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Medien- und Kommunikationsbericht Zeitung oder Youtube?

Wie bildet ihr euch eure Meinung? Und welchen Einfluss hat das Internet darauf? Mit solchen Fragen beschäftigt sich der Medienbericht 2021. Einige Entwicklungen machen der Bundesregierung Sorgen.

Vier Jugendliche liegen und sitzen auf einem Sofa und gucken alle jeweils auf ihr Handy.

Jugendliche nutzen fast ausschließlich das Internet, um sich zu informieren. Das wird auch im Medien- und Kommunikationsbericht 2021 thematisiert. © shutterstock/Fabio Principe

Instagram, Fernsehen, Youtube, Online-Zeitung, Papier-Zeitung, Feed: Die Medienwelt ist bunt, vielfältig – und im Wandel. Kürzlich berieten die Abgeordneten des Bundestages den Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung 2021. Das 132 Seiten dicke Werk gibt einen Überblick über Veränderungen in der deutschen Medienlandschaft. Es stammt vom vergangenen Juni, wurde also noch von der vorherigen Regierung verfasst. Grundlage ist ein wissenschaftliches Gutachten, zu dem unter anderen Medienforscher, Kommunikationswissenschaftler und Medienökonomen Input geliefert haben.

Medienlandschaft im Wandel

Laut Bericht befindet sich unsere Gesellschaft im Wandel, in einem „Transformationsprozess“. Damit ist gemeint, dass sich grundlegende Elemente unserer Gesellschaft im Zusammenhang mit der Digitalisierung verändern, etwa die Nutzung bestimmter Medien, beispielsweise von Zeitungen oder Nachrichten-Sendungen.

Zu diesen Veränderungen gehöre auch, dass einzelne private Plattformen wie Google, Facebook und Twitter den Markt zunehmend dominierten und auch den öffentlichen Diskurs stark beeinflussten. Das stelle eine ernsthafte Herausforderung dar, denn die klassischen Medien wie Radio, Print und Fernsehen verlören so eine wichtige Funktion.

Die Rede ist von der sogenannten „Torwächter-Funktion“. Damit ist Folgendes gemeint: Informationen werden in den klassischen Medien von speziell dafür ausgebildeten Redakteuren ausgewählt, überprüft und bearbeitet. Traditionellerweise übernahmen ausschließlich diese die Aufgabe, zu informieren, einzuordnen und in besonderen Formaten auch zu kritisieren. So waren die vielen unabhängig voneinander arbeitenden Medien am Meinungsbildungsprozess beteiligt.

Informationen: Immer und überall zugänglich

Heute seien Informationen immer und sofort über die Plattformen und ihre Nutzer zugänglich, heißt es in dem Bericht weiter. Klassische Medien agierten deshalb heute als ein Akteur unter vielen auf den Plattformen. Soll heißen: Im eigenen Instagram-Feed stehen beispielsweise die Infos der nach journalistischen Standards arbeitenden Tagesschau-Redaktion neben vielen anderen, also zum Beispiel solchen von sogenannten Influencern, die teilweise nicht nach Standards arbeiten. Die Folge dieser Phänomene sei eine „Veränderung der gesamten Informationsarchitektur“, heißt es in dem Bericht.

Meinungsbildung in Youtube-Kommentarspalten

So sei auch die öffentliche Auseinandersetzung mit bestimmten Themen viel kleinteiliger geworden. Während die Menschen sich früher bildlich gesprochen auf dem Marktplatz unterhielten und diskutierten, treffe man sich heute in der Kommentarspalte unter einem YouTube-Video.

Im Bericht wird auch darauf hingewiesen, dass Plattformen als Unternehmen der Privatwirtschaft eigene Interessen verfolgen – und daher keine neutrale Rolle in der Berichterstattung einnehmen. Der klassische Journalismus, der recherchiert und einordnet, verliere aber neben den vielen anderen Inhalten immer mehr an Bedeutung. Die Frage, wie eine neue Medienordnung aussehen könne, sei eine der wichtigsten Fragen derzeit.

Kommt die neue Super-Mediathek?

Dem Bericht zufolge könnten in Zukunft alternative journalistische Konzepte wichtig werden. Sie werden als „kooperative Medienplattformen“ bezeichnet oder auch als „Spotify für Journalismus“. Was heißt das genau?

Hinter dem Begriff verbirgt sich die Idee, einer Plattform, auf der sich verschiedene Medien zusammenschließen und Inhalte gemeinsam anbieten könnten, zum Beispiel in Form einer „Super-Mediathek“. Nutzer würden ein Abo zahlen und auf alle Inhalte zugreifen können – ähnlich wie es bei Streaming-Anbietern wie Netflix der Fall ist. Hierbei könnten sogar Medien zusammenarbeiten, die eigentlich in Konkurrenz zueinanderstehen, etwa öffentlich-rechtliche Rundfunksender und Privatsender. Mehr zu diesen neuen Ideen hat uns der Medienforscher Frank Lobigs im Interview erklärt.

