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Meinungsbildung Wie mächtig sind Algorithmen?

Algorithmen beeinflussen, welche Inhalte uns im Internet angezeigt werden. Inwiefern das unsere Meinung beeinflusst, hat das Büro für Technikfolgenabschätzung untersucht. Im Plenum wurde über die Ergebnisse diskutiert.

Ein Teenager-Mädchen liegt auf dem Bauch und sieht sich etwas auf dem Smartphone an.

Was wir uns auf sozialen Netzwerken ansehen, hängt auch stark davon ab, welche Vorschläge der Algorithmus macht.© Shutterstock/Peter Snaterse

Wir alle sind täglich im Internet und in sozialen Netzwerken unterwegs. Dabei werden Inhalte und Werbung auf unsere Interessen zugeschnitten. Dahinter stecken Algorithmen, die Daten über das Klickverhalten der Nutzer sammeln und entsprechend passende Inhalte anzeigen.

Die Abgeordneten haben kürzlich im Bundestag über das Thema diskutiert. Anlass dafür war ein Bericht des Büros für Technikfolgenabschätzung (TAB) mit dem Titel „Algorithmen in digitalen Medien und ihr Einfluss auf die Meinungsbildung“.

Algorithmen

Ein Algorithmus ist eine Handlungsvorschrift zur Lösung eines Problems. So kann ein Algorithmus beispielsweise eine Anleitung für einen Computer sein und festlegen, wie der Computer bestimmte Dinge erledigen soll. Diese Anleitung wird von Menschen programmiert.

Im Internet gibt jeder Nutzer mit jedem Klick Auskunft darüber, was ihn interessiert. Algorithmen können diese Daten sammeln und auswerten und dem Nutzer anschließend weitere Inhalte anzeigen, die ihm gefallen könnten. Das bedeutet auch, dass Inhalte, die nicht in das Profil des Users passen, eher nicht ausgespielt werden. Je größer die Datenmenge, die der Algorithmus verarbeitet hat, desto besser passen die ausgespielten Inhalte zum Profil des Nutzers.

Beratende Wissenschaftler

Das TAB ist eine wissenschaftliche Einrichtung, die den Deutschen Bundestag zu Themen aus Technik- und Wissenschaft berät. Es ist an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung angegliedert. Im Rahmen dieser Beratungstätigkeit liefert das TAB Analysen und Gutachten.

Bundestag hat Untersuchung beauftragt

Die großen Onlineplattformen wie Google oder YouTube prägten das Informationsverhalten breiter Teile der Bevölkerung, heißt es in dem Bericht des TAB. Dabei basiere die Auswahl der Meldungen, die Nutzerinnen und Nutzern angezeigt werden, auf algorithmischen Systemen. Die Entscheidungsgrundlage dieser Algorithmen sei oft nicht nachvollziehbar.

Häufig würden große Plattformen mit Problemen wie Desinformation oder Hassrede in Verbindung gebracht, heißt es weiter, Probleme, die die Demokratie gefährden könnten. Vor diesem Hintergrund habe der Deutsche Bundestag – auf Initiative des Ausschusses für Kultur und Medien – eine Untersuchung zu Algorithmen beauftragt.

Die Rolle der Informationsintermediären

Der Bericht beschäftigt sich auch mit sogenannten Informationsintermediären. Das sind Plattformen wie Youtube, Instagram oder Facebook, die selbst keine eigenen Inhalte produzieren, sondern den Nutzern ermöglichen, Inhalte aller Art zu erstellen, zu verbreiten – und zu finden. Diese Plattformen unterscheiden sich von den klassischen Medien, da die Inhalte hier nicht von den Plattformbetreibern redaktionell aufbereitet werden.

Inwiefern diese Intermediäre die Meinungsbildungsprozesse in einer Gesellschaft beeinflussen, ist eine Fragestellung im Bericht. Denn die Plattformen böten die Voraussetzung für großflächige Desinformation, schreiben die Autoren. Und zwar dadurch, dass sie eine algorithmisch personalisierte Vorauswahl für die User treffen. Ob das allerdings tatsächlich wichtige Entscheidungen, wie beispielsweise Wahlen beeinflusse, sei wissenschaftlich nicht belegt.

Mediennutzung in Deutschland

WhatsApp, Facebook und Instagram sind laut Bericht die am häufigsten genutzten sozialen Netzwerke in Deutschland. Außerdem nutzten 66 Millionen Menschen ab 14 Jahren – und damit 94 Prozent der Bevölkerung – das Internet zumindest gelegentlich. Das ergeben Zahlen für das Jahr 2020, auf die der Bericht sich bezieht. Die tägliche Nutzungsdauer habe durchschnittlich circa 3,5 Stunden, bei den unter 30-Jährigen sogar 6,5 Stunden betragen.

Die Autoren des Berichts kommen zu dem Schluss, dass die Effekte, die die algorithmische Vorauswahl auf die Meinungsbildung hat, nicht pauschal beurteilt werden kann. Warum es so schwierig ist, allgemeingültige Aussagen zu dem Thema zu treffen, hat uns auch Britta Oertel vom TAB im Interview erklärt.

