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Unternehmer „Menschen, die für ein Thema brennen“

Robert Greve will dazu beitragen, die Lücke zwischen unbesetzten Ausbildungsstellen und Jugendlichen ohne Ausbildungsplatz zu füllen. Hier erzählt er, was Social Entrepreneurship für ihn ausmacht.

Social Entrepreneur Robert Greve von Studio2B im Porträt

„Macht das Sinn, was ich hier mache? Trage ich dazu bei, dass die Welt ein Stück besser wird?“ Robert Greve glaubt, dass sich das immer mehr Menschen fragen. © Studio2B, Markus Hardt, 2019

Wie finde ich den richtigen Beruf für mich, fragen sich viele Jugendliche. Ihr Unternehmen bietet Plattformen zur Berufsorientierung für Schüler an. Warum haben Sie sich für diesen Schwerpunkt entschieden?

Dafür gibt es zwei Gründe: Erstens gibt es nach wie vor sehr viele offene Ausbildungsplätze. Fast jedes dritte deutsche Unternehmen hat unbesetzte Plätze. Und trotzdem haben wir auf der anderen Seite noch sehr viele Jugendliche, die nach einer Ausbildung suchen. Da muss also irgendwas schief laufen im Matching dieser beiden Seiten.

Zweitens ist die Quote derjenigen, die eine Ausbildung anfangen, sie dann aber abbrechen, sehr hoch. Im Schnitt liegt sie so bei etwa 25 Prozent, in einigen Branchen sind es sogar 40 bis 50 Prozent.

Deshalb sind wir zu dem Schluss gekommen: Jugendliche brauchen unbedingt die Möglichkeit, sich schon früh, am besten schon in der Schule, intensiv mit Berufen auseinanderzusetzen. Wir wollten Berufsorientierung spannender und digitaler machen als wir sie selbst früher erlebt haben.

„Dein erster Tag“ gibt 360°-Einblicke in Berufsfelder, „Schülerpraktikum“ ist laut Ihrer Webseite die größte Plattform für Schülerpraktika in Deutschland. Tun ‚normale‘ Unternehmen nicht genug im Bereich Berufsorientierung?

Doch, ich würde sogar sagen, das Thema Berufsorientierung ist mittlerweile bei fast allen ausbildenden Unternehmen auf dem Radar. Bloß ist das nicht so einfach – jedenfalls dann nicht, wenn Unternehmen jenseits von Messen und Recruiting-Tagen auch zur schulischen Berufsorientierung beitragen wollen. Bei Schulen gibt es immer das Neutralitätsgebot, das heißt Schulen dürfen nicht einfach einzelne Unternehmen einladen, um sich vorzustellen. Sie können natürlich schulinterne Berufsbildungsmessen organisieren und viele Unternehmer einladen, aber das ist ein großer Aufwand. Genauso steht ein Unternehmen, das vielleicht einen Einzugsbereich von 50 Kilometern hat, vor der Herausforderung, dass es ganz viele Schulen besuchen könnte – das schaffen die wenigsten personell.

Wir haben also überlegt, wie man dieses Problem lösen könnte, und sind auf die Idee gekommen, virtuelle Betriebsrundgänge anzubieten. Das Ziel war, den Aufwand auf beiden Seiten gering zu halten und für die Schüler trotzdem ein sinnvolles und aufregendes Erlebnis zu schaffen.

Wie finanzieren Sie Ihre Projekte und was ist „social“ an Ihrem Unternehmen?

„Social“ muss aus meiner Sicht immer das Ziel sein, das ein Unternehmen verfolgt. In unserem Fall ist das, ein soziales Problem zu lösen – nämlich dass zu viele junge Menschen nicht wissen, was sie werden wollen, und deshalb mitunter in die falschen Berufe geraten. Das wollen wir aufbrechen.

Dieses Vorhaben muss natürlich auch finanziert werden. Wir wollen aber nicht von einer bestimmten Förderquelle abhängig sein. Deshalb finanzieren wir uns aus drei verschiedenen Richtungen: Wir haben eine Projektfinanzierung aus öffentlichen Projekten. Dann bekommen wir Geld aus öffentlichen Regelfinanzierungen. Da gibt es in den Ländern Budgets, die Berufsorientierungsmaßnahmen an Schulen finanzieren. Und das Dritte ist eine Finanzierung von Unternehmensseite: Wenn wir bei einem Unternehmen einen 360°-Betriebsrundgang filmen, dann soll sich dieses Unternehmen auch an den Kosten beteiligen.

