Zum Inhalt springen

Bündnis 90/Die Grünen „Der Bundestag ist kein Raumschiff“

Laura Heyer

Zu sehen, wer Einfluss auf die Politik nimmt, schafft Vertrauen. Warum Britta Haßelmann deshalb nicht nur mit Fridays for Future spricht, wenn es um Umweltthemen geht, erklärt sie im Interview.

Portrait Britta Hasselmann

Der Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD hat Lücken, kritisiert Grünen-Politikerin Britta Haßelmann.©Studio Kohlmeier

Frau Haßelmann, lassen Sie sich von Lobbyisten beeinflussen?

Wenn Fridays for Future, die Diakonie oder die Bielefelder Industrie- und Handelskammer mit mir sprechen wollen, dann tue ich das. Und höre mir ihre Belange und Argumente an. Als Abgeordnete ist es auch meine Aufgabe, offen für die Zivilgesellschaft, für Vereine, Initiativen und Verbände zu sein. Aber am Ende bin ich diejenige, die, wie alle anderen Abgeordneten, meine Entscheidungen unabhängig treffe.

Ist die Arbeit der Abgeordneten ohne Interessenvertreter, die ihre Argumente vorbringen, überhaupt denkbar?

Das ist nur schwer vorstellbar, denn der Bundestag ist kein Raumschiff, das über den Dingen schwebt. Wir sind gewählte Vertreter und Vertreterinnen im Parlament und brauchen den Kontakt, die Verbindung und vor allem den Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern, mit Initiativen und Verbänden. Wir Abgeordnete müssen dabei immer darauf achten, in unserem Handeln und Entscheiden frei und unabhängig zu bleiben.

Das Image von Lobbyismus ist eher schlecht – zu Recht?

Wir haben ein Problem mit Lobbyismus, wenn man nicht mehr versteht, wer sich für welche Interessen einsetzt und wieso nachher etwas in einem Gesetz steht. Viele Menschen sind dann zu Recht misstrauisch. Ich finde, eine politische Interessensvertretung muss transparent und nachvollziehbar sein. Das ist wichtig für unsere Demokratie. Wenn wir sehen können, wer sich wie und wo für welche Belange eingesetzt hat, dann schafft das Vertrauen in die Politik.

Was halten Sie vom vorliegenden Gesetzentwurf von CDU/CSU und SPD für ein Lobbyregister, in das sich Lobbyisten eintragen müssen?

Seit Jahren setzen wir Grüne uns schon für ein Lobbyregister ein. Zu lange ist nichts passiert. Jetzt haben Union und SPD einen Entwurf für ein Gesetz vorgelegt, der aber nicht genug Transparenz schafft. Leider ist bisher die Bundesregierung nicht erfasst vom verpflichtenden Register und es sollen viel zu viele Interessenvertreterinnen und Interessenvertreter vom Gesetz ausgenommen sein.

Wir brauchen aber dringend mehr Transparenz und Nachvollziehbarkeit, wer Einfluss nimmt, gerade wenn es um die Bundesregierung geht. Hier muss dringend nachgebessert werden, sonst ist das eine verpasste Chance.

Tatsächlich plant die Koalition ja, das Lobbyregister im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens auch auf die Bundesregierung auszudehnen – das ist also eine gute Idee?

Auf jeden Fall – das fordern wir schon lange. Denn die meisten Gesetze werden durch die Regierung entworfen. Wir müssen wissen, ob und wer schon am Anfang der Entstehung eines Gesetzes Einfluss nimmt. CDU/CSU und SPD müssen hier dringend nachbessern.

Ihre Fraktion hat einen eigenen Antrag vorgelegt: Wo sind die Unterschiede zu dem, was die Koalition vorschlägt?

Wir wollen, dass viel mehr Verbände vom Lobbyregister erfasst sind. Der Entwurf von Union und SPD hat Lücken, die zu groß sind. Wir brauchen mehr Transparenz auch bei der Bundesregierung. Wir fordern deshalb auch einen legislativen Fußabdruck. Der hilft uns nachvollziehen zu können, wer welche Vorschläge und Inhalte für Gesetzentwürfe geliefert hat und daran mitgewirkt hat. Und Lobbyorganisationen müssen transparent machen, wer ihnen Geld gibt.

Hat Ihnen ein Lobbyist schon einmal ein unlauteres Angebot unterbreitet oder haben Sie von Kollegen etwas Derartiges gehört?

Nein. Aber es gibt immer wieder Fälle, in denen wir mit Fehlverhalten von Politikerinnen und Politikern konfrontiert werden. Die schaden dann oft dem Ansehen insgesamt. Deshalb ist es so wichtig, aufzuklären und immer wieder zu überlegen, ob und wo wir Verhaltensregeln oder das Abgeordnetengesetz verändern müssen.

Über Britta Haßelmann

Britta Haßelmann ist ausgebildete Sozialarbeiterin und seit 1994 Mitglied bei der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Seit 2005 ist sie Mitglied des Deutschen Bundestages und seit 2013 erste Parlamentarische Geschäftsführerin ihrer Fraktion. Mehr über Frau Haßelmann erfahrt ihr auf ihrem Profil auf bundestag.de.

(lh)

Zur Person

mitmischen-Autorin

Laura Heyer

hat in Heidelberg Geschichte studiert, in Berlin eine Ausbildung zur Journalistin gemacht und ist dann für ihre erste Stelle als Redakteurin nach Hamburg gegangen. Dort knüpft sie nun Netzwerke für Frauen. Aber egal wo sie wohnt – sie kennt immer die besten Plätze zum Frühstücken.

Mehr zum Thema