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Fraktionschefs Wie läuft's im Parlament in Corona-Zeiten?

Funktioniert unsere Demokratie trotz Pandemie? Kann der Bundestag seinen Aufgaben nachkommen? Hat sich das vorübergehende Mini-Parlament bewährt? Diese und andere Fragen haben wir Vorsitzenden aller Fraktionen gestellt.

CDU/CSU
Porträt von Ralph Brinkhaus, Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU, in der Kuppel des Bundestages

Ralph Brinkhaus, 51, Fraktionsvorsitzender der CDU/CSU © Tobias Koch

Abstand halten, keine Hände schütteln, weniger persönliche Treffen: Wie fühlt sich Ihre Arbeit in Corona-Zeiten für Sie an?

Wie bei vielen anderen auch – statt persönlich spreche ich jetzt oft per Video- oder Telefonkonferenz mit anderen. Aber das kann den persönlichen Kontakt nicht ersetzen. Der fehlt mir natürlich.

Der Bundestag hat sich Ende März neue Regeln für die Corona-Krise gegeben. So kann jetzt ein Mini-Parlament mit einem Viertel der Abgeordneten Entscheidungen fällen. Hat sich das bewährt?

Es war sehr wichtig, dass wir als Parlament in der Krise handlungsfähig waren. Und uns auch neue Regeln gegeben haben, damit wir weiter wichtige und nötige Entscheidungen treffen können.

Angenommen, die Pandemie greift weiter um sich: Wie kann gesichert werden, dass das Parlament handlungsfähig bleibt?

Da sind natürlich viele Möglichkeiten denkbar. Ich bin der Meinung, wir müssen uns nach der Krise zusammensetzen und genau überlegen, was gut funktioniert hat und wo wir noch nachbessern müssen. Aber das gilt für die gesamte Krisenbewältigung und nicht nur für uns als Parlament.

Das EU-Parlament praktiziert bereits schriftliche Abstimmungen per E-Mail, an denen auch Abgeordnete im Heimbüro teilnehmen können. Ein Vorbild für den Bundestag?

Das ist sicherlich ein interessanter Ansatz. Ob das auch für uns eine Option ist, da bin ich mir noch nicht sicher.

Es heißt, Krisen seien Zeiten der Exekutive. Manche sprechen gar von einem entmachteten Parlament. Ist da etwas dran?

Am Anfang mussten viele Gesetze schnell verabschiedet werden und die Opposition hat sehr viel dazu beigetragen, dass wir so schnell entscheiden konnten. Das war richtig und wichtig – aber eine Ausnahme. Die Regierung kann nicht erwarten, dass wir jetzt alle Gesetze in der nächsten Zeit in diesem Tempo umsetzen. Auch die Opposition benötigt Platz und Zeit, um Kritik an den Entscheidungen der Regierung und ihre eigenen Vorschläge präsentieren zu können.

SPD
Porträt von Dr. Rolf Mützenich, Fraktionsvorsitzender der SPD

Dr. Rolf Mützenich, 60, Fraktionsvorsitzender der SPD © Phototek

Abstand halten, keine Hände schütteln, weniger persönliche Treffen: Wie fühlt sich Ihre Arbeit in Corona-Zeiten für Sie an?

Wenn man Abstand halten und gleichzeitig für den Zusammenhalt in unserem Land arbeiten muss, dann ist das schon eine Herausforderung. Echte Begegnungen fehlen mir. Um so mehr weiß ich die langsamen Lockerungen zu schätzen. Es macht meine Arbeit leichter, im Gespräch das ganze Gesicht zu den Worten zu sehen.

Der Bundestag hat sich Ende März neue Regeln für die Corona-Krise gegeben. So kann jetzt ein Mini-Parlament mit einem Viertel der Abgeordneten Entscheidungen fällen. Hat sich das bewährt?

