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Vor 80 Jahren Überfall auf die Sowjetunion

Laura Heyer

Am 22. Juni 1941 überfielen deutsche Soldaten und ihre Verbündeten die damalige Sowjetunion. Dem „Vernichtungskrieg“ der Nationalsozialisten fielen über 25 Millionen Menschen zum Opfer. Daran haben die Abgeordneten aller Fraktionen im Bundestag erinnert.

drei Kerzen auf einer Mauer

Am 22. Juni 2021 jährte sich der Überfall der Nationalsozialisten auf die Sowjetunion zum 80. Mal. © picture alliance/dpa | Andreas Arnold

Mit dem deutschen Überfall auf Polen begann am 1. September 1939 der Zweite Weltkrieg. Zwei Jahre später setzte das Deutsche Reich unter der Führung von Adolf Hitler seinen sogenannten Vernichtungskrieg im Osten fort. Am 22. Juni 1941 begann das „Unternehmen Barbarossa“ - benannt nach dem deutschen Kaiser und Kreuzfahrer Friedrich I. – der Überfall auf die damalige Sowjetunion.

In einer Debatte am 9. Juni haben Abgeordnete aller Fraktionen der Opfer des Krieges gedacht und an die Vorfälle erinnert. Und auch die diesjährige Jugendbegegnung des Deutschen Bundestages beschäftigt sich anlässlich der Geschehnisse vor 80 Jahren mit dem Krieg im Osten.

Alles geplant

Der Feldzug im Osten war als „Vernichtungskrieg“ geplant. Aus der ideologischen Sicht der Nationalsozialisten ging es darum, ihre Weltanschauung und ihre Idee von „Rasse“ mit aller Macht auf der Welt umzusetzen. Gegenüber der deutschen Öffentlichkeit versuchte die Regierung, den Überfall als eine vorbeugende Maßnahme gegen die unmittelbare Bedrohung durch den "jüdischen Bolschewismus" darzustellen. Denn der Hass gegen Juden und gegen die Weltanschauung des Marxismus, der im Osten Europas vorherrschte, waren zentrale Aspekte des Nationalsozialismus.

Im Vordergrund des zweiten Weltkrieges stand die Eroberung von "Lebensraum" sowie die wirtschaftliche Ausbeutung der eroberten Gebiete und der dort lebenden Menschen als Zwangsarbeiter. Dabei war die Ermordung der jüdischen Bevölkerung und der sowjetischen Führungsschicht von Anfang an vorgesehen.

Bereits im Mai 1941 wurden per Erlass wichtige Regeln der Militärgerichtsbarkeit im Umgang mit der Zivilbevölkerung in den besetzten Gebieten außer Kraft gesetzt. Das hieß: Menschen konnten ohne einen Gerichtsprozess verurteilt und erschossen werden. Deutsche Soldaten wiederum wurden nicht bestraft, wenn sie Verbrechen an der Zivilbevölkerung begingen.

Der Wendepunkt

Der sowjetische Diktator Josef W. Stalin hatte, trotz eindeutiger Hinweise seiner Geheimdienste, nicht an einen Angriff Deutschlands geglaubt und seine Truppen nicht mobilisiert. So konnte die deutsche Wehrmacht vom Überraschungsmoment profitieren und schnell nach Osten vordringen. Schon nach vier Monaten waren die Stadtgrenzen Moskaus erreicht.

Im Winter 1941 geriet der deutsche Vormarsch jedoch ins Stocken. In der Erwartung einer schnellen Entscheidung waren die deutschen Verbände nicht ausreichend mit winterfester Kleidung ausgestattet worden. Schon bald starben mehr Soldaten an Erfrierungen als in Kampfeinsätzen.

Das Ende

Spätestens die Niederlage von Stalingrad, dem heutigen Wolgograd, heute eine Millionenstadt in Russland, markierte den Wendepunkt des Krieges. Die Wehrmacht zog sich in einem dreijährigen Feldzug vor der personell und materiell weit überlegenen Roten Armee zurück. Über 25 Millionen Menschen aus der Sowjetunion starben im Krieg gegen das Deutsche Reich. Der Krieg dauerte bis zur Kapitulation am 8. Mai 1945.

Der Überfall auf die Sowjetunion ging als "Großer Vaterländischer Krieg" in die sowjetische Geschichtsschreibung ein. Seitdem wird der Sieg über Nazideutschland jährlich mit einer Militärparade in Moskau gefeiert.

Das sagen die Abgeordneten

Mit dem Überfall auf die Sowjetunion habe das „mörderischste Kapitel“ des Vernichtungskrieges im Osten Europas begonnen, der mit dem Überfall auf Polen zwei Jahre zuvor im September 1939 seinen Anfang genommen habe, sagte Außenminister Heiko Maaß (SPD) in seiner Rede.

Es grenze an ein Wunder, dass diese Länder den Deutschen die Hand zur Versöhnung gereicht hätten. Für diese Aussöhnung dürfe es „nie einen Schlussstrich geben“. (…) Deutschland müsse deshalb seine Kraft für den Frieden und die Freiheit auf dem ganzen europäischen Kontinent einsetzen.

Kritik an Russland

Diese Ansicht teilten auch alle anderen Fraktionen. Der AfD-Fraktionsvorsitzende Dr. Alexander Gauland verurteilte den „Vernichtungskrieg im Osten“. Dieser habe den preußischen Militärtraditionen der Wehrmacht fundamental widersprochen.

Auch der Unionsabgeordnete Dr. Johann David Wadephul betonte die historische Verantwortung Deutschlands angesichts der Verbrechen im deutschen Namen. „Wir verneigen uns in Demut und bitten um Verzeihung“, betonte er. Gleichzeitig kritisierte er jedoch die aktuelle Politik Russlands gegenüber der Ukraine. Dort besetzt das Land seit 2014 die Halbinsel Krim.

In diesem Sinne argumentierte auch der FDP-Parlamentarier Alexander Graf Lambsdorff. Die Souveränität der Ukraine müsse geschützt werden. Dies sei eine Lehre aus der Vergangenheit. Ebenso wie der SPD-Abgeordnete Carsten Schneider erinnerte Lambsdorff an die Blockade Leningrads zwischen 1941 bis 1944, der mehr als eine Million Menschen zum Opfer gefallen seien.

Anders gedenken

Der Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion, Dr. Dietmar Bartsch, bezeichnete den Überfall auf die Sowjetunion als eines der größten Verbrechen in der Geschichte, „das von deutschem Boden ausging“. Er sei „beschämt“, dass weder die Bundesregierung noch der Bundestag zum 80. Jahrestag des Überfalls ein „offizielles Gedenken“ anberaumt hätten. Dies sei „geschichtsvergessen“.

Claudia Roth (Bündnis 90/Die Grünen) führte an, dass die Opfer des Russlandfeldzuges und des „Rassenwahns“ der Nationalsozialisten in der Sowjetunion in der Erinnerungspolitik der Bundesrepublik lange Zeit keine Rolle gespielt hätten. Wegen der Spaltung Europas „kamen sie unter die Räder des Kalten Krieges“, sagte Roth. Sie selbst habe darüber im Geschichtsunterricht kaum etwas erfahren.

Die ganze Debatte könnt ihr euch auch auf bundestag.de anschauen.

(lh)

Zur Person

Mitmischen-Autorin

Laura Heyer

hat in Heidelberg Geschichte studiert, in Berlin eine Ausbildung zur Journalistin gemacht und ist dann für ihre erste Stelle als Redakteurin nach Hamburg gegangen. Dort knüpft sie nun Netzwerke für Frauen. Aber egal wo sie wohnt – sie kennt immer die besten Plätze zum Frühstücken.

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