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Planspiel: Interviews Fraktionsvorsitzender für vier Tage

Die „Bewahrungspartei“, die „Gerechtigkeitspartei“ und die „Partei für Engagement und Verantwortung“: So heißen die fiktiven Parteien im Planspiel „Jugend und Parlament“, wobei die "Bewahrungspartei" in der Opposition ist. Die Fraktionsvorsitzenden erklären, wofür sie stehen.

3 junge Männer

Drei Fraktionsvorsitzende auf Zeit. © DBT/Stella von Saldern

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Nico hat sich für das Planspiel den fiktiven Namen Niklas Kaumer gegeben. © DBT/Stella von Saldern

Nico alias Niklas Kaumer, Fraktionsvorsitzender der Partei für Engagement und Verantwortung

Sie sind Fraktionsvorsitzender der PEV. Warum fiel die Wahl auf Sie?

Wir haben uns zunächst in unseren drei Landesgruppen beraten. Jede der drei Landesgruppen hat dann jeweils eine weibliche Bewerberin und einen männlichen Bewerber für das Amt des Fraktionsvorsitzes nominiert. Eine paritätische Doppelspitze war uns wichtig. Am Ende konnte ich mich dann in einer Stichwahl durchsetzen, weil ich auf Kompromiss, auf Geschlossenheit und auf eine gemeinschaftliche Meinung innerhalb der Fraktion setze.

Dienstag wird im Plenum über einen Gesetzentwurf abgestimmt, der das aktive Wahlrecht ab 16 Jahren fordert. Wie steht Ihre Fraktion dazu?

Wir haben als Partei eigentlich ganz andere Vorstellungen. Wünschenswert wäre es für uns, das Alter auf 0 herunterzusetzen. Wir müssen da aber nach Kompromissen suchen, schließlich ist unser Koalitionspartner davon nicht überzeugt. Wir haben uns im Regierungsbündnis mit der GP deshalb auf das aktive Wahlalter ab 16 Jahren geeinigt. Da gehen wir jetzt geschlossen rein und versuchen, Mehrheiten zu finden.

Die Bundesregierung möchte sich an einem Einsatz in Sahelien in Afrika beteiligen. Warum steht Deutschland in der Verantwortung?

Die Bundesregierung möchte vor allem für Sicherheit in der Region sorgen – das ist die oberste Priorität. Und das stützen wir als Fraktion. Wir möchten uns auch dafür engagieren, dass die dortigen Streitkräfte und Polizeiorganisationen schnellstmöglich so ausgebildet werden, dass sie selbstständig agieren und unsere Soldaten wieder abgezogen werden können. Wir fächern das aber sehr breit: es sind in die Mission zum Beispiel auch Entwicklungshilfen mit eingeplant. Jetzt hoffen wir, dass wir einen möglichst breiten, interfraktionellen Konsens finden – die Bundeswehr ist eine Parlamentsarmee, da scheint es mir wichtig, dass man sich in der Breite einig wird, auch aus Respekt vor unseren Soldatinnen und Soldaten.

In Wirklichkeit bist du gar kein Berufspolitiker, sondern spielst eine Rolle in einem Planspiel. Könntest du dir nach den bisherigen Erfahrungen hier vorstellen, selbst Berufspolitiker zu werden?

Den Anspruch, irgendwann mal Ämter zu besetzen, habe ich natürlich; Politik ist eine große Leidenschaft von mir. Ich selbst komme aus Bayern und bin Mitglied der Jungen Union. Ich bin aber jemand, der klein anfangen will. Der Abgeordnete, der mich für das Planspiel im Bundestag nominiert hat, Stefan Müller (CDU/CSU), hat mal gesagt, dass man es deutlich merkt, ob ein Bundestagsabgeordneter schon mal in einem Gemeinde- oder Stadtrat saß oder nicht. Oft wissen diejenigen, die nicht dort angefangen haben, nämlich nicht genau, wie sich ihre Entscheidungen letztendlich tatsächlich auswirken.

Was hat dich bis jetzt am meisten überrascht?