Das hat sich bewährt. Es muss allerdings eine Ausnahmesituation bleiben. Unser gemeinsames Ziel ist, während der Pandemie handlungsfähig zu bleiben. Wir haben wichtige Entscheidungen getroffen, die uns bislang gut durch die Krise gebracht haben.

Angenommen, die Pandemie greift weiter um sich: Wie kann gesichert werden, dass das Parlament handlungsfähig bleibt?

Wir haben schon vieles getan, worauf wir auch in den nächsten Monaten zurückgreifen können. Die Fraktionssitzungen finden in zwei Räumen statt, Video- und Telefonschalten sind die Regel. Namentliche Abstimmungen werden zeitlich gestreckt und finden an mehreren Orten im Bundestag statt.

Das EU-Parlament praktiziert bereits schriftliche Abstimmungen per E-Mail, an denen auch Abgeordnete im Heimbüro teilnehmen können. Ein Vorbild für den Bundestag?

Das besprechen wir derzeit fraktionsübergreifend. Die Frage ist, ob und wie wir künftig Abstimmungen durchführen können, ohne dass die Abgeordneten im Bundestag sein müssen.

Es heißt, Krisen seien Zeiten der Exekutive. Manche sprechen gar von einem entmachteten Parlament. Ist da etwas dran?

Am Deutschen Bundestag führt kein Weg vorbei. In atemberaubender Geschwindigkeit mussten wir unter erschwerten Bedingungen Gesetze auf den Weg bringen. Wir haben uns in Video- und Telefonkonferenzen ausgetauscht und miteinander um den richtigen Weg gerungen. Auch auf dem Höhepunkt der Corona-Krise wurden die Gesetze aus der Regierung nicht einfach durchgewunken. Wir haben sie – wie es immer unser Anspruch ist – besser gemacht.

AfD
Portrait Alice Weidel

"Ich wünsche dem Portal mitmischen.de alles erdenklich Gute zum 15. Geburtstag. Mittlerweile ist mitmischen.de ein echter Teenie auf dem Sprung ins Erwachsenenalter geworden. Viele Schülergenerationen haben sich bereits über die umfangreiche Plattform politisch informieren können. Macht weiter so, Ihr leistet eine großartige Arbeit." © AfD

Abstand halten, keine Hände schütteln, weniger persönliche Treffen: Wie fühlt sich Ihre Arbeit in Corona-Zeiten für Sie an?

Das ist auch für uns eine gravierende Einschränkung. Demokratie lebt vom direkten Dialog und vom persönlichen Kontakt: zwischen Kollegen und Konkurrenten, zwischen Bürgern und Politikern. Und es gehört zu unserer Kultur und Tradition, sich mit Handschlag und unverhülltem Gesicht gleichberechtigt und auf Augenhöhe zu begegnen. Die Corona-Beschränkungen greifen tief in unsere Grundrechte und Werte ein und müssen schon deshalb eine klar begrenzte Ausnahme bleiben und schnellstmöglich wieder beendet werden.

Der Bundestag hat sich Ende März neue Regeln für die Corona-Krise gegeben. So kann jetzt ein Mini-Parlament mit einem Viertel der Abgeordneten Entscheidungen fällen. Hat sich das bewährt?

Das ist zweischneidig. Eine so starke Reduzierung der Abgeordnetenzahl kann schon dazu führen, dass Debatten zu kurz kommen, wichtige Stimmen wegfallen oder fachpolitischer Sachverstand fehlt, wenn er gerade besonders gebraucht wird. Auf der anderen Seite ist unbestritten, dass der Bundestag mit derzeit über 700 Abgeordneten definitiv zu groß ist. Eine Wahlrechtsreform zur Verkleinerung des Bundestags ist überfällig, aber vor allem Union und SPD sträuben sich hartnäckig gegen vernünftige Vorschläge. Das müssen wir sofort nach der Krise dringend anpacken.

Angenommen, die Pandemie greift weiter um sich: Wie kann gesichert werden, dass das Parlament handlungsfähig bleibt?

