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Arbeitswelt Diskussion über Leiharbeit

Julia Karnahl

Leiharbeiter sind für eine begrenzte Zeit bei einem Arbeitgeber beschäftigt, der kurzfristigen Bedarf hat. Zwei Oppositionsfraktionen wollen ihre Rechte stärken. Experten sahen die Vorschläge im Ausschuss für Arbeit und Soziales kritisch.

In der Paket-Branche arbeiten zum Beispiel viele Leiharbeiter. © shutterstock.com/Ground Picture

Was genau ist Leiharbeit?

Leiharbeit wird auch Zeitarbeit oder – etwas sperrig – Arbeitnehmerüberlassung genannt. Denn das Prinzip ist, dass ein Mitarbeiter einem Arbeitgeber geliehen, also für eine begrenzte Zeit, nämlich für maximal 18 Monate, überlassen wird. Für Arbeitgeber, die zum Beispiel unregelmäßig große Projekte haben, ist das praktisch, denn sie müssen keinen neuen Mitarbeiter einstellen, den sie dann ohnehin nicht halten könnten.

Es gibt Firmen, die sich auf das Verleihen von Mitarbeitern spezialisiert haben. Sie müssen bestimmte Regeln einhalten, um den Arbeitnehmerschutz ihrer Leiharbeiter zu gewährleisten. Die Fraktion der AfD und die Linksfraktion haben nun jeweils Anträge gestellt, um diese Regeln zu erweitern. Die Anträge wurden im Ausschuss für Arbeit und Soziales mit Sachverständigen diskutiert.

Was fordert die AfD?

Die AfD-Fraktion schlägt in ihrem Antrag vor, dass Betriebe in der Paket-Branche nur noch höchstens 15 Prozent Leiharbeiter beschäftigen sollen. Außerdem sollen Leiharbeiter vom ersten Tag an den gleichen Lohn wie Direktangestellte erhalten. Derzeit bekommen sie häufiger weniger Geld.  

Was schlägt Die Linke vor?

Die Linke fordert in ihrem Antrag von der Bundesregierung, die sogenannte Tariföffnungsklausel abzuschaffen. Grundsätzlich gelte für die Leiharbeit ein Gleichstellungsgrundsatz, der die gleichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen gewährleisten solle. Durch die Tariföffnungsklausel sei es jedoch möglich, mit Hilfe von Tarifverträgen und gesonderten Bedingungen diesen Gleichstellungsgrundsatz zu umgehen, so Die Linke. Außerdem sollen Leiharbeiterinnen und Leiharbeiter einen Flexibilisierungszuschlag von zehn Prozent auf ihren Lohn bekommen.

Experten sehen Anträge kritisch

Martin Schmidt vom Radlogistikverband Deutschland sagte, er sehe keine Notwendigkeit für neue Gesetze. Es gebe schon jetzt sehr viele Regelungen wie das Paketbotenschutzgesetz, das Mindestlohngesetz oder das Zeitarbeitsgesetz, die für bessere Arbeitsbedingungen sorgen würden.  Wichtig sei, dass sie auch durchgesetzt und vom Zoll kontrolliert würden, so Schmidt. 

Laut Stefan Thyroke von der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft verdi  dagegen meinte, die Anträge gingen auf die eigentlichen Probleme der Leiharbeit gar nicht ein. So würden Beschäftigte durch den Einsatz von Leiharbeitern daran gehindert, Betriebsräte zu gründen und sich gewerkschaftlich zu organisieren. Dafür biete keiner der beiden Anträge eine Lösung.

Flexibilität am Arbeitsmarkt könnte verlorengehen

Roland Wolf von der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände sagte, in keiner anderen Branche sei die Tarifbindung so hoch wie bei der Zeitarbeit. Ohne Zeitarbeit, warnte er, würde der Arbeitsmarkt „ein Höchstmaß an Flexibilität verlieren“.

Auch Holger Schäfer vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln betonte, dass die Zeitarbeit wichtig für diese Flexibilität am Arbeitsmarkt sei. Deutschland habe durch den Kündigungsschutz bereits „einen sehr stark regulierten Arbeitsmarkt“. Um dennoch Bewegung am Arbeitsmarkt zu ermöglichen, brauche es Befristungen und die Arbeitnehmerüberlassung. 

Gute Möglichkeiten der Integration

Florian Swyter vom Bundesarbeitgeberverband der Personaldienstleister ergänzte, dass die Zeitarbeit besonders für Menschen, die länger als ein Jahr lang arbeitslos seien, eine gute Möglichkeit sei, „einen Fuß in die Tür der Beschäftigung zu bekommen“. Den geforderten Flexibilisierungszuschlag brauche es in der Zeitarbeit, wo die Tarifdeckung bei 100 Prozent liege, nicht, meinte Swyter. 

Carsten Hansen vom Bundesverband Paket und Expresslogistik betonte, dass die Tätigkeit bei Paketdienstleistern auch einen „integrativen Aspekt“ habe. Wer beispielsweise aus dem Ausland komme und sonst nur wenig Möglichkeiten auf dem Arbeitsmarkt habe, könne in dieser Branche arbeiten und eigenes Geld verdienen. Hansen stellte auch klar, dass bei der Diskussion um angemessene Entlohnung von Leihbeschäftigten die „unterschiedlichen Tätigkeiten und Anforderungsniveaus“ berücksichtigt werden müssen. Da Menschen in der Zeitarbeitsbranche eher einfache Tätigkeiten ausüben würden, sei eine niedrige Entlohnung noch kein Anzeichen für Benachteiligung.

Argumente für Neuregelungen

Anders bewertete der Jurist Paul Kolfhaus die Lage. So bringe die Leiharbeit viele Probleme für die Beschäftigten sowie die Stammarbeitskräfte mit sich. Der Lohn in der Leiharbeit sei unterdurchschnittlich, während das Risiko, die Arbeit wieder zu verlieren, überdurchschnittlich hoch sei. 61 Prozent der Leiharbeiter seien im Niedriglohnsektor tätig. Eine Überarbeitung der Leiharbeitsregelungen hätte für Kolfhaus viele Vorteile. Neben mehr Gehalt und Sicherheit würde „die Nutzung der Leiharbeit auf ihre Kernfunktion zurückgeschraubt werden“. 

(Julia Karnahl)

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