Bürgerrat Zwei von 20.000
Naomi Webster-Grundl und Jasmin Nimmrich
Hengwin und Nils sind zwei der Teilnehmer des Bürgerrates „Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben“, der am 29. September seine Arbeit aufnimmt. Sie haben uns erzählt mit welchen Erwartungen sie in die erste Sitzung starten.
Was ist der Bürgerrat „Ernährung im Wandel"?
Der Bürgerrat „Ernährung im Wandel: Zwischen Privatangelegenheit und staatlichen Aufgaben“ soll die Perspektive der Bürgerinnen und Bürger in die politische Debatte rund um das Thema Ernährung einbringen. 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmer wurden aus ganz Deutschland ausgelost. Der Bürgerrat soll als repräsentatives Instrument die Gesellschaft und ihre Interessen in ihrer Gesamtheit widerspiegeln. In insgesamt neun Sitzungen wird der Bürgerrat bis Januar 2024 über die Formulierung von Handlungsempfehlungen an die Politik beraten.
Hengwin Chammo, 16, Schülerin aus Bad Salzuflen
Das war natürlich eine große Ehre für mich. Ich hätte das nicht erwartet, weil es ja wirklich sehr, sehr unwahrscheinlich ist, dass man da drankommt. Und als ich dann trotzdem ausgelost wurde, war das eine sehr schöne Überraschung.
Weil es um Ernährung geht, erwarte ich, dass wir uns sowohl mit der Ernährung der Menschen, als auch mit den Folgen für Landwirtschaft und Tierhaltung beschäftigen werden. Mir ist gerade das Wohl der Tiere sehr wichtig. Fleisch sollte kein Billigprodukt sein.
Ich ernähre mich nicht vegetarisch oder vegan, aber ich achte darauf, dass ich nicht so viel Fleisch konsumiere, weil es für mich und meinen Körper nicht so gut ist - und natürlich auch nicht für die Tiere. Ich koche ganz gerne als Hobby. In meiner Familie wird eigentlich jeden Tag gekocht und zusammen gegessen.
Auf jeden Fall. Vor allem, weil die Leute zufällig ausgewählt wurden. Ich glaube einfach, dass diese Menschen, die jetzt daran teilnehmen, so wie ich, sehr gut für unsere Gesellschaft sprechen können, weil wir zwar keine Experten auf diesem Themengebiet sind, aber trotzdem tagtäglich damit konfrontiert sind und es einfach ein sehr wichtiges Thema für unsere Gesellschaft ist.
Also wenn es um Tierhaltung und Fleisch- und Fischprodukte geht, würde ich schon sagen, dass der Staat sich da ein bisschen mehr einmischen könnte. Vielleicht verbieten, dass jeden Tag zu viele Tonnen Fleisch produziert werden, die gar nicht verkauft werden können. Aber wenn es um den privaten Konsum geht, wie viele Süßigkeiten man essen darf und was man essen darf, da hat der Staat kein Recht, sich einzumischen.
Nils Kurzeder, 21, Polizist aus Rosenheim
Ich habe mich ohne jegliche Erwartungen für den Bürgerrat eingetragen. Aus einer Gruppe von 20.000 Menschen ausgewählt zu werden, damit habe ich wirklich nicht gerechnet. Aber umso größer waren dann die Überraschung und die Freude. Da stand dann einfach online meine Nummer in der Liste der Ausgelosten. Ich habe wirklich etwas gebraucht, um zu realisieren, dass ich mich nicht verguckt habe.
In meinem Freundeskreis bin ich als der Junge mit der Tupperdose bekannt, da ich fast überall mit vorbereiteten Mahlzeiten aufkreuze, da mir eine ausgewogene und gesunde Ernährung sehr wichtig ist. Meiner Meinung nach fehlt es besonders an Aufklärung darüber, was wir zu uns nehmen und wie unsere Gesundheit durch die Qualität von Lebensmitteln beeinflusst wird. Die Vermittlung, was gesund und was ungesund ist, sollte dahingehend schon in der Schule anfangen und auch beim täglichen Einkauf auf den Produkten oder auf Hinweisschildern Platz finden.
Als Konsument wünsche ich mir mehr Transparenz. Beispielsweise in der Form, dass große Fastfood-Ketten auf die Nährwerte eines Gerichtes hinweisen. Auch die staatliche Förderung von vollwertigen und regionalen Lebensmitteln würde ich unterstützen. Diese könnte, richtig umgesetzt, für mehr Umweltschutz und nachhaltige Landwirtschaft sorgen. Und mit einem größeren Bewusstsein für Saisonalität und Regionalität steigt dann hoffentlich auch die Kenntnis über die Qualität von Produkten. Und gesunde Ernährung würde attraktiver und günstiger. Denn der Preis spielt immer eine Rolle bei der Kaufentscheidung, ungesunde Lebensmittel sollten nicht erschwinglicher sein.
Der staatliche Einfluss in die Ernährung ist echt ein heikles Thema, das ich auch in Vorbereitung auf den Bürgerrat mit vielen Menschen besprochen habe. Denn was ich meinem Körper zuführe, ist schon zu hundert Prozent Eigenverantwortung. Daher bringen an dieser Stelle Verbote bestimmt auch nicht viel. Aber sich gesund zu ernähren, sollte so einfach wie möglich gemacht werden und darauf hat der Staat schon einen Einfluss.
Gerade da der Bürgerrat ja verschiedene Alters-, Interessen- und Wissens-Gruppen vertreten soll, werden Diskussionen wohl nicht ausbleiben. Aber auf diese freue ich mich auch, denn ich bin in meinen Meinungen keinesfalls absolut gefestigt. Ich bin gespannt auf den Austausch mit Menschen außerhalb meiner Bubble. Der Bürgerrat ist eine super Möglichkeit, verschiedene Stimmen aus der Bevölkerung zu Wort kommen zu lassen, die sonst nicht dort vertreten sind, wo Entscheidungen gefällt werden.
Was ist ein Bürgerrat?