das Demonstrationsrecht ist ein hohes Gut“, sagte Schäuble. Und weiter: „Es zu bewahren und zu schützen, fordert aber, es verantwortlich zu nutzen.“ Für gewaltbereite Demonstranten gebe es nicht nur rechtliche Grenzen – „es gibt auch Grenzen des Anstands“. Der Bundestag sei ein „Symbol unserer freiheitlichen Demokratie“ und dürfe von niemandem als Kulisse für politische Protestbotschaften missbraucht oder gar angegriffen werden.

Streit ja, Gewalt nein

„Ohne Streit keine Demokratie“, konstatierte Schäuble. Auch über die Corona-Maßnahmen müsse diskutiert und gestritten werden. Und natürlich müsse der Bundestag seine Entscheidungen erklären und dabei auch offen bleiben für Kritik und Protest. Jeder politischen Seite müsse aber klar sein: „Die Gewaltfreiheit steht in der Demokratie über allen Meinungsverschiedenheiten.“

Hier seht ihr die Ansprache des Bundestagspräsidenten in voller Länger:

Hier seht ihr die Aktuelle Stunde zum Thema „Keine Toleranz für die Feinde der Demokratie: Extremismus bekämpfen, Polizei und Justiz stärken“ vom 10. September:

(jk)

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