Coronapandemie So ging es mir in der Schule
Unterrichtsausfälle, Lernlücken, Einsamkeit: Die Coronapandemie hat den Alltag der Schülerinnen und Schüler verändert. Drei Jugendliche erzählen uns von ihren Erfahrungen.
Jona, 17: „Corona-Zeit im Internat“
Ich bin Jona, eine 17-jährige Schülerin aus Baden-Württemberg. Zurzeit besuche ich die 12. Klasse eines Gymnasiums mit Internat und mache somit in diesem Schuljahr mein Abitur. Corona hat für mich in der neuen Klasse angefangen: Ich war noch neu an meiner jetzigen Schule. Seitdem ist leider vieles, was das typische Internats- und Schulleben ausmacht, ausgefallen: Klassen- und Studienfahrten, Austauschprogramme, Schulpraktika oder Chorprojekte. Nun habe ich nur noch einige wenige Monate Schule vor mir.
Immer wieder Unterrichtsausfall
Da unsere Schule nicht alle Kurse abdecken kann, haben wir im Ort eine Kooperation mit einem Gymnasium, das wenige Meter von meiner Schule entfernt ist. So haben alle Internatsschülerinnen und -schüler der Oberstufe Kurse an beiden Schulen.
In letzter Zeit ist es immer wieder zu Unterrichtsausfällen gekommen, weil zum Beispiel jemand einen positiven Corona-Schnelltest hatte oder es einen Coronafall in der Stufe gab. In diesen Fällen gibt es aber keine klaren Regelungen. Die Internatsschüler wurden bisher ins Internat runter geschickt, während die anderen aus der Stufe an der Schule geblieben sind. Wenn wir Internatsschüler Glück hatten, gab es Videoschalten, die einige Lehrer machten, sodass wir digital am Unterricht der Partnerschule teilnehmen durften. Oder wir haben einfach nur die Aufgaben bekommen und mussten sie selbstständig bearbeiten.
Mangelnde Technik im Internat
Die Technik und die Internetverbindung, mit der wir an den Videokonferenzen teilnehmen sollten, war teilweise so schlecht, dass wir uns alle in einen Raum vor einen Computer setzen mussten, da das Internet mit den einzelnen Geräten überlastet gewesen wäre.
Oft war nicht klar, wie lange diese Situation anhalten würde: ein paar Stunden oder doch ein paar Tage? Die Kommunikation zwischen den beiden Schulen ließ hier wirklich zu wünschen übrig.
Warten auf das Aufholprogramm
Außerdem sollte es ein Programm zur Rückstandsaufholung geben: Hier sollten wir die Unterrichtsinhalte nachholen können, die wegen der Pandemie nicht gelehrt werden konnten. Das Programm sollte im Schuljahr 2020/2021 starten. Die Schulleitung hat dies mehrmals versprochen, aber ich habe bis heute kein solches Programm an meiner Schule gesehen. Unsere Kooperationsschule hingegen hatte das sogenannte „Lernen mit Rückenwind“-Programm, das sogar durch verschiedenste Aktionen versuchte, die Gemeinschaft zu stärken, zum Beispiel mit einem gemeinsamen Besuch im Kletterwald.
Gut vorbereitet aufs Abi?
Aus jetziger Sicht kann ich nicht wirklich sagen, ob wir gut auf das Abitur in ein paar Monaten vorbereitet sind. Jedenfalls bestimmt nicht, wenn wir uns den versäumten Unterrichtsstoff nicht selbst aneignen.
Obwohl sich unsere Lehrerinnen und Lehrer und die Schulleitung Mühe gegeben haben, uns Alternativen zu bieten, ist vieles verloren gegangen, was eine Internatsgemeinschaft sonst ausmacht. Die Corona-Zeit im Internat war und ist eine sehr herausfordernde Zeit, die uns alle geprägt hat. Und dennoch: Obwohl diese Herausforderungen schwierig zu meistern sind, ist es auch eine schöne Zeit, die ich nicht missen möchte.
Chiara, 19: „Ungewisse Zukunft“
Mein Name ist Chiara, und ich bin 19 Jahre alt. Im Jahr 2022 habe ich mein Abitur an einem Gymnasium in Nordrhein-Westfalen absolviert. Meine Zeit in der Oberstufe wurde durch die Coronapandemie stark geprägt. An den 13. März 2020 – an den Tag, an dem die Schulen geschlossen wurden – kann ich mich noch genau erinnern. In den folgenden Monaten machten wir alle Erfahrungen, die wir nicht für möglich gehalten hätten.
Die Hälfte der Einführungsphase für die Oberstufe habe ich im Distanzunterricht verbracht. Zum Ende des Schuljahres war ich vereinzelt für ein paar Tage in der Schule. In der elften Klasse verbrachte meine gesamte Jahrgangsstufe wegen eines Coronafalles gemeinsam zwei Wochen in Quarantäne, und im folgenden Winter wurden wir mit einem erneuten Lockdown konfrontiert. Glücklicherweise konnte zumindest mein zwölftes und gleichzeitig letztes Schuljahr zum Großteil ohne Einschränkungen stattfinden.
Der direkte Kontakt fehlte
Aber die vielen Umstellungen haben mich sehr belastet. Zwar fiel mir das selbstständige Arbeiten im Distanzunterricht relativ leicht, aber ich merkte trotzdem, dass mir der Austausch und die direkte Kommunikation mit den Mitschülern und Lehrern vor Ort fehlte. So fiel es mir schwer, in einigen Fächern die Grundlagen aufzubauen – vor allem in naturwissenschaftlichen Fächern, aber auch wenn es um Sprachen ging.
Im Onlineunterricht war außerdem die Internetverbindung immer wieder ein Problem, und auch digitale Wortmeldungen stellten zunächst eine Überwindung für mich dar. Im ersten Lockdown musste ich nur schriftliche Aufgaben einreichen, sodass es mir fremd war, mich digital zu melden. Außerdem belastete mich das lange Sitzen vor den Geräten – teilweise bis zu zehn Stunden täglich. Ich hatte oft Kopfschmerzen und fühlte mich müde.
Präsenz auch plötzlich ungewohnt
Nach der langen Zeit zu Hause musste ich mich dann wiederum an das Lernen in Präsenz gewöhnen, was mir zunächst sehr schwerfiel. Damit war ich nicht allein, auch meine Mitschüler und Mitschülerinnen hatten mit der Situation zu kämpfen.
Im Präsenzunterricht kam es außerdem des Öfteren dazu, dass Lehrer und Lehrerinnen mehrere Räume gleichzeitig betreuen mussten. Das erschwerte die mündliche Beteiligung, vor allem in der elften Klasse.
Angst vor der Zukunft
Während der Pandemie merkte ich, wie mir die Ungewissheit der Zukunft Angst machte: Was würde als Nächstes passieren? Niemand wusste, wie es weitergehen würde. Die ständigen Veränderungen machten mir mental zu schaffen.
Zusätzlich fand ich das Tragen der Maske, das ständige Lüften und die andauernden Testungen anstrengend. Auch wenn diese Maßnahmen aus gesundheitlichen Gründen natürlich berechtigt waren und ich keinesfalls eine Corona-Erkrankung riskieren wollte. Aber ich konnte mich dadurch bei Klausuren weniger konzentrieren und im Sportunterricht war die Maske sowieso ein Hindernis.
Ich fühlte mich unter Druck: Denn trotz der erschwerten und vor allem neuen Bedingungen musste ich für das Abitur Leistungen erbringen.
Hindernisse und Unsicherheiten
Zur Oberstufe gehören auch allerlei Aktivitäten wie Jahrgangs- oder Kursfahren, die Mottowoche am Ende der Schulzeit, der Abi-Ball, die Abi-Partys. Mein Jahrgang hatte durch die Pandemie Probleme, diese Dinge zu planen. Als wir mit den Abiturplanungen angefangen haben, wussten wir nicht, ob wir überhaupt eine Mottowoche veranstalten können, und auch die Finanzierung des Abi-Balls erwies sich als schwierig, da Veranstaltungen, mit denen die Abi-Jahrgänge normalerweise Geld sammeln, in der Zeit untersagt waren – dazu gehörten zum Beispiel Abi-Partys.
Glücklicherweise konnte unsere traditionelle Studienfahrt in der zwölften Klasse stattfinden, wenn auch nur in kleinerem Rahmen. Und auch die Abschlussfeier war letztendlich möglich. Trotzdem fand ich es schade, dass viele andere Events ausfallen mussten und meine Schulzeit nicht so zu Ende ging wie die der Abi-Jahrgänge vor mir.
Zusammen Lösungen finden
Durch Corona haben sich aber auch neue Türen für mich geöffnet. Seit Oktober 2020 gibt es an meiner ehemaligen Schule einen digitalen Support, bei dem ich von Anfang an mitgewirkt habe. Dort haben wir Schüler und Schülerinnen unterstützt, die technische Probleme hatten. So konnten wir dazu beitragen, dass jeder möglichst gute Lernbedingungen erhielt.
