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Interview mit Renata Alt (FDP) „Menschenrechte sind universell“

Marejke Tammen

Vor 75 Jahren wurde die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von den Vereinten Nationen verabschiedet. In 30 Artikeln werden bürgerliche, politische, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte verbrieft, die für alle Menschen auf der Welt gelten. Inwiefern diese Rechte auch in Krisenzeiten zum Tragen kommen, erklärte uns die Vorsitzende des Bundestagsausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe Renata Alt (FDP).

Eine Frau mit langen blonden Haaren und blauen Augen lächelt in die Kamera. Sie trägt einen weißten Blazer, der Hintergrund ist unscharf.

Der Kampf für Menschenrechte kann Konsequenzen haben, wie Renata Alt (FDP) erfahren musste. Die Politikerin hat sich für die Zivilbevölkerung im Iran eingesetzt, die für Frauen- und Menschenrechte protestiert haben sowie für die Freilassung der Deutsch-Iraner, die aus politisch-motivierten Gründen im Iran festgehalten werden. Daraufhin landete sie auf der Sanktionsliste des Iran. © Laurent Chaperon

Was bedeutet die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte für Sie persönlich?

Für mich ist das Wichtigste: Alle Menschen auf der Welt haben Menschenrechte, die ihnen mit der Geburt zustehen. Egal, wo sie leben und egal, wie sie leben. Vielen ist das nicht klar. Manche glauben, dass die Menschenrechte nur im Westen gelten. Doch das Recht in Würde zu leben, steht jedem zu. Die Menschenrechte sind also universell und unantastbar. Es ist daher ein großer Erfolg, dass viele Länder Bestimmungen der Erklärung in die eigenen Verfassungen aufgenommen haben.

Sie sagen, dass jeder Mensch gewisse Rechte hat. Doch die Realität sieht oftmals ganz anders aus. Wir erleben derzeit viele Krisen, Kriege und Konflikte, in denen die Menschenrechte nicht eingehalten werden. Ist die Erklärung also nutzlos?

Wir dürfen nicht schweigen! Vor allem nicht, wenn es um Kriegsverbrechen geht. Das muss thematisiert werden. Es ist wichtig, dass die Kriegsparteien wissen, dass wir sie beobachten. Niemand darf in der Annahme leben, dass Kriegsverbrechen von anderen Ländern geduldet werden. Ganz im Gegenteil: Die Kriegsparteien müssen wissen, dass sie vor dem internationalen Strafgerichtshof zur Rechenschaft gezogen werden.

Sie sind Vorsitzendes Ausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Wie können wir uns Ihre Arbeit vorstellen? Was tut Ihr Ausschuss für die Menschenrechte?

Wir führen sehr viele Gespräche mit Personen, die uns von Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern berichten. Manchmal haben diese Personen die Verletzungen auch selbst erlebt. Oft reisen wir dann in diese Länder und machen uns ein eigenes Bild davon.

Dieses Jahr haben wir uns zum Beispiel sehr mit dem der Diskriminierung und Verfolgung von lesbischen, schwulen, bisexuellen, transgeschlechtlichen und queeren Menschen (kurz: LGBTQ) beschäftigt. Wir sind nach Polen, Ungarn und Serbien gereist und haben dort mit Betroffenen aus der Zivilgesellschaft, aber auch mit Regierungsmitgliedern und Parlamentariern über die aktuelle Situation in diesen Ländern gesprochen. Dabei ging es auch um die Möglichkeiten, wie die Rechte für Menschen aus der LGBTQ-Community gestärkt werden können.

Der Kampf für Menschenrechte kann dann dazu führen, dass man – wie ich momentan – auf einer Sanktionsliste landet. Derzeit setzte ich mich intensiv für die Freilassung von Jamshid Sharmahd und Nahid Taghavi ein. Die beiden Deutsch-Iraner wurden von der islamischen Revolutionsgarde festgenommen, und weil ich mich öffentlich für die beiden einsetze, hat mich der Iran auf seine Sanktionsliste gesetzt.

Um für Menschenrechtsverteidiger Sichtbarkeit zu generieren und sie zu schützen, wurde das Programm „Parlamentarier schützen Parlamentarier“ (PsP) ins Leben gerufen. Im Rahmen dieses Programms übernehmen deutsche Bundestagsabgeordnete Patenschaften für Aktivisten und Politiker, die im Ausland für ihren Einsatz für Menschenrechte inhaftiert wurden. Mit den Patenschaften setzen meine Kollegen und ich ein klares Zeichen und sorgen dafür, dass diese Menschen nicht in Vergessenheit geraten. Manchmal gelingt es auch, genug Druck aufzubauen, dass unsere Paten freigelassen werden. Im Rahmen von PsP habe ich die Patenschaft für den russischen Oppositionellen und Bürgerrechtler Wladimir Kara-Mursa übernommen.

 Mit welchen Themen befassen Sie sich sonst noch in Ihrer täglichen Arbeit?

Ganz aktuell beschäftigt uns der Angriff der Hamas auf Israel. Aber auch der völkerrechtswidrige Angriff Russlands auf die Ukraine ist nach wie vor ein wichtiges Thema. Ich halte einen sehr engen Kontakt mit dem Internationalen Roten Kreuz, um herauszufinden, wie es den Kriegsgefangenen geht. Aber auch die Verschleppung vieler ukrainischer Kinder beschäftigt mich und ich versuche herauszufinden, wie viele Kinder sich in Russland befinden.

Ein weiterer Aspekt sind die Auswirkungen des Krieges auf die Nahrungsmittelsicherheit weltweit. Denn durch die Unterbrechung der Getreidelieferungen aus der Ukraine hat sich die die humanitäre Lage weltweit verschärft und es drohen nach wie vor Hungerkatastrophen, besonders in einigen afrikanischen Ländern.

Ihr Ausschuss hat sich auch mit dem Klimawandel befasst. Können Sie uns etwas genauer erklären, wie Menschenrechte und der Klimawandel zusammenhängen?

Schon jetzt haben viele Menschen nicht mehr genug zu essen und müssen ihr Land verlassen, um zu überleben. Das hängt oft mit extremen Wetterereignissen zusammen, die zum Teil auch dem Klimawandel geschuldet sind.

In den vergangenen zwei Jahren haben wir uns daher mit den drei C beschäftigt: Climate, Crisis, Covid. Diese drei Themen bedingen sich teils gegenseitig, etwa dann, wenn Menschen aufgrund des Klimawandels ihre Lebensgrundlagen verlieren und ihre Heimat verlassen müssen. Nicht zuletzt deshalb ist es wichtig, dass auf der Weltklimakonferenz in Dubai angekündigt wurde, Mittel für solche Länder bereitzustellen, die sich genau diesen Herausforderungen stellen müssen. Beim Schutz von Menschenrechten müssen daher immer auch solche Zusammenhänge bedacht werden.    

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