Der Bundestag ist der zentrale Schauplatz unserer Demokratie. Als Abgeordnete müssen wir gerade in Krisenzeiten präsent und für die Bürger da sein und dürfen uns nicht verstecken. Derzeit deutet nichts auf eine Verschärfung der Corona-Pandemie oder eine wiederholt prophezeite „zweite Welle“ hin, die Infektionszahlen sind im Gegenteil seit vielen Wochen rückläufig. Noch weitergehende Maßnahmen, etwa die von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble Anfang April ins Spiel gebrachte Einberufung des nur für den Verteidigungsfall vorgesehenen „Notparlaments“ nach Artikel 53a des Grundgesetzes oder die Umstellung auf virtuelle Plenarsitzungen, halten wir deshalb für unnötig und überzogen.

Das EU-Parlament praktiziert bereits schriftliche Abstimmungen per E-Mail, an denen auch Abgeordnete im Heimbüro teilnehmen können. Ein Vorbild für den Bundestag?

Abstimmungen sind ja nur ein kleiner Teil des Alltags im Bundestag. Parlamentarismus braucht die offene, leidenschaftliche Debatte, die Zwischenfrage aus der Situation heraus und die spontane Reaktion darauf, den direkten Austausch von Argumenten und Positionen in den Ausschüssen und in der Plenarsitzung. In Videokonferenzen oder aus dem Heimbüro funktioniert das nicht, oder nur sehr eingeschränkt und steril. Der Bundestag muss ein echtes Parlament an einem realen Ort mit tatsächlich anwesenden Abgeordneten bleiben.

Es heißt, Krisen seien Zeiten der Exekutive. Manche sprechen gar von einem entmachteten Parlament. Ist da etwas dran?

Klar, in der Krise erwarten die Bürger zuerst, dass die Regierung handelt, dafür haben sie ihr ja die Macht auf Zeit übertragen. Da liegt die Versuchung nahe, diese Macht und das Vertrauen der Bürger zu missbrauchen. Deshalb ist gerade in Krisenzeiten eine wachsame Opposition nötiger denn je. Die beste Versicherung gegen eine „Entmachtung“ des Parlamentes ist eine kritische Opposition, die vernünftige Maßnahmen mitträgt, überzogenes Handeln der Regierung anprangert und bessere Alternativen aufzeigt. Dieser Herausforderung haben wir uns in der Corona-Krise gestellt und werden dabei auch nicht lockerlassen.

FDP
Porträt von Christian Lindner, Fraktionsvorsitzender der FDP

Christian Lindner, 41, Fraktionsvorsitzender der FDP © FDP

Abstand halten, keine Hände schütteln, weniger persönliche Treffen: Wie fühlt sich Ihre Arbeit in Corona-Zeiten für Sie an?

Ich liebe es, nach Podiumsdiskussionen oder Wahlkampfveranstaltungen Selfies zu machen oder mal jemanden in den Arm zu nehmen – das fehlt mir nach wie vor, aber gegenwärtig ist noch nicht die Zeit dafür. Nur wenn jeder Verantwortung übernimmt, kann der Weg zu persönlichen Freiheiten, und damit zu regulärer politischer Arbeit, erfolgreich und nachhaltig gelingen.

Technisch war die Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag sehr gut vorbereitet – als digitales Polit-Startup konnten wir schnell auf digitale Gremien umstellen und von zu Hause arbeiten. Langsam finden wieder verstärkt und unter Einhaltung der Abstandsregeln Termine und Präsenzveranstaltungen der Fraktion vor Ort im Bundestag statt, und das ist auch gut so.

Der Bundestag hat sich Ende März neue Regeln für die Corona-Krise gegeben. So kann jetzt ein Mini-Parlament mit einem Viertel der Abgeordneten Entscheidungen fällen. Hat sich das bewährt?