In der Arbeitsgemeinschaft haben wir Lösungsansätze für verschiedene Probleme erarbeitet und wöchentliche Sprechstunden angeboten, in denen Lernende sowie Lehrer und Lehrerinnen die Möglichkeit hatten, Fragen zu stellen und Hilfe zu bekommen. Außerdem haben wir im Rahmen der AG zum Beispiel Erklärvideos erstellt.
Meine Zukunftsaussichten
Den Bildungssektor werde ich nach dieser aufregenden und gleichzeitig lehrreichen Zeit übrigens nicht verlassen, denn im Oktober 2022 werde ich ein Lehramtsstudium beginnen. Und ich möchte mich nebenbei in diversen Projekten für die Förderung digitaler Bildung einsetzen.
Aufgeschrieben von Lia Lorenz
Nikolaus, 18: „Lernrückstände bei allen“
Während des ersten Lockdowns besuchte ich gerade die 11. Klasse des Gymnasiums, sodass ein Großteil meiner Abiturzeit durch die Coronapandemie geprägt war. Als Gymnasiast aus der sogenannten gesellschaftlichen Mittelschicht gehörte ich wohl zu den privilegierten Jugendlichen. Ich hatte engagierte Lehrer, die sich größte Mühe gaben, den Unterricht bestmöglich weiterzuführen, ein eigenes Zimmer samt Computer und Internetzugang und Eltern, die mich unterstützten, so gut es ging.
Schwierigkeiten durch fehlende Struktur
Von anderen Jugendlichen, die einem ähnlichen sozialen Umfeld angehören wie ich, weiß ich aber auch, dass die Situation direkt eine ganz andere ist, wenn ein einzelner Faktor fehlt. Es ist egal, ob es an Privatsphäre mangelt, es keinen ordentlichen Zugang zu Online-Stunden gibt oder die mentale Unterstützung ausbleibt – jedes dieser Beispiele kann sich negativ auf den gesamten Lernfortschritt auswirken. Wenn die Situation gleichzeitig als psychisch sehr belastend empfunden wird, kann das sogar zu einem kompletten Lern-Stopp führen.
Plötzlich versetzungsgefährdet
Ein Beispiel hierfür ist ein ehemaliger Mitschüler von mir, dessen Leistungen während des Lockdowns von überdurchschnittlich gut auf versetzungsgefährdet sanken. Der Hauptgrund dafür war, dass es ihm sehr schwerfiel, sich ohne die Struktur des Schulalltages und die Anwesenheit seiner Mitschüler und Mitschülerinnen selbst zu motivieren. Da aber weder ein Lehrer noch seine Eltern ihn im nötigen Maße unterstützen konnten oder mit ihm über seine Schwierigkeiten sprachen, verfiel er relativ schnell in eine Antriebs- und Planlosigkeit. Er schaffte es bis zur Wiederaufnahme des Präsenzunterrichtes nicht, sich selbst zur Teilnahme an den Lernangeboten zu motivieren.
Wie geht es anderen Jugendlichen?
Von solchen Fällen habe ich in dieser Zeit oft gehört. Meistens handelte es sich dabei um Jugendliche aus mehr oder weniger behüteten und finanziell stabilen Elternhäusern. Ich frage mich, wie viel schwerer es für weniger privilegierte Jugendliche gewesen sein muss, bei denen womöglich alle Faktoren zusammenkamen: kein eigenes Zimmer, kein Laptop oder Internetzugang und keine Unterstützung ihres sozialen Umfeldes.
Lernrückstände bei uns allen
Mit einiger Sicherheit lässt sich sagen, dass es bei fast allen Jugendlichen in Deutschland Lernrückstände geben muss. Kein Lehrer und kein Unterstützungsangebot schafften es, den Unterrichtsstoff eines halben Jahres online genauso zu vermitteln wie im Präsenzunterricht. Das geht nur mit Qualitätsverlust oder indem ganze Themen gestrichen wurden. Die Frage ist nur, wie groß die Lernrückstände jetzt sind und das hängt wohl fast immer von Faktoren ab, über die die meisten Schüler und Schülerinnen nicht selbst entscheiden konnten und können.
Viel gelernt trotz Lernrückständen
Abschließend möchte ich sagen, dass die Pandemie aber auch positive Effekte mit sich gebracht hat. Viele Jugendliche mussten sich Fähigkeiten aneignen, die sie sonst gar nicht oder erst später erlernt hätten. Einige lernten, die Tage und den Unterrichtsstoff zu strukturieren und gewannen so viel Selbständigkeit hinzu. Andere nutzten die Zeit und erlernten neue Sprachen oder fanden neue Hobbys. Für viele Jugendliche gibt es Einiges nachzuholen und doch konnte der ein oder andere sogar von dieser schwierigen Zeit profitieren.