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Özge Erdoğan „Europa ist mein Zuhause“

Jasmin Nimmrich

Was braucht es, damit sich Europa wie ein Wohnzimmer anfühlt? Und wer weiß eigentlich, was genau der Europarat macht? Özge Erdoğan, stellvertretende Vorsitzende des Deutschen Bundesjugendringes, hat sich anlässlich des diesjährigen Youth Space Berlin mit uns über die Gegenwart und Zukunft Europas unterhalten.

Özge Erdoğan bei der EU Youth Conference Anfang Oktober in Alicante, Spanien. © privat

Warum und wie setzt du dich für Europa ein?

Meine Hauptmotivation ist, dass ich nicht zufrieden bin mit Europa und der Europäischen Union. Europa ist mein Zuhause, aber wäre Europa wirklich mein Wohnzimmer, dann würde es anders zugehen, was Menschenrechte und was Demokratie betrifft. Als Bundesjugendring setzen wir uns für genau diese Werte und ihre Stärkung durch Jugendbeteiligung ein. Diese Werte teilen wir mit dem Europarat. Wir arbeiten schon lange mit der Jugendabteilung des Europarates zusammen. Seit einiger Zeit sind wir in guter Kooperation mit Bundestagsabgeordneten, die Teil der deutschen Delegation in der Parlamentarischen Versammlung des Europarates sind. Darüber hinaus haben wir Kontakte zu verschiedenen Abgeordneten des Europaparlaments, mit denen wir zusammenarbeiten und an die wir unsere Forderungen herantragen können.

Hast du das Gefühlt, dass die Interessen junger Menschen durch den Europarat ernst genug genommen werden?

Ja, grundsätzlich schon. Natürlich ist es nicht immer leicht, die Interessen von jungen Menschen zu vertreten, wenn andere Lobbyorganisationen viel mehr Einfluss und Mittel zur Verfügung haben. Trotzdem ist uns die erfolgreiche Interessenvertretung bisher durchaus gelungen, auch im Europarat. So haben wir uns im vergangenen Jahr dafür eingesetzt, dass der Jugendabteilung des Europarates mehr Mittel bereitgestellt werden. Unser Leitmotiv ist es, die Bemühungen und Ziele der Jugendlichen zu bestärken, und das ist natürlich auch von Ressourcen abhängig. Die Wirksamkeit, würde ich sagen, ist auf jeden Fall gegeben, aber natürlich gibt es immer Luft nach oben. Generell sind wir mit der aktuellen Kooperation und dem Fakt, dass wir ernst genommen werden, aber zufrieden.

Wie schätzt du die Arbeit des Europarates im vergangenen Jahr ein?

Unser Ziel bei der Konferenz im letzten Jahr war die Formulierung von Forderungen zur Stärkung der Perspektive der Jugend in Bezug auf Krisen. Wir haben auch nach der Konferenz konsequent dafür geworben, dass Jugendpartizipation sich in der Tagesordnung des Gipfels wiederfindet und schließlich in die Abschlusserklärung aufgenommen wird. Das Fazit ist nicht schlecht. Die Jugend steht an einigen Stellen drin. Das ist erstmal ein Erfolg! Jetzt ist der nächste Schritt, bei der diesjährigen Jugendkonferenz darüber zu sprechen, welche Bedeutung die Abschlusserklärung von Reykjavik für den Europarat hat, wie sie aufgenommen wird und wie sie umgesetzt werden kann. Des Weiteren wollen wir während des Youth Space darüber diskutieren, wie die Jugendbeteiligung durch die Parlamentarische Versammlung, aber auch die verschiedenen anderen Organe des Europarates wahrgenommen wird und natürlich auch, wie sie verbessert werden kann und welche Wege ermöglicht werden sollten.

Mit welchen Handlungsempfehlungen wendet ihr euch konkret an den Europarat?

Der Europarat ist uns in seiner Funktion, seiner Rolle und auch in seinen Werten enorm wichtig. Aber allein das macht ihn noch lange nicht perfekt. Und genau deshalb setzen wir uns für die Gründungswerte von Demokratie und Menschenrechten in ganz Europa und darüber hinaus ein. Über die Arbeit mit der Parlamentarischen Versammlung zum Youth Space Berlin geht es zum Beispiel auch darum, den Advisory Council on Youth im Europarat zu unterstützen. Diese Zusammenarbeit kann auch allen EU-Institutionen ein Vorbild sein, in dem Sinne, dass Entscheidungsprozesse von jungen Menschen mitentschieden werden können. Dies ist zum einen wichtig, damit die Jugend erkennt, dass ihre Bemühungen Wirkung zeigen und das, was sie sagt und fordert, auch wirklich ernst genommen wird. Junge Menschen wollen nicht mehr und nicht weniger, als gut und frei leben zu können, während sie sich beteiligen dürfen. Das ist es vor allem, was wir stärken möchten.

Wenn man sich nun als junger Mensch für genau diese Werte einsetzen möchte, was sind deine Empfehlungen, um mit dem Engagement anzufangen?

Die Beteiligung in Jugendverbänden steht allen offen. Jugendverbände versuchen Räume zu bieten, in denen Gedanken und auch Sorgen geteilt werden können, um dann ins Handeln zu kommen. Ähnlich denkende Menschen sollen sich organisieren können, indem die nötigen Mittel bereitgestellt und bestehende Hürden minimiert werden. Darüber hinaus gibt es eine Vielzahl an Veranstaltungen, an denen man teilnehmen kann, so auch von der Jugendabteilung des Europarates organisiert. Diese bieten immer eine super Gelegenheit, sich zu ganz unterschiedlichen Themen auszutauschen, um sich dann am Ende immer wieder gegenseitig zu empowern. Denn Beteiligung bedeutet Empowerment! Und Engagement verdeutlicht mir auch immer wieder, dass man mit nichts alleine ist und viele andere die eigenen Gedanken und Sorgen teilen und ins Handeln kommen wollen.

Was wünscht du dir für Europa?

Ich wünsche mir wirklich, dass Europa sich für die Vielfalt, die es jetzt schon vorweisen kann, noch mehr öffnet, sodass wir eine solidarische Gemeinschaft schaffen können, die über wirtschaftliche Interessen der Staaten hinausgeht und den Menschen das Gefühl vermittelt, im Mittelpunkt zu stehen.

Über die Interviewpartnerin

Özge Erdoğan ist Geschäftsführerin des Bundes der alevitischen Jugend, einer Mitgliedsorganisation des Deutschen Bundesjugendringes. Für den Deutschen Bundesjugendring setzt sie sich ehrenamtlich als stellvertretende Vorsitzende im Bereich der europäischen Jugendpolitik ein.

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