Die Plenarsitzungen des Bundestags finden in außergewöhnlicher Form statt: Abstände zwischen den Abgeordnetenplätzen, so dass nur ein Teil der Abgeordneten im Saal anwesend sein kann, andere Kollegen verfolgen die Sitzungen von ihren Büros aus und namentliche Abstimmungen finden zum Schutz der Abgeordneten außerhalb des Plenarsaals und mit zeitlicher Streckung statt. Die wichtige Botschaft ist: Das Parlament und alle Verfassungsorgane sind arbeitsfähig. Deswegen hat sich die Praxis bewährt, ja.

Angenommen, die Pandemie greift weiter um sich: Wie kann gesichert werden, dass das Parlament handlungsfähig bleibt?

Den Vorschlag vom Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble, das Grundgesetz zu ändern und ein Notparlament einzurichten, haben wir, wie auch die anderen Oppositionsparteien, bereits in den letzten Wochen abgelehnt. Wir sehen keinen Anlass, die Rolle des Deutschen Bundestags als erste Gewalt, Volksvertretung und Kontrolle der Regierung einzuschränken. Das Verfassungsorgan Bundestag hat sich von Anfang der Krise durch schnelle und am Konsens orientierte Beschlüsse ausgezeichnet. Trotz häuslicher Quarantäne vieler Kollegen waren und sind wir voll handlungsfähig und Mehrheiten sind gesichert, sogar wenn die Pandemie sich weiter ausbreiten sollte.

Das EU-Parlament praktiziert bereits schriftliche Abstimmungen per E-Mail, an denen auch Abgeordnete im Heimbüro teilnehmen können. Ein Vorbild für den Bundestag?

Unsere Fraktion setzt sich auch unabhängig von Corona für modernere und digitalere Arbeitsweisen im Bundestag ein. Plenarsitzungen nur im Stream und Abstimmungen per E-Mail halte ich jedoch auch als digital-affiner Abgeordneter für ein falsches Signal, nicht zuletzt wegen der Datensicherheit. Das Parlament sollte weiterhin der Ort der öffentlichen Debatte bleiben, nur so können wir die transparente Kontrolle der Regierung sicherstellen.

Es heißt, Krisen seien Zeiten der Exekutive. Manche sprechen gar von einem entmachteten Parlament. Ist da etwas dran?

Nein, im Gegenteil. Wir haben mit dafür gesorgt, dass der Notfall der Pandemie nur vom Parlament ausgerufen werden kann. Die gesetzlichen Sonderbefugnisse sind zudem zeitlich befristet. Die staatliche Verantwortungsgemeinschaft hat in der Krise funktioniert, Regierung und Opposition haben kooperiert. Allerdings gab es nach einiger Zeit auch Unterschiede in der Bewertung. Wir haben bestimmte Eingriffe in die Freiheit nach einigen Wochen nicht mehr für angemessen gehalten. Da musste und wurde über den richtigen Umgang mit der Pandemie im Parlament diskutiert.

Die Linke
Porträt von Amira Mohamed Ali, Fraktionsvorsitzende Die Linke

Amira Mohamed Ali, 40, Fraktionsvorsitzende Die Linke (gemeinsam mit Dr. Dietmar Bartsch) © Amira Mohamed Ali

Abstand halten, keine Hände schütteln, weniger persönliche Treffen: Wie fühlt sich Ihre Arbeit in Corona-Zeiten für Sie an?

Der politische Alltag hat sich seit März sehr verändert. Wir kommunizieren viel über Video- und Telefonkonferenzen, viele arbeiten im Homeoffice, direkte Treffen bleiben auf Abstand, es gibt so gut wie keine öffentlichen Veranstaltungen, statt dessen streamen wir Aktivitäten der Linksfraktion live. Das Arbeiten nach den neuen Regeln klappt gut. Inhaltlich fokussiert sich natürlich sehr viel auf die Corona-Krise und deren Folgen.

Der Bundestag hat sich Ende März neue Regeln für die Corona-Krise gegeben. So kann jetzt ein Mini-Parlament mit einem Viertel der Abgeordneten Entscheidungen fällen. Hat sich das bewährt?

