Präsident des Bundeskartellamts „Licht ins Dunkel bringen“
Viele Verbraucher sind über den staatlichen Tankrabatt enttäuscht. Sprit ist nach wie vor teuer. Andreas Mundt, Präsident des Bundeskartellamts, erklärt die hohen Preise im Interview – und verrät, wie man trotzdem günstig tankt.
Viele Menschen ärgern sich gerade über die hohen Preise an den Tankstellen. Ärgern Sie sich auch?
Ja, ich ärgere mich auch, denn auch ich habe ein Auto und muss tanken. Deshalb achte ich immer darauf, zu einer Tankstelle zu fahren, an der es möglichst günstig ist – auch wenn das im Moment gar nicht so einfach ist.
Aber ich bin ja nicht nur Privatmann, sondern auch Präsident des Bundeskartellamtes. Und in dieser Funktion muss ich leider feststellen, dass wir im Mineralölmarkt nur eingeschränkt Wettbewerb haben. Es gibt nur wenige große Anbieter und diese Anbieter haben ein sehr ausgeklügeltes System gefunden, Preise voneinander abzugucken und nachzumachen. Dazu brauchen die Unternehmen noch nicht einmal Absprachen – was ein Verstoß gegen das Kartellrecht wäre.
Abgucken und nachmachen ist nicht verboten. Insofern ärgern wir uns schon über die Situation auf dem Markt, denn viele Menschen sind auf ihr Auto angewiesen, um zum Beispiel zur Arbeit zu kommen. Aber ein Mittel gegen diese Art der Preisgestaltung zu finden, ist gar nicht so einfach. Auch für die Politik nicht.
Beim Bundeskartellamt gibt es seit 2013 eine Markttransparenzstelle. Kann das so ein Mittel sein? Welche Aufgaben hat sie?
Sie können heutzutage die Preise an fast jeder der 15.000 Tankstellen deutschlandweit über bestimmte Apps auf ihrem Smartphone ansehen. Die Daten kommen direkt von der Markttransparenzstelle. So transparent waren die Preise für die Verbraucherinnen und Verbraucher aber nicht immer. Bis zum Jahr 2013 war es so, dass die Information über die Preise sehr ungleich verteilt war.
Die Konzerne waren über die Preise schon immer sehr genau im Bilde. Es war üblich, den Tankwarten vorzugegeben, Preise an den umliegenden Tankstellen zu erfassen und an die Unternehmenszentrale zu melden. Man muss sich das so vorstellen, dass jede Tankstelle mehrere andere Tankstellen beobachtet hat. Die Mitarbeiter sind mitunter mit dem Fahrrad die Gegend abgefahren, haben die Preisschilder abgelesen und die Preise der Wettbewerber mehrfach täglich gemeldet. So konnten die Preise an der eigenen Tankstelle immer entsprechend angepasst werden. Die digitalen Möglichkeiten von heute gab es ja noch nicht.
Diese Geschichte erzähle ich deshalb, weil sie verdeutlicht, dass bis 2013 nur die Mineralölunternehmen über die Preise an den Tankstellen ganz genau Bescheid wussten. Als Verbraucher wussten man nur, wie teuer es an der Tankstelle ist, die man gerade angefahren hatten. Dabei ist es wirklich wichtig, die Preise unterschiedlicher Tankstellen zu kennen. An einer Tankstelle schwanken die Preise im Schnitt bis zu 13 Cent pro Tag. Innerhalb einer Stadt sind die Unterschiede noch größer. Wenn Sie beispielsweise in Bonn an der billigsten Tankstelle tanken, dann ist die bis zu 24 Cent billiger als die teuerste Tankstelle am selben Tag.
Die Markttransparenzstelle und die Apps, die wir heute auf dem Handy haben, haben dafür gesorgt, dass nicht nur die Konzerne Bescheid wissen, sondern auch die Verbraucherinnen und Verbraucher, letztlich haben wir hier Waffengleichheit hergestellt.
