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Studium und Bafög „Fühlte mich manchmal wie eine Bettlerin“

Yeganeh ist 23 und bezog Bafög. Ohne die staatliche Sozialleistung hätte sie nicht studieren können. „Dafür bin ich dankbar“, sagt sie. Es sei aber nicht immer leicht gewesen: „Die Bürokratie kann einen schon in den Wahnsinn treiben.“

Das Bild besteht aus zwei Teilen: Links auf dem Bild ist ein Gebäude der LMU München zu sehen, leicht unscharf, rechts ist Yeganeh abgebildet, sie sitzt in einem Festzelt auf dem Münchener Oktoberfest

Der Bafög-Antrag war eine ganz schöne Herausforderung, findet Yeganeh. „Selbst als Abiturientin fiel es mir schwer, das Bürokratiedeutsch zu verstehen.“ © shutterstock/Francisco Javier Diaz/ privat

Im Herbst 2018 war es soweit: Nachdem ich ein Jahr zuvor die Schule beendet hatte, ging das Studium für mich los. Als gebürtige Hamburgerin hatte ich beschlossen, mich in den Süden aufzumachen und in München Germanistik zu studieren. Meinem neuen Leben als Studentin stand eigentlich nichts mehr im Weg. Vielleicht noch der eine oder andere Antrag, denn meine Familie konnte mir ein Studium in einer fremden Stadt nicht bezahlen. Ich musste mich also um die Studienfinanzierung kümmern. Aber das sollte dank Bafög eigentlich kein Problem sein, dachte ich.

Der erste Stapel Papiere …

Am Anfang war der Stapel Papiere, die ich für den Antrag ausfüllen musste, noch einigermaßen überschaubar. Doch mit der Zeit sammelten sich immer mehr Formulare an und die Fristen, die ich einzuhalten versuchte, fühlten sich immer erdrückender an. Die deutsche Bürokratie kann erbarmungslos sein, das habe ich schnell gelernt.

Ich wusste bereits, dass ich für mein Studienfach Germanistik problemlos einen Studienplatz erhalten würde, denn dieses Fach ist an der Ludwig-Maximilians-Universität zulassungsfrei. Im Frühjahr 2018 setzte ich mich also das erste Mal mit dem Bafög-Antrag auseinander. Ich druckte alle erforderlichen Dokumente aus und machte mich daran, alle Unterlagen zusammenzusuchen. Bis dahin hatte ich mich noch nie genauer mit Finanzen auseinandergesetzt, doch nun schlug ich Begriffe wie „Kapitalerträge“ nach. Alle Texte waren in kompliziertem Bürokratiedeutsch formuliert. Selbst als Abiturientin fiel es mir schwer, sie zu verstehen.

Angst vor Fehlern im Antrag

Ich erinnere mich noch genau an das flaue Gefühl im Magen, als ich begriff, wie schwierig es sein würde, diese Anträge korrekt auszufüllen. Aber durch Fehler würde sich die Auszahlung verzögern und ich stünde zum Studienbeginn im Oktober mit nichts da. Gleichzeitig fiel mir auf, dass ich die Anträge gar nicht komplett ausfüllen konnte, da einige Nachweise, die ich dringend brauchte, zu diesem Zeitpunkt noch nicht vorlagen.

Mein Mut sank von Seite zu Seite. Ich begriff beim besten Willen nicht, warum das Studentenwerk das Einkommen meiner Schwester einsehen wollte. Welchen Unterschied machte es, ob sie einen Nebenjob ausübte? Welchen Einfluss hatte das auf meine Förderung? Würden solche Einkommenserklärungen mein Bafög verringern? Ich musste unheimlich viel einreichen: die Einkommenssteuererklärung meiner beiden Eltern, ihr Hochzeitsdatum, einen Nachweis meines Kontostandes, der genau dem Datum des Antrags entsprach und meine eigenen Vermögenswerte.