Es ist so sichergestellt, dass das Parlament auch in dieser Ausnahmesituation funktioniert. Das ist sehr wichtig, denn es müssen nicht nur parlamentarische Entscheidungen getroffen werden, sondern das Parlament muss auch seine Kontrollfunktion gegenüber der Regierung wahrnehmen. Gerade jetzt, wo es aus Gründen des Infektionsschutzes viele Einschränkungen von grundlegenden Rechten gibt, ist es zentral, dass die Entscheidungen der Regierung parlamentarisch debattiert und kritisch überprüft werden.

Angenommen, die Pandemie greift weiter um sich: Wie kann gesichert werden, dass das Parlament handlungsfähig bleibt?

Die Arbeitsweise des Parlaments ist ja schon verändert worden, um den Abstandsgeboten und Hygienerichtlinien zu entsprechen: Die Sitzordnung im Plenarsaal wurde angepasst, und bei Abstimmungen können alle Abgeordneten in einem vorher angekündigten längeren Zeitfenster ihre Stimme abgeben, damit sich keine Menschentrauben an den Stimmurnen bilden und der Infektionsschutz gewahrt bleibt. Das Parlament ist arbeits- und handlungsfähig, auch in der Pandemie.

Meine Fraktion Die Linke hat sich klar dagegen ausgesprochen, eine Art Notparlament einzuführen. Wir halten es gerade in der Krise für wichtig, dass das Parlament in möglichst großer Breite weiter arbeitet und Entscheidungen nicht nur noch von einer kleinen Runde getroffen werden.

Das EU-Parlament praktiziert bereits schriftliche Abstimmungen per E-Mail, an denen auch Abgeordnete im Heimbüro teilnehmen können. Ein Vorbild für den Bundestag?

Wenn die technischen Möglichkeiten vorhanden und auch sicher sind, könnte man dies diskutieren. Allerdings sind die Voraussetzungen im EU-Parlament und im Bundestag schon sehr unterschiedlich, nicht nur aufgrund der sehr langen Anreisewege der Abgeordneten aus ihren unterschiedlichen Heimatländern. Die Corona-Krise zeigt, wie wichtig es ist, auf eine gut funktionierende und flächendeckend verfügbare digitale Technik zugreifen zu können. Leider gibt es hier noch erhebliche Defizite, beispielsweise beim Breitbandausbau. Hier hinkt die Bundesregierung zu stark hinterher.

Es heißt, Krisen seien Zeiten der Exekutive. Manche sprechen gar von einem entmachteten Parlament. Ist da etwas dran?

Die Regierung steht in einer Krise im Mittelpunkt, weil zunächst schnelles Handeln entscheidend ist. In unserem föderalen System kommt dabei auch den Landesregierungen große Bedeutung zu. Für die Opposition ist es in dieser Situation schwierig, da sie weniger öffentliche Aufmerksamkeit erhält. Aber in einer Krise werden auch weitreichende und gravierende Entscheidungen getroffen, deshalb ist es gerade jetzt besonders wichtig, dass es eine demokratische und öffentliche Debatte zu den Maßnahmen gibt. Meine Fraktion Die Linke schaut der Regierung sehr genau auf die Finger und kritisiert, was falsch läuft. Zum Beispiel darf es nicht sein, dass Corona-Hilfen vor allem großen Unternehmen zu Gute kommen – und diese gleichzeitig noch Bonuszahlungen an ihre Vorstandsmitglieder oder Dividenden an ihre Aktionäre ausschütten. Es geht nicht, dass die Kosten der Krise von den Menschen mit kleinen und mittleren Einkommen bezahlt werden. Auch darf nach der Krise kein Sozialabbau geschehen, also zum Beispiel keine Kürzungen beim BAföG oder Wohngeld. Stattdessen sollten nach unserer Vorstellung die Milliardäre und Multimillionäre einen gerechten Beitrag leisten. Wir fordern eine Vermögensabgabe für das reichste Prozent der Gesellschaft.