Sie sind Mitglied im Social Entrepreneurship Netzwerk Deutschland. Was genau macht dieses Netzwerk?

Das ist ein recht neues Netzwerk, das sich vorgenommen hat, das Thema Social Entrepreneurship überhaupt erst mal auf die politische Landkarte zu bringen. Das heißt, die sind viel unterwegs und reden mit Politikern darüber, warum das eine gute Sache ist, die gefördert werden sollte, und was das konkret bedeutet. Kann man bestimmte Ausschreibungen oder Finanzierungsmodelle von Förderbanken auch für gemeinnützige Unternehmen öffnen? Brauchen wir eine neue Rechtsform für Sozialunternehmen? Diese Themen werden inzwischen debattiert, auch im Deutschen Bundestag, das freut mich sehr.

Letztes Jahr haben Sie den Gründerszene Award bekommen. Werden Sozialunternehmen in Deutschland aus Ihrer Sicht gut unterstützt?

Gut wäre sicherlich übertrieben. Ich glaube aber, dass sich das extrem verbessert hat in den letzten Jahren. Es wurden Strukturen für Sozialunternehmen geschaffen wie etwa die FASE, eine Finanzierungsagentur für Social Entrerpreneurship. Es ist ein Ökosystem entstanden für Sozialunternehmen. Trotzdem ist es noch so, dass viele große Schwierigkeiten haben, zum Beispiel Kredite zu bekommen. Da haben wir noch eine ganze Menge Arbeit vor uns.

Warum brauchen wir Social Entrepreneurs?

Das Besondere sind die Gründerinnen und Gründer, die in diesem Bereich unterwegs sind. Das sind oft wirklich Menschen, die für ein Thema brennen. Der Sozialpädagoge, der ein neues Konzept entwickelt hat zur Förderung von sozial schwachen Jugendlichen. Der Gynäkologe, der eine Methode entwickelt hat, um früh Brustkrebs zu erkennen. Das sind Menschen von Fach, die einen neuen Lösungsweg entwickelt haben und diesen verbreiten wollen.

Der Zauber liegt für mich darin, diese Fachkenntnis dann zu kombinieren mit dem wirtschaftlichen Teil. Also wirklich ein Business aufzubauen, das langfristig und nachhaltig funktionieren kann. Ohne dauerhaft auf Spenden und Zuschüsse angewiesen zu sein.

Denken Sie, solche Unternehmensmodelle wird es in Zukunft mehr geben?

Ich glaube, da gibt es ein riesiges Potenzial in Deutschland. Es gibt natürlich die großen Vorreiter wie Wikipedia, die vormachen, wie es geht. Und dann gibt es immer mehr Menschen, die ihren Arbeitgeber aussuchen mit der Frage im Kopf: Macht das Sinn, was ich hier mache? Trage ich dazu bei, dass die Welt ein Stück besser wird? Und ich glaube und hoffe, dass das auch bei Gründern immer stärker wird. Dass sie sich fragen: Mache ich jetzt die zehnte Taxi-App oder gucke ich, wo ich im Bereich Klima oder Soziales etwas entwickeln kann, was wirklich hilft? – mit dem Ziel, dabei trotzdem ehrgeizig und erfolgreich zu sein. Das wird es in Zukunft immer mehr geben, da bin ich sicher. Und damit es das geben kann, muss es von Seiten der Politik Investitionen geben.

Über Robert Greve

Robert Greve ist Geschäftsführer des Berliner Sozialunternehmens Studio2B, das seit 2012 Konzepte für die digitale Berufsbildung und -orientierung entwickelt. Insgesamt ist Robert Greve schon seit 13 Jahren im Bereich Sozialunternehmen unterwegs. Er hat unter anderem den Verein „Studenten machen Schule“ und die SViM Bildung Unternehmensgesellschaft mitgegründet. Für sein Engagement als Social Entrepreneur wurde er mehrfach ausgezeichnet.

(jk)

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