Am meisten hat mich überrascht, wie groß das Planspiel ist. Es ist total interessant zu sehen, wie viele Meinungen hier aufeinandertreffen und dass die anderen Jugendlichen tatsächlich auch aus allen möglichen Regionen und gesellschaftlichen Schichten stammen. Es ist aber toll zu sehen, wie gut wir dennoch zusammenarbeiten, obwohl wir alle so unterschiedlich sind, auch wenn es manchmal richtig hitzig und deftig zugeht. Mir macht es auch sehr viel Spaß, hier einmal Meinungen zu vertreten, die ich persönlich eigentlich nicht unbedingt teile. Das fördert das Verständnis für die andere Position.

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Im Planspiel: Jakob Flume, 45. Im echten Leben: David, 17. © DBT/Stella von Saldern

David alias Jakob Flume, Fraktionsvorsitzender der Bewahrungspartei

Sie wurden zum Vorsitzenden der Fraktion der Bewahrungspartei gewählt. Wofür steht Ihre Partei?

Die Bewahrungspartei steht für klassische konservative Werte. Zum Beispiel Familie, Zusammenhalt, Vertrauen. Das sind für uns wichtige Themen.

Dienstag wird im Plenum über einen Gesetzentwurf abgestimmt, der das aktive Wahlrecht von Geburt an fordert. Wie steht Ihre Fraktion dazu?

Das sehen wir sehr kritisch. Wir glauben, dass das verfassungstechnisch schwer umzusetzen ist. Und letztendlich denken wir auch, dass ein Fünfjähriger nicht imstande ist, seine Stimme genauso reflektiert abzugeben wie ein 30-Jähriger – oder auch ein 18-Jähriger, der schon Lebenserfahrung mitbringt und politisch in seiner Schule oder im sonstigen Umfeld gebildet wurde. Deshalb glauben wir, dass gerade jüngere Leute noch nicht in der Lage sind, so komplexe Entscheidungen zu treffen, wie das bei einer Wahl nötig ist. Aber wir sind zum Beispiel offen dafür, ein Familienwahlrecht einzuführen, bei dem die Eltern für ihre Kinder wählen und sie langsam an die Politik heranführen können.

Einen weiteren Gesetzentwurf der Regierung zur Reduzierung von Plastikmüll lehnen Sie ab. Warum?

Die Regierungskoalition fordert ja, Pfand oder eine Leihgebühr für Kaffeebecher zu verlangen. Dem stehen wir eher ablehnend gegenüber. Weil wir finden: Man muss ein Grundvertrauen in den Wähler haben, der einem ja ermöglicht, hier im Bundestag zu agieren. Wir sollten ihm nicht Misstrauen entgegenbringen, sondern Vertrauen. Wir sollten an die Eigeninitiative der Bürger glauben.

In Wirklichkeit bist du gar kein Berufspolitiker, sondern spielst eine Rolle in einem Planspiel. War es schwer, sich in diese Rolle einzufinden?

Ja, das war schon erst mal schwer. Mich hat ein FDP-Abgeordneter aus NRW für das Planspiel nominiert. Ich dachte eigentlich, dass ich dann auch in das Pendant, in die liberale Fraktion gesteckt werde. Und jetzt bin ich bei den konservativen Bayern gelandet. Das war – na ja, kein Schock, aber eine Herausforderung. Aber ich habe sie angenommen. Es macht tatsächlich richtig Spaß, mal eine andere Rolle zu spielen und die Klischees, die man im Kopf hat, ein bisschen auszuleben.

Was war bis jetzt dein größter Aha-Moment?

Das war meine Wahl zum Fraktionsvorsitzenden. Ich hatte mich aufstellen lassen zum Landesverbandsvorsitzenden von Bayern und hatte dann auch die Möglichkeit, für den Fraktionsvorsitz zu kandidieren. Nach einer Stichwahl bin ich das geworden. Das war natürlich toll: Man kennt die Leute erst zwei Stunden und bekommt das Vertrauen entgegengebracht, 130 Abgeordnete vertreten zu dürfen. Ich hoffe, dass wir am Ende als Fraktion ein gutes Ergebnis erzielen, das uns als Fraktionsspitze bestätigt.

