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Ausstellung Briefe erzählen vom Kinder­transport nach Groß­britannien in der NS-Zeit

Die eigene Familie und das gewohnte Leben hinter sich lassen, um in einem anderen Land in Sicherheit aufzuwachsen – die Kindertransporte zwischen November 1938 und September 1939 ermöglichten mehr als 10.000 Kindern die Ausreise ins Exil und retteten damit Leben. Der Bundestag widmet dieser historischen Hilfsaktion aktuell eine Ausstellung.

Mehrere Personen in einer Ausstellung. In der Mitte eine mittelalte Frau in rotem Blazer und schulterlangen hellen Haaren. Eine dunkelgekleidete Person zeigt auf ein Ausstellungsobjekt.

Bundestagspräsidentin Bärbel Bas bei der Eröffnung der Ausstellung „I said, ‚Auf Wiedersehen’ – 85 Jahre Kindertransport nach Großbritannien“ im Paul-Löbe-Haus des Bundestages. © DBT/Marco Urban

„Es ist eine besondere Ausstellung“, befand Bundestagspräsidentin Bärbel Bas bei der Eröffnung von „I said, ‚Auf Wiedersehen’ – 85 Jahre Kindertransport nach Großbritannien“ am Dienstag, 30. Januar 2024, im Paul-Löbe-Haus des Deutschen Bundestages. Anhand von individuellen Schicksalen, Briefen und anderen persönlichen Zeugnissen zeigt die Ausstellung die Geschichte einer beispiellosen Rettungsaktion, die nach den Pogromen vom 9. November 1938 begonnen hatte.

Die Bilder brennender Synagogen, zerstörter Geschäfte, misshandelter Frauen, Männer und Kinder seien vor 85 Jahren um die Welt gegangen, so Bas. „Wer es sehen wollte, wusste: Jüdisches Leben hat im nationalsozialistischen Deutschland keine Zukunft. Wer nicht auswandern oder fliehen konnte, saß in der Falle.“

Zwei „Kinder“ von 10.000

Eine internationale Initiative hatte sich zum Ziel gesetzt, wenigstens so viele Kinder wie möglich zu retten. Mit ihrer Hilfe fanden mehr als 10.000 Jungen und Mädchen bis zum Ausbruch des Krieges Zuflucht in Großbritannien, wo das Parlament spezielle Reisebestimmungen beschlossen und die BBC einen Aufruf gestartet hatte, um Pflegefamilien zu finden. Die Anteilnahme der britischen Bevölkerung sei groß gewesen, betonte die Präsidentin. „Das vergessen wir in Deutschland nie.“

Besonders freue sie sich, zwei „Kinder“ begrüßen zu können, die 1938 von Prag beziehungsweise Wien aus mit Kindertransporten nach Großbritannien gekommen seien: Alf Lord Dubs und Hella Pick berichteten im Gespräch mit der britischen Botschafterin Jill Gallard von ihren Erinnerungen. So habe Hella bei der Ankunft an der Liverpool Street Stationin London, als ihr Name aufgerufen worden sei, damit sie zu ihren Pflegeeltern gebracht werden konnte, mit dem einzigen Wort in englischer Sprache reagiert, das sie kannte: „Goodbye“. 

Unsicherheit das ganze Leben

Sie habe an diese ersten Momente in Großbritannien ansonsten nur wenige Erinnerungen, so Hella Pick. Sie erinnere sich vor allem mit Hilfe von Postkarten, die ihre Mutter ihr geschickt habe, der es kurz vor Kriegsausbruch ebenfalls gelang, nach Großbritannien zu kommen. Ein großes Glück, wie Hella Pick sagt. Dennoch habe das Gefühl von Unsicherheit seit dem Moment der Trennung und dem Abschied aus ihrem gewohnten Leben 1938 in Wien sie ihr ganzes Leben begleitet. 

Sie habe lange gebraucht, um sich wieder mit Deutschland zu versöhnen. Geholfen habe ihr dabei Willy Brandt, der ihr das neue, das andere Deutschland nach 1945 nahe gebracht habe. Wie Hella Pick, die vor dem wachsenden Antisemitismus in Deutschland und Europa warnte, betonte auch Lord Dubs: „Wir müssen unsere Lektionen aus der Geschichte lernen. Wir haben bisher nicht genug getan.“ 

Wissen über die Geschichte bewahren

Eine solche Ausstellung sei deshalb wichtig, um Wissen über die Geschichte zu bewahren. Er wünsche sich, dass sie auch im britischen Parlament gezeigt werde. Dubs selbst war Mitglied des Unterhauses und ist Mitglied des Oberhauses. 2016 verabschiedete das britische Parlament ein nach ihm benanntes Gesetz, das vorsah, dass Großbritannien eine große Zahl unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge aufnehmen sollte.

Ihm sei es allerdings wichtig zu betonen, dass man nicht erlebt haben müsse, was er erlebt habe, um sich für die Rechte geflüchteter Menschen einzusetzen. „Das können wir alle tun.“

Besuch der Ausstellung

Die Ausstellung, die von der Berthold Leibinger Stiftung in Kooperation mit dem Freundeskreis Yad Vashem e.V., der Internationalen Holocaust Gedenkstätte Yad Vashem, der Wiener Holocaust Library und der Association of Jewish Refugees vorbereitet wurde, wird vom 31. Januar bis zum 23. Februar 2024 im Bundestag gezeigt. 

Für den Besuch ist eine Anmeldung notwendig. Weitere Informationen zur Ausstellung findest du hier.

Dieser Beitrag erschien zuerst auf bundestag.de.

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