Bündnis 90/Die Grünen
Porträt von Katrin Göring-Eckardt, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen

Katrin Göring-Eckardt, 54, Fraktionsvorsitzende von Bündnis 90/Die Grünen (gemeinsam mit Anton Hofreiter) Foto: Dominik Lutzmann

Abstand halten, keine Hände schütteln, weniger persönliche Treffen: Wie fühlt sich Ihre Arbeit in Corona-Zeiten für Sie an?

Das direkte Gespräch mit den Menschen ist ganz wichtig in der Politik. Gerade jetzt, wo viele Menschen verunsichert sind, Fragen haben und Hilfe suchen, fehlt es mir sehr. Stattdessen spreche ich mit vielen Menschen in Videochats. Das sind Kolleginnen und Kollegen, Wissenschaftler, Bürgerinnen und Bürger, Lehrerinnen, Geschäftsleute, ältere Menschen, Kinder und Jugendliche – gemeinsam sprechen wir darüber, wo der Schuh am meisten drückt, wie wir in der Corona-Zeit helfen können und wie die Wege aus der Krise heraus aussehen.

Der Bundestag hat sich Ende März neue Regeln für die Corona-Krise gegeben. So kann jetzt ein Mini-Parlament mit einem Viertel der Abgeordneten Entscheidungen fällen. Hat sich das bewährt?

Es ist ganz anders, vor so einem fast leeren Saal eine Rede zu halten – da wird weniger geklatscht und gefragt, auch hier fehlt der Austausch. Aber selbst in einer Zeit, wo wir Abstand halten müssen, muss unser Parlament Entscheidungen treffen und die Regierung kontrollieren. Deshalb ist es gut, dass der Bundestag auf die Pandemie reagiert hat uns seine eigenen Regeln – die Geschäftsordnung – entsprechend angepasst hat.

Angenommen, die Pandemie greift weiter um sich: Wie kann gesichert werden, dass das Parlament handlungsfähig bleibt?

Niemand weiß ja im Moment genau, wie lang die Pandemie andauern wird. Deshalb ist es gut, dass der Bundestag vorbereitet ist. Sollte sich die Lage verschlechtern, kann der Bundestag erneut über die Geschäftsordnung diskutieren und entscheiden, ob und wie man vielleicht auch mit weniger Abgeordneten Gesetze beschließen kann. Diskutiert wird auch die Einführung eines Notparlaments, aber das erfordert die Änderung des Grundgesetzes und das ist in der Krise eine schlechte Idee.

Das EU-Parlament praktiziert bereits schriftliche Abstimmungen per E-Mail, an denen auch Abgeordnete im Heimbüro teilnehmen können. Ein Vorbild für den Bundestag?

Nein, denn das Grundgesetz macht hier klare Vorgaben. Es schreibt vor, dass die Abgeordneten für die Bundestagssitzungen zusammenkommen und dass die Sitzungen mit Reden und Abstimmungen öffentlich stattfinden müssen. Wir müssen also nach Berlin und ins Reichstagsgebäude kommen. Das wollen wir auch nicht ändern, denn das Parlament lebt von den Reden und davon, dass alle zuschauen können.

Es heißt, Krisen seien Zeiten der Exekutive. Manche sprechen gar von einem entmachteten Parlament. Ist da etwas dran?

Es stimmt natürlich ein wenig, dass die Regierung als Exekutive, als ausführende Macht, in einer Krise erstmal handelt und alle nötigen Maßnahmen ergreift. Aber sobald dafür Gesetze verabschiedet werden müssen oder Gelder fließen sollen, um zum Beispiel die Menschen direkt finanziell zu unterstützen, muss das Parlament zustimmen. Die Regierung und das Parlament müssen also in so einer Krise eng zusammenarbeiten. Und so ist es ja auch vom Grundgesetz vorgesehen, dass alle Gewalt vom Volk, von den Bürgerinnen und Bürgern und seinen gewählten Vertreterinnen und Vertretern ausgeht.

(jk)

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