Ich wünsche mir, dass wir unsere Argumente überzeugend rüberbringen, so dass zum Beispiel die Zuschauer auf den Rängen sagen: Stimmt, hätte ich auch so gemacht. Darum geht’s ja: Die Zuschauer, die Wähler zu überzeugen.

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Tobias heißt als Abgeordneter Thomas Fürst und ist 39. © DBT/Stella von Saldern

Tobias alias Thomas Fürst, Fraktionsvorsitzender der Gerechtigkeitspartei

Als Fraktionsvorsitzender der Gerechtigkeitspartei sind Sie erst seit kurzem im Amt. Mit welcher Agenda sind Sie zur Wahl angetreten?

Wir wollen gemeinsam stark sein. Wir wollen als Fraktion und mit unserem Koalitionspartner zusammen unsere Positionen als Gesetzentwürfe formen. Das ist mir als Fraktionsvorsitzender sehr wichtig. Bei der Wahl gestern gab es einige Debatten und es hat sich gezeigt, dass sich die durchgesetzt haben, die auf Gemeinsamkeit gesetzt haben. Wir haben ja eine Doppelspitze und viel über Parität gesprochen – auch in der Sitzverteilung. Wir wollen nicht, dass sich wie bei der BP ein paar Herren breitbeinig aufstellen und die Frauen als nettes Zierobjekt beigefügt werden. Wir wollen Parität. Das ist uns in der Gerechtigkeitspartei sehr wichtig.

Chancengleichheit ist ein Kernthema Ihrer Partei. Wie schätzen Sie die Diskriminierungslage auf dem deutschen Arbeitsmarkt ein? Gibt es Handlungsbedarf?

Das ist mein Schwerpunktthema und ich sehe da auf jeden Fall Handlungsbedarf. Unser Motto ist: Fairness. Wir wollen einen fairen Bewerbungsprozess. Deshalb wollen wir – wie es etwa in Frankreich oder Belgien schon üblich ist – eine neutrale Bewerbung haben. Die Bewerber sollen nicht aufgrund ihres Geschlechts oder ihrer Religion oder dergleichen bewertet werden.

Dienstag wird im Plenum über einen Gesetzentwurf abgestimmt, der das aktive Wahlrecht von Geburt an fordert. Wie steht Ihre Fraktion dazu?

Unsere Fraktion hat eine Abstimmung dazu gemacht: Wir wollen das Wahlalter ab 16. Mal schauen, ob es in der Bewahrungspartei da Möglichkeiten gibt. Die sind sehr verfahren, weil sie sehr konservativ sind – und auch ein bisschen beleidigt, dass sie in der Opposition sind. Mal sehen, ob wir da Mehrheiten zusammen bekommen.

In Wirklichkeit bist du gar kein Berufspolitiker, sondern spielst eine Rolle in einem Planspiel. Wie sehr identifizierst du dich mit dieser Rolle?

Mit dem Fraktionsvorsitz kann ich mich ganz gut identifizieren. Einige wollten dieses Amt von Anfang an. Das war bei mir nicht so. Wir hatten in unserer Landesgruppe eine sehr gute Diskussion, aus der ich dann als Vorsitzender hervorging. Wie gesagt: Mir ist das gemeinsame Agieren wichtig, das stärkt ja dann auch die Positionen und den Machterhalt.

Inhaltlich kann ich mich mit der Gerechtigkeitspartei auch gut identifizieren. Das ist das, was ich privat auch gut finde. Deshalb war’s ein glücklicher Zufall, dass ich in diese Fraktion gekommen bin.

Was hat dich im Bundestag bis jetzt am meisten beeindruckt?

Wie intensiv dieser Job des Fraktionsvorsitzenden ist. Man ist ein Manager, wie ein Firmenchef, der den ganzen Laden zusammenhalten muss. Wir sind gestern beide müde ins Bett gefallen. Die anderen sind noch weggegangen, aber wir konnten einfach nicht mehr. Wir haben wirklich zu tun, die Mehrheiten zu organisieren und den Überblick zu behalten. Das ist ein Fulltime-Job.

(DBT/ls/jk)

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