Den vollständigen Medien- und Kommunikationsbericht der Bundesregierung 2021 findet ihr hier. Außerdem hat der Bundestag am 17. März in einer 39-minütigen Debatte über die Veröffentlichung beraten. Die wichtigsten Standpunkte der Fraktionen haben wir für euch zusammengefasst.

SPD: „Aufklärerisches Potenzial in der Welt der Social Media”

Helge Lindh von der SPD-Fraktion sagte, man müsse in der gegenwärtigen Situation alles dafür tun, Qualitätsjournalismus zu unterstützen. Denn ein kritisches Korrektiv durch freie, unabhängige Medien sei wünschenswert.

Zusätzlich machte Lindh aber auch auf die Möglichkeiten von Social Media aufmerksam: Man solle nicht so pessimistisch über einzelne Akteurinnen und Akteure im medialen Raum denken, denn auch sie könnten so etwas wie Redakteurinnen und Redakteure werden. So könnten auch sie beispielsweise hinterfragen, ob eine Quelle geprüft ist. Lindh ist überzeugt, das aufklärerische Potenzial sei auch in der Welt der Social Media möglich.

CDU/CSU: „Journalistische Standards auf Onlineplattformen”

Der Medien- und Kommunikationsbericht beinhalte erste Erkenntnisse aus der Corona-Pandemie, so Christiane Schenderlein von der CDU/CSU-Fraktion. Er zeige, dass der ohnehin dynamische Markt der digitalen Medien noch einmal Zuwachs erfahren habe.

Das stelle das traditionelle Mediensystem vor Herausforderungen. Themen wie Meinungsfreiheit, fairer Wettbewerb und Vielfalt der Medien blieben so aktuell. Es sei wichtig, in den kommenden Jahren zu diskutieren, ob und wie journalistische Standards auf Onlineplattformen etabliert werden könnten, so Schenderlein.

Die Grünen: „Meinungsbildung vor schwierigen Zeiten”

Es sei die Pflicht der Demokratinnen und Demokraten, den kritischen öffentlichen Diskurs und die freie Meinungsbildung zu fördern, sagte Awet Tesfaiesus von der Grünen-Fraktion. Die freie Meinungsbildung stehe auch in Deutschland vor schwierigen Zeiten. Der Wettbewerb um Aufmerksamkeit führe dazu, dass Informationen und Nachrichten schnell und oft ungeprüft veröffentlicht würden, so Tesfaiesus. Auch deshalb sei es dringend notwendig, die Idee der kooperativen Medienplattformen voranzutreiben.

FDP: „Das europäische Wir-Gefühl stärken“

Thomas Hacker von der FDP-Fraktion betonte, dass die sozialen Medien uns alle und unser gesellschaftliches Miteinander verändert hätten. Entscheidend sei derzeit, wie wir mit der Macht der ständigen Erreichbarkeit umgingen. Es brauche Gegenmaßnahmen, damit sich Fake News und Propaganda nicht gegen faktenbasierte Inhalte durchsetzten. Nun gehe es darum, mediale Vielfalt zu fördern, eine gemeinsame Plattform könne außerdem das europäische Wir-Gefühl stärken, so Hacker.

AfD-Fraktion: „Neue Medienordnung unter Einbezug des Internets”

Öffentliche Kommunikation und Meinungsbildung finde zunehmend im Internet statt, sagte Martin Renner in seinem Beitrag. In diesem Bereich dominierten große Plattformbetreiber. Es sei eine Bedrohung der Meinungsfreiheit, wenn diese „globalistischen Plattformbetreiber“ eigene Interessen verfolgten und Meinungsäußerungen zunehmend zensierten, so Renner. Man brauche deshalb eine neue Medienordnung unter Einbezug des Internets.

Die Linke: „Geht darum, das Internet zu demokratisieren”

Petra Sitte von der Linksfraktion betonte, dass die Bundesregierung in der Pflicht stehe, vorzuschlagen, wie Pressefreiheit in Deutschland gesichert und unabhängige Berichterstattung gewährleistet werden könne. Es brauche eine neue öffentliche Medienförderung, die nicht staatlich beeinflusst werde. Es gehe darum, das Internet zu demokratisieren, so Sitte.

Die komplette Bundestagsdebatte seht ihr hier im Video, das Protokoll findet ihr wie immer auf bundestag.de.

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Michael

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