Eigentlich wollte ich doch nur studieren und ich fragte mich zunehmend, wem diese strikte Genauigkeit nützen sollte. Eins steht jedenfalls für mich fest: Wer sich erfolgreich durch diesen Nachweis-Dschungel gekämpft hat, hat schon ein eigenes kleines Studium abgeschlossen.

Umzug nach München – ohne Bewilligung

Im Oktober 2018 bin ich dann nach München gezogen – ohne einen Bescheid über mein Bafög bekommen zu haben. Immerhin hatte ich in den Monaten zuvor durch einige Minijobs etwas Geld ansparen können.

Für den fehlenden Bescheid gab es eine einfache, aber ärgerliche Erklärung: Das Studentenwerk benötigt eine Immatrikulationsbescheinigung für die Bearbeitung des Antrags. An der LMU München erfolgt die Einschreibung für zulassungsfreie Fächer aber erst Mitte September. Das Timing ging also nicht auf. Mein Bescheid erreichte mich ich erst im November und das erste Geld wurde Anfang Dezember ausgezahlt. Zu diesem Zeitpunkt war das Wintersemester schon fast abgeschlossen.

Ausgaben: Essen, Bücher, Wohnen

Immerhin wurde mir ein hoher Betrag von 510 Euro zugesprochen. Tatsächlich habe ich von Studierenden gehört, denen das Studentenwerk nur schlappe 10 Euro bewilligte. Ich konnte mich also glücklich schätzen. Ich hatte ein Zimmer in einem Studentenwohnheim gefunden, für das ich nur 210 Euro im Monat bezahlen musste. Andere Wohnheime verlangten häufig mehr als 300 Euro für ein kleines Zimmer.

Zu Beginn meines Einzuges summierten sich hingegen plötzlich unerwartete Kosten. Ich musste einen einmaligen Pflichtbeitrag in Höhe von 75 Euro an mein Wohnheim zahlen, erste Kursbücher kaufen, das Semesterticket in Höhe von 195 Euro bezahlen und noch einige andere Besorgungen tätigen.

Aber weil ich ein sehr enthaltsamer Mensch bin und versuche, nicht zu viel zu konsumieren und unnötige Kleinigkeiten anzuschaffen, hielten sich meine sonstigen Ausgaben in Grenzen. Kleidung kaufte ich günstig und nur, wenn es nötig war. Ich bin selten in den Semesterferien weggefahren, auch zu meiner Schulzeit sind wir nie viel in den Urlaub gefahren, sodass ich ganz gut darauf verzichten konnte. Beim Essen versuchte ich so gut es ging, meine Ausgaben für die wöchentlichen Einkäufe und die Mensa im Auge zu behalten. Ich kaufte fast ausschließlich in billigen Supermärkten ein. Außerdem konnten wir Studierende in München froh sein, dass die Mensen eine breite Auswahl an Essen anbot; die Gerichte waren immer lecker und abwechslungsreich.

Bafög: Frust und Dankbarkeit

Ich bin dankbar, dass ich Bafög in Anspruch nehmen konnte. Nur durch diese staatliche Hilfe konnte ich in eine andere Stadt ziehen. Trotz der anfänglichen Schwierigkeiten mit dem Studentenwerk habe ich eine ausreichende Menge Geld zum Leben erhalten, die es mir ermöglichte, mein Studium in der Regelstudienzeit abzuschließen.

Und trotzdem würde ich mir mit dem Wissen der letzten Jahre heute zweimal überlegen, ob ich mich für das Studium wirklich auf Bafög verlassen und mir den Stress antun würde. Es gab Momenten, in denen ich mich beim Studentenwerk wie eine Bettlerin fühlte – das war kein schönes Gefühl.

Ich finde, dass während der langen Wartezeiten bis zur Bewilligung sichergestellt werden sollte, dass die Studierenden ihre Ausgaben bereits decken können. Dass die Bundesregierung die Bafög-Zahlungen erhöhen will, sehe ich als gutes Zeichen. Aber es geht meiner Meinung nach nicht nur um die Höhe der Beträge. Genauso wichtig finde ich es, dass mehr Studierende überhaupt Zugang zu Bafög bekommen.

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