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Abtreibungen Gesetz ändern, oder nicht?

Juna Icaza Wilfert

Ungewollt schwanger – was nun? Für betroffene Mädchen und Frauen sind Informationen wichtig. Doch Ärzte, die Abtreibungen vornehmen, dürfen auf ihren Webseiten dazu nichts veröffentlichen. Mehrere Fraktionen im Bundestag möchten dies nun ändern. Juna erklärt, worum es genau geht.

Ärztin im Beratungsgespräch

Ärzte dürfen in bestimmten Fällen Schwangerschaften beenden – auf diese Leistung im Internet hinweisen dürfen sie nicht. © picture alliance

Werbung – nein danke

6000 Euro – das ist der Betrag, den Kristina Hänel, eine Frauenärztin aus Gießen, zahlen muss. Sie hat auf ihrer Website über Abtreibungen informiert und damit gegen ein Gesetz verstoßen. Bereits im November 2017 war sie verurteilt worden, legte dann aber Berufung ein. Das Urteil wurde daher von einem höheren Gericht überprüft. Dieses zweite Verfahren vor dem Landgericht Gießen bestätigte nun das erste Urteil – und zwar aufgrund des Paragrafen 219a.

Was ist Information?

Die Informationen auf der Website der Ärztin fallen laut Gericht unter das Verbot von "Werbung für den Abbruch einer Schwangerschaft" nach Paragraf 219a des Strafgesetzbuches. Demnach ist es verboten, dass Abtreibungen öffentlich angepriesen oder beworben werden.

Auch sachliche Hinweise darüber, dass eine Abtreibung in der eigenen Praxis möglich ist, dürfen Ärzte öffentlich – also auch im Internet – nicht liefern, weil sie im Nachhinein an der Abtreibung Geld verdienen. Das Urteil über Christina Hänel hat bereits vor einigen Monaten heftige Diskussionen über die Zukunft des Werbeverbots-Paragrafen ausgelöst.

Muss ein neues Gesetz her?

Zunächst zu den Zahlen: Mehr als 100.000 Frauen haben sich laut Bundesamt für Statistik im Jahr 2017 dafür entschieden, eine Schwangerschaft abzubrechen. 35 Ärzte waren im Jahr 2016 wegen des Paragrafen angeklagt, ist einem Gesetzentwurf der Fraktion Die Linke zu entnehmen. Derzeit sind neben Hänel zwei weitere aus Kassel betroffen.

Bereits seit Beginn 2018 liegen von der Linken, den Grünen und der FDP Anträge für eine Änderung des Gesetzes vor. Während der Regierungsbildung und der Verhandlungen der Großen Koalition aus CDU/CSU und SPD war das Thema ins Stocken geraten. Über die Anträge der drei Oppositions-Fraktionen ist nun am 18. Oktober im Bundestag erneut beraten worden. Was fordern die Fraktionen konkret?

Linke: Weg damit

Die Fraktion der Linken fordert in ihrem Gesetzentwurf, den Paragrafen ersatzlos zu streichen. Sie meint, es sei unlogisch, dass man zwar unter gewissen Bedingungen abtreiben darf, Ärzte diese Leistung aber nicht anbieten dürfen. Sie betont, dass für die betroffenen Frauen Zugang zu Beratung und die Möglichkeit, sich einen Arzt auszusuchen, sehr wichtig seien. Hoffnung der Linke-Fraktion: Eine Änderung werde bewirken, dass Frauen und Frauenärzte weniger verunsichert seien und seltener gesellschaftlich verurteilt würden.

Grüne: Paragraf unnötig

Aus ähnlichen Gründen spricht sich die Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in ihrem Entwurf für den Wegfall des Paragrafen aus. Zugang zu Informationen und die freie Arztwahl müssen laut ihr gewährleistet werden. Zwar wollen auch die Grünen nicht, dass anstößige Werbung für Abtreibungen gemacht werden kann, das verbiete allerdings auch ohne Paragraf 219a die Berufsordnung der Ärzte. Darin heißt es "eine (…) Kommerzialisierung des Ärzteberufes durch Werbung soll vermieden werden".

FDP: Nicht zeitgemäß

Die FDP will in ihrem Entwurf nur Werbung verbieten, die in grob anstößiger Weise erfolgt. Also zum Beispiel, wenn ein Arzt Abtreibung regelrecht auf seiner Website anpreist und empfiehlt. Sachliche Informationen sollten der FDP zufolge Frauen öffentlich über Websites von Ärzten zugänglich sein. Zusätzlich soll Werbung für illegale Schwangerschaftsabbrüche verboten sein. Ganz streichen will die FDP das Gesetz nicht. Das Verbot solle nämlich nicht nur für Ärzte, sondern allgemein im öffentlichen Raum gelten.

Auch SPD fordert Wegfall

Die SPD-Fraktion hatte ebenfalls im Frühjahr 2018 einen Gesetzesentwurf vorgelegt, der das Werbeverbot abschaffen sollte. Dieser war zwar nicht Thema der letzten Beratung des Parlaments, die Position der Sozialdemokraten ist aber gleich geblieben. Die Frauenministerin Franziska Giffey (SPD) forderte nach dem Urteil: "Wenn Frauen in so einer schwierigen Situation sind – und das ist eine extreme Ausnahmesituation –, dann brauchen sie Beratung, Information und Unterstützung".

Union und AfD betonen Schutz des Lebens

Sowohl Union als auch AfD betonen, der Staat sei zum Schutz des ungeborenen Lebens verpflichtet, wozu der Paragraf 219a einen wichtigen Beitrag leiste. Daher solle er den beiden Fraktionen zufolge nicht geändert werden. Die CDU/CSU betont, es gebe genügend Möglichkeiten für Frauen, sich über Abtreibung zu informieren. Durch das Werbeverbot solle lediglich verhindert werden, dass diejenigen, die daran verdienen, also Ärzte, öffentlich informieren. Eine objektive Beratung durch offizielle Beratungsstellen, die im Fall einer Abtreibung ohnehin vorgeschrieben ist, sei die beste Lösung. Diesen Stellen lägen auch offizielle Ärztelisten vor, durