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Bevölkerungsschutzgesetz Corona: Werkzeugkasten für die Länder

Laura Heyer

Der Bundestag hat kürzlich das dritte Bevölkerungsschutzgesetz beschlossen. Das betrifft uns alle, denn es geht um Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie. Was es genau damit auf sich hat, erklären wir hier.

Atemmaske auf Schreibtisch

Maske tragen, Hände desinfizieren, Abstand halten - all das sind Regeln zum Schutz vor Corona. Für die Maßnahmen gibt es jetzt eine neue rechtliche Grundlage.©shutterstock

Worüber wurde abgestimmt?

Wir tragen Masken im Supermarkt und in der Schule, treffen weniger Freunde, Cafés und Restaurants sind geschlossen – und das alles wegen Corona. Aber wie kommen diese Maßnahmen eigentlich zustande und wie lange sollen sie gelten? Darüber gibt es seit Beginn der Pandemie viele Diskussionen in der Öffentlichkeit – und der Politik.

Genau um diese Maßnahmen ging es, als der Bundestag am 18. November das dritte Gesetz „zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite“ beschloss, kurz drittes Bevölkerungsschutzgesetz genannt.

Nach einer äußerst kontroversen Debatte stimmten 413 Abgeordnete für das neue Gesetz, 235 votierten dagegen, 8 enthielten sich. Noch am selben Tag stimmte der Bundesrat mit Mehrheit für das Gesetz und es trat sofort in Kraft.

Das Gesetz ist ein Bündel von Änderungen an mehreren Gesetzen – unter anderem auch am Infektionsschutzgesetz, das besonders im Fokus der Öffentlichkeit stand. Neu ist hier die gesetzliche Basis, auf der die Corona-Maßnahmen aufbauen. Stoßrichtung: Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie müssen zukünftig begründet und befristet werden.

Und warum das Ganze?

Das neue Gesetz soll Maßnahmen der Regierungen von Bund und Ländern rechtssicherer machen. Das soll etwa durch präzise Angaben geschehen, welche Corona-Regeln in welchem Fall erlaubt sind. Das ist wichtig, da es sich bei vielen Regeln um Eingriffe handelt, die die Grundrechte berühren. Beispiele dafür sind etwa das Verbot, sich mit einer größeren Anzahl von Menschen zu treffen oder die Schließung von Restaurants. Die Grundrechte haben aber eine besondere Bedeutung, ihre Einschränkung hat hohe Hürden.

Einige Gerichte hatten in den vergangenen Monaten Corona-Maßnahmen aus rechtlichen Gründen wieder gekippt, etwa, weil sie nicht begründet waren. Zudem kritisierten Politiker und Fachleute, dass der Bundestag und die Landesparlamente bei Entscheidungen über Maßnahmen zu wenig einbezogen worden seien.

Was galt bisher?

Die Vorschriften zur Corona-Bekämpfung bauten bisher auf dem sogenannten Infektionsschutzgesetz (IfSG) auf. Das gibt es schon länger als Corona – und es soll, wie der Name schon sagt, die deutsche Bevölkerung vor Infektionen schützen. Was in solchen Fällen aber genau passiert, stand nur sehr vage im Gesetz. In Paragraph 28 ist die Rede von „notwendigen Schutzmaßnahmen“, die zuständige Behörden treffen könnten.

Das dritte Bevölkerungsschutzgesetz soll die Regeln im Infektionsschutzgesetz nun präzisieren. Dort führt es den Paragraphen 28a ein.

Was heißt das genau?

Der Paragraph listet eine Reihe von Maßnahmen gegen eine Pandemie auf, die getroffen werden können. Dazu zählen neben Maskenpflicht, Abstandsgeboten und Reisebeschränkungen auch Ausgangssperren, Kontaktbeschränkungen oder das Verbot von Veranstaltungen und Gottesdiensten.

Es sind die Bundesländer, die für die Maßnahmen zuständig sind und diese umsetzen. Sie tun dies durch sogenannte Verordnungen. Künftig sind diese grundsätzlich auf vier Wochen befristet und müssen bei einer Verlängerung begründet werden. Außerdem muss der Bundestag regelmäßig informiert werden.

Die Maßnahmen können erlassen werden, wenn eine „epidemische Lage von nationaler Tragweite besteht“, die der Bundestag feststellen und wieder aufheben kann. Das Infektionsschutzgesetz und Paragraph 28a sind also quasi ein Werkzeugkasten für die Länder im Kampf gegen Corona.

Viele Änderungen, viel Kritik

Das dritte Bevölkerungsschutzgesetz ändert aber nicht nur das Infektionsschutzgesetz. Das Paket beinhaltet zudem beispielsweise Regelungen für Ausgleichszahlungen an Krankenhäuser, zu Impfungen und auch Hilfen für berufstätige Eltern.