SPD: „Richtige Rahmenbedingungen garantieren“

Soziale Netzwerke stünden vor allem bei jungen Menschen mittlerweile im Mittelpunkt der Mediennutzung, betonte Daniel Schneider von der SPD-Fraktion. Die Macht einiger weniger Plattformen sei gigantisch. Es stelle sich daher die Frage, welche negativen Folgen die algorithmischen Verfahren auf unser demokratisches System haben.

Die Kriterien, nach denen Algorithmen die Inhalte auswählen, seien selten transparent, kritisierte Schneider. Das wollen man ändern und so unsachgemäße Einflussnahme auf die Meinungsbildung verhindern. Man befände sich an einem Wendepunkt und wolle jetzt die richtigen Rahmenbedingungen für eine freie Medienlandschaft garantieren. So sollten sich die großen Plattformen mehr im demokratischen Sinne weiterentwickeln.

CDU: „Spaltung der Gesellschaft stoppen“

Das Phänomen der Informationsintermediären sei noch nicht ausreichend erforscht, merkte Christiane Schenderlein von der Unionsfraktion an. Hier bedürfe es weiterer Daten. Zudem betonte sie, dass eine Vorauswahl durch Algorithmen nicht per se auf eine Manipulation ausgelegt sei. Die Chancen würden in der öffentlichen Debatte häufig vernachlässigt, während die Risiken und Probleme sehr präsent seien.

Schenderlein kam auf die Handlungsfelder zu sprechen, die sich für die Politik aus dem Bericht ableiten lassen. Zum Beispiel müsse man dafür sorgen, dass Benutzer ein stärkeres Bewusstsein dafür entwickelten, dass unterbreitete Inhalte einer algorithmischen Auswahl unterliegen würden. Außerdem müsse es eine Möglichkeit zur Abkehr von personalisiertem Content hin zu ungefilterten Inhalten geben. Das Ziel der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sei es, die Spaltung der Gesellschaft zu stoppen. Dazu könne eine Reglementierung von Algorithmen in digitalen Medien ein Schritt sein, so Schenderlein.

Grüne: „Demokratische Mitbestimmung über Algorithmen“

46 Prozent der 18- bis 24-Jährigen nutzten das Internet als einzige Quelle für Informationen über das Weltgeschehen, betonte Erhard Grundl von der Grünenfraktion. Algorithmen hätten somit eine wichtige Funktion für den Zugang zu Nachrichten. Aber man wissen zu wenig über die Kriterien und Quellen der Algorithmen, gab Grundl zu bedenken. So entstünden Handlungsräume für Manipulation. Um dieser entgegenzuwirken, brauche es eine demokratische Mitbestimmung über Algorithmen.

Wenn die Algorithmen demokratischer Kontrolle unterlägen, könnten sie eine Chance sein, Informationen schneller, niedrigschwellig und selbstbestimmter zugänglich zu machen, so Grundl.

FDP: „Richtige Balance finden“

Wie gewährleisten wir künftig die notwendige Technologieoffenheit, ohne Pressefreiheit und Informationsvielfalt weiter zu gefährden? Das sei die entscheidende Frage für Demokraten, sagte Thomas Hacker von der FDP-Fraktion. Aufgabe sei es jetzt, gemeinsam in Europa die richtige Balance zwischen algorithmischer Logik und redaktioneller Autonomie zu finden.

Hacker sprach über Chatprogramme wie ChatGPT, die auf Künstlicher Intelligenz basieren, und betonte, man müsse sich etwa die Frage stellen, ob es eine Kennzeichnungspflicht für automatisch generierte Informationen brauche. Der TAB-Bericht belege, dass man den richtigen medienrechtlichen Rahmen benötige, aber etwa auch eine größere Medienkompetenz notwendig seien.

AfD: „Abhilfe durch nichtstaatliche Aufsicht“

Freier Informationsfluss und freie Meinungsbildung seien den Herrschenden schon immer ein Dorn im Auge gewesen, sagte Martin Erwin Renner von der AfD-Fraktion. Das Internet stünde oft im Widerspruch zu den „zeitgeistigen“ und „regierungsnahen“ Medien, fuhr er fort. Denn diesen Medien begegnete das Internet mit Informationsvielfalt und lebendigem Meinungsaustausch. Potenzial zu Manipulation der öffentlichen Meinung gebe es bei Algorithmen und im „ideologiegesättigten Haltungsjournalismus“, fand Renner. Abhilfe könne man nur durch vollständige Transparenz und nichtstaatliche Aufsicht und Kontrolle schaffen.

Linke: „Staat nicht als oberster Medienkontrolleur“

Der Bericht zeige, dass es noch immer Forschungsbedarf gebe, wenn es um die Wirkung von Algorithmen auf die Meinungsbildung gehe, sagte Petra Sitte von der Linksfraktion. Dazu brauche die Wissenschaft besseren Zugang zu den Daten der Plattformen. Sie kritisierte, dass man profitorientierten Unternehmen eine zentrale Rolle im Medienwandel überlassen habe. Deshalb brauche man nun eine stärkere Regulierung. Die großen Plattformmonopole müssten in ihre Schranken verwiesen werden, so Sitte. Dabei sei es wichtig, dass der Staat sich nicht zum obersten Medienkontrolleur ernenne.

Die komplette Bundestagsdebatte seht ihr hier im Video, das Protokoll findet ihr wie immer auf bundestag.de.

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