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Hessen „Ausbildungsplätze werden zurückgezogen“

Daniel Heinz

Zelal ist 16 und schreibt gerade ihre Zentralen Abschlussprüfungen an einer Realschule in Gießen. Warum ihr das Lernen zuhause zwischen Klassen-Corona-Chats und Zukunftssorgen nicht leichtgefallen ist, hat sie Daniel erzählt.

Junge Frau am Smartphone

Zelal beim täglichen Corona-Chat mit den Klassenkameraden. © privat

Hallo Zelal, wie laufen die Prüfungsvorbereitungen bei dir?

Es läuft leider nicht so gut. Wir Abschlussklassen hatten bis Ende April Online-Unterricht. Uns wurde aber gesagt, dass sich das nicht auf unsere Benotung auswirken wird. Deswegen war die Beteiligung am Online-Unterricht und mit den Abgaben nicht besonders hoch.

Außerdem war die Online-Verbindung meistens nicht besonders gut. Ich habe entweder die anderen nicht gut verstanden oder sie mich nicht. Wir hatten von einem Tag auf den anderen plötzlich einen Shut-Down, worauf wir uns gar nicht vorbereiten konnten. Unsere Jahrgangsgruppe hat auf WhatsApp täglich über Corona diskutiert, da blieb wenig Platz für Tipps und Tricks zu den ZAPs (Zentrale Abschlussprüfungen).

Was hat sich für dich jetzt an deinem Abschluss konkret verändert?

Ich hätte mir meinen Abschluss lustiger vorgestellt. Corona hat uns sozusagen alles Positive am Abschluss genommen und nur die Prüfungen gelassen. Wir haben keine Motto-Woche, keine Abschlussfahrt, keinen Abschlussstreich und keine Zeugnisvergabe. Alles, was Spaß macht, und worauf man sich die ganze Schulzeit gefreut hat, ist auf einmal weg.

Seit der 10. Klasse hatten wir ein Komitee für die Abschlussfeier und die Abschlussfahrt, aber beides wurde abgesagt. Und die Abschlussfeier wollten wir uns durch Vor-Ticketverkäufe, Trödelmärkte und Waffelverkauf finanzieren, was jetzt auch alles nicht möglich ist. Wir bleiben vermutlich sogar auf der vorbezahlten Raummiete für unsere Abschlussparty sitzen.

Ganz schwierig ist, dass viele meiner Mitschüler Probleme haben, Ausbildungsplätze zu finden oder schon zugesagte Ausbildungen zurückgezogen wurden. Einige haben deswegen schon überlegt, die 10. Klasse zu wiederholen, um bessere Chancen zu haben – und einen schönen Abschluss mit Feier und Übergabe.

Wie hast du dich bisher auf deine Prüfungen vorbereitet?

Wir konnten ja keine Lerngruppen bilden und nur über Zoom oder andere Apps arbeiten. Außerdem hat die Familie zuhause gestört. Das war kein gutes Lernumfeld. Es lag auch die ganze Corona-Zeit über eine komische Stimmung in der Luft. Die Panikmache durch das Hamstern, die vielen Diskussionen und die Sorgen meiner Eltern haben mich auf jeden Fall abgelenkt. Immerhin: Zum Glück gibt es viele gute Videos auf YouTube, die einen auf die Abschlussprüfungen vorbereiten.

Wie laufen die Abschlussprüfungen bei euch ab?

Wir müssen um 8.15 Uhr auf dem Schulhof sein, obwohl die Prüfung erst nach 9 Uhr beginnt. Dann werden wir in unseren Kursen mit Mindestabstand aufgereiht und anschließend nacheinander mit unseren Namen reingerufen. Dann verteilen sie uns so auf die Räume, dass nur jeder dritte Tisch besetzt ist. Wir müssen auch unsere eigenen Stifte mitbringen und unsere Hände sofort desinfizieren, wenn wir reinkommen. Wenn man einem Mitschüler näherkommt als 1,5 Meter, wird das als Regelverstoß gewertet und führt zum Nichtbestehen.

Wenn du Bildungsministerin in Hessen wärst, was würdest du machen?

Ich würde definitiv den Durchschnitts-Abschluss einführen. Wir werden ja sowieso immer der Corona-Jahrgang bleiben. Ausbildungsbetriebe hätten bestimmt Rücksicht darauf genommen, dass Prüfungen nicht normal stattfinden konnten. Ein Abschluss basierend auf unserem bisherigen Noten-Durchschnitt hätte uns viel Stress genommen.

Zur Person

Portraitbild von mitmischen-Autor Daniel Heinz
mitmischen-Autor

Daniel Heinz

... (25) arbeitet in der queeren und rassismuskritischen Bildungsarbeit, unter anderem für die Bildungsstätte Anne Frank. Ansonsten ist Daniel dafür bekannt, das beste Pfannkuchen-Rezept in Berlin zu haben.

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