Die Bundesregierung hat am 1. Juni den Tankrabatt eingeführt: Sie hat die Energiesteuer auf Kraftstoffe gesenkt. Die Union kritisiert dabei in einem Antrag „mangelnde Verbraucherinformationen“. Was ist Ihr Eindruck?
Ich finde, dass rund um den sogenannten Tankrabatt sehr viele Informationen veröffentlicht wurden. Und ich glaube schon, dass sich viele Autofahrer so auch informiert haben.
Das Bundeskartellamt hat gleichzeitig beschlossen, sich das Preisgebaren der Mineralölkonzerne genauer anzusehen. So haben wir fast im Wochenrhythmus berichtet, wie sich die Kraftstoffpreise entwickeln. Wir berichten auch weiterhin regelmäßig, nur etwas seltener. Außerdem untersuchen wir die Raffinerieebene und den Großhandel mit einer sogenannten Sektoruntersuchung.
Ziel ist es, dass die Leute informiert sind und dass die Mineralölkonzerne mitbekommen, dass ihre Preispolitik gerade unter strenger staatlicher Beobachtung stattfindet. Die Konzerne sollen wissen, dass es eine staatliche Stelle gibt, die beispielsweise auch analysieren und abschätzen kann, inwieweit der Tankrabatt weitergegeben wurde oder nicht – sobald die Untersuchungen dazu abgeschlossen sind.
Wie kontrollieren Sie das?
Wir haben am Anfang der Steuersenkung gesehen, dass bei E5- und E10-Kraftstoff der Preis tatsächlich im Durchschnitt um 27 Cent runtergegangen ist. Rund 35 Cent wären möglich gewesen. Beim Diesel wären ungefähr 17 Cent möglich gewesen, tatsächlich gab es da eine Senkung um durchschnittlich 11 Cent. Beides ließ sich ganz unmittelbar erkennen.
Danach wird es aber schwieriger, die Preisentwicklung im Zusammenhang mit der Steuersenkung nachzuvollziehen: So waren die Preise im Juni nach dem anfänglichen Absinken wieder um einige Cent höher. Im Juli geht es bei Benzin bislang wieder etwas runter. Bei Diesel eher nicht. An diesen Preisbewegungen sieht man schon, wie schwierig es ist, genau zu sagen, in welchem Umfang und wie dauerhaft der Tankrabatt weitergegeben worden ist. Vorher-nachher-Vergleiche für sich genommen reichen jedenfalls nicht aus. Die Untersuchung soll Licht ins Dunkel bringen.
… das klingt sehr kompliziert.
Das ist es! Selbst für Expertinnen und Experten ist es teilweise schwierig, den Markt zu überblicken. Für Leute, die einfach nur Auto fahren wollen, ist es fast unmöglich. Zum Beispiel ist es oft schwierig, direkte Rückschlüsse zu ziehen: Man kann nicht davon ausgehen, dass der Tankstellenpreis dauerhaft um 10 Cent sinkt, weil die Steuer um 10 Cent gesenkt wurde.
Der Benzinpreis an der Zapfsäule wird nämlich durch viele Faktoren bestimmt, wie beispielsweise durch den Rohölpreis, den Preis an den Raffinerien, den Preis im Großhandel. Und dann kommen noch komplizierte Dinge wie der Wechselkurs von Dollar und Euro hinzu, also der Preis einer Währung in einer anderen Währung.
Es gibt auch ganz kuriose Phänomene, die zu bestimmten Zeiten auftreten und den Markt beeinflussen können: Wenn die Amerikaner im Sommer alle mit dem Auto in den Urlaub fahren, kann das wiederum den europäischen Markt beeinflussen. Denn die Amerikaner haben in dieser Zeit selbst relativ geringe Raffinerie-Kapazitäten. Bei hoher Nachfrage, etwa zur Urlaubszeit, müssen Kraftstoffe importieren werden. Die fehlen möglicherweise dann auf dem Markt hier.
Noch mal zurück zum Tankrabatt. Wie können Verbraucherinnen und Verbraucher ihrerseits nachvollziehen, ob die Entlastungen an den Zapfsäulen ankommen?
Leider ist es nicht möglich, dies durch den Blick auf die Zapfsäule oder die App festzustellen. Das Bundeskartellamt kann auch nicht verfügen, dass die Steuersenkung weitergegeben werden muss. Denn wir sind keine allgemeine Preisüberwachungs-Behörde. So etwas gibt es in der freien Marktwirtschaft nicht. Der Wettbewerb soll die Preise regulieren, das ist so auch im Grundgesetz verankert.
Können Verbraucher trotzdem etwas tun?
Die Verbraucherinnen und Verbraucher sollten sich unbedingt an unsere Faustregeln halten:
Tanken Sie nicht zu den teuren Zeiten, also morgens um 7 Uhr, sondern abends zwischen 18 und 22 Uhr, da ist es immer am preiswertesten.
Meiden Sie teure Tankstellen an der Bundesautobahn.
Und wenn Sie einmal eine preiswerte Tankstelle gefunden haben, dann geben wir den guten Rat: Bleiben Sie bei dieser Tankstelle, denn die bleibt meist auch preiswert.
Einige Stimmen fordern angesichts der weiterhin hohen Preise an den Tankstellen ein Eingreifen des Bundeskartellamtes. Können Sie uns Beispielsituationen nennen, in denen das Bundeskartellamt eingreifen würde?
Wie oben angedeutet würden wir eingreifen, wenn wir direkte Preisabsprachen zwischen den Unternehmen mitbekämen. Wenn also mehrere Unternehmen gemeinsam beschließen, die Preise zu einem bestimmten Zeitpunkt willkürlich zu erhöhen. Oder wenn die Unternehmen gemeinsam entscheiden würden, den Tankrabatt nicht an die Verbraucherinnen und Verbraucher weiterzugeben. Das wäre eine sogenannte Kartellvereinbarung und die ist verboten.
In diesen Fällen können wir extrem hohe Bußgelder verhängen, bis zu 10 Prozent des Jahresumsatzes des Unternehmens. Da können schnell ein paar 100 Millionen zusammenkommen. Solche Bußgelder haben wir in der Vergangenheit schon in anderen Branchen verhängt.
Darüber hinaus sind die gesetzlichen Hürden für ein Eingreifen sehr hoch. Wenn es keinen Kartellverstoß gibt, ist das wirklich schwierig. Deshalb möchte der Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) eine Novelle des Kartellrechts angehen.
Momentan gibt es Vorschläge für Gesetzesänderungen, die es uns erlauben würden, auch in bestimmten anderen Fällen unabhängig von einem Kartellrechtsverstoß einzugreifen. Möglicherweise könnten wir dann unter gewissen Voraussetzungen verfügen, dass bestimmte Unternehmen einen oder mehrere Unternehmensteile abgeben müssen, um wettbewerbliche Probleme auf dem Markt zu beseitigen. Die Novelle würde uns ermöglichen, auf die Art einzugreifen, von der viele Menschen glauben, dass wir das längst könnten.
Andreas Mundt wurde 1960 in Bonn geboren. Er studierte Rechtswissenschaften in Bonn und Lausanne, in der Schweiz. Ab 1991 arbeitete er für das Bundesministerium für Wirtschaft und später viele Jahre als Referent für die FDP-Bundestagsfraktion. 2000 wechselte er zum Bundeskartellamt, seit 2009 ist er dort Präsident. International ist er Mitglied des Lenkungsgremiums des OECD Wettbewerbsausschusses und seit 2013 Vorsitzender der Lenkungsgruppe des International Competition Network (ICN), einem Verbund von 140 Wettbewerbsbehörden weltweit.
(Mira Knauf)