Die Abgeordneten des Bundestages diskutierten das neue Gesetz sehr kontrovers. In der Anhörung vor der abschließenden Lesung, in der das Gesetz beschlossen wurde, hatten auch einige Juristen Kritik an der ersten Version des Entwurfs geäußert. Sie wünschten sich klarere Vorgaben, welche Maßnahmen genau ergriffen werden dürfen und welche nicht. Die Gesetzesvorlage wurde daraufhin überarbeitet.

Koalition verteidigt Gesetz

In der abschließenden Debatte sagten mehrere Abgeordneten der Koalitionsfraktionen CDU/CSU und SPD, dass der Bundestag nun mehr Einfluss auf die Politik der Regierungen habe.

Die CDU-Gesundheitspolitikerin Karin Maag forderte die Bürger auf, sich selbst eine Meinung zu bilden. „Wir weiten den Spielraum der Bundesregierung nicht aus, wir engen ihn ein.“ Alle Einschränkungen blieben gerichtlich in vollem Umfang überprüfbar.

Auch Bärbel Bas (SPD) sieht deutliche Verbesserungen gegenüber der alten Rechtslage. Bisher habe es im IfSG eine Generalklausel gegeben, die werde jetzt präzisiert. Die nötigen Maßnahmen würden beschränkt, befristet und begründet. Sie fügte hinzu: „Wir müssen im Moment unsere Kontakte reduzieren.“

Auch Manuela Rottmann (Bündnis 90/Die Grünen) begrüßte das Schutzpaket grundsätzlich und sprach von einem gesetzlichen Rahmen für notwendige Eingriffe in die Grundrechte. „Wir legen damit heute die Grundlage dafür, dass gut begründete, evidenzbasierte Maßnahmen auch einer gerichtlichen Kontrolle standhalten“, sagte sie.

Zur Erläuterung: "Evidenzbasiert" heißt, auf der Basis empirisch zusammengetragener und bewerteter wissenschaftlicher Erkenntnisse.

Heftige Kritik von der AfD

Nach Ansicht von AfD-Fraktionschef Alexander Gauland haben die gesetzlichen Regelungen zu einem Vertrauensverlust in der Bevölkerung geführt. Das IfSG stehe für die größte Grundrechtseinschränkung in der Geschichte der Bundesrepublik.

„Wir werden noch viele Monate mit dem Virus leben müssen“, sagte Gauland. Die Bürger wüssten das, die Bevölkerung verhalte sich kooperativ und einsichtig. „Dass man sie zusperrt, ist unerträglich, und das läuft auf Diktatur hinaus.“

Die AfD hatte selbst fünf Anträge eingereicht, die alle abgelehnt wurden. Weitere Anträge der Linken und zwei Anträge von Bündnis 90/Die Grünen wurden ebenfalls abgelehnt. Mehr Informationen zu diesen Anträgen finden sich hier.

Auch FDP und Linke sind kritisch

Auch die FDP sah das neue Gesetz kritisch. Indem Maßnahmen wie die Schließung von Restaurants einfach beschlossen und dann wieder in Frage gestellt würden „stellt man das nach wie vor große Vertrauen der Bevölkerung in die Politik unnötig auf die Probe“, sagte Fraktionschef Christian Lindner in der Debatte.

Er betonte: „Wir können und müssen die Entscheidungen der Regierungen lenken und ihnen klare Leitplanken geben, wenn in Grundrechte eingegriffen wird.“ Das neue Gesetz gebe keine Leitplanken vor, sondern stelle einen Freifahrtschein aus.

Jan Korte (Die Linke) kritisierte, die Bundesregierung habe „den Sommer verpennt“, statt die Lage zu analysieren. Es gebe Verbesserungen mit dem Gesetz, aber jeder Eingriff in Grund- und Freiheitsrechte, die so bitter erkämpft seien, bedürfe einer Debatte im Bundestag. Korte mahnte: „Die schreckliche Corona-Krise darf nicht zu einer schleichenden Demokratiekrise werden.“

Alle Anträge der Fraktionen und das Protokoll der Sitzung findet ihr auf bundestag.de. Die Debatte im Video könnt ihr euch hier anschauen.

(lh)

Zur Person

mitmischen-Autorin

Laura Heyer

hat in Heidelberg Geschichte studiert, in Berlin eine Ausbildung zur Journalistin gemacht und ist dann für ihre erste Stelle als Redakteurin nach Hamburg gegangen. Dort knüpft sie nun Netzwerke für Frauen. Aber egal wo sie wohnt – sie kennt immer die besten Plätze zum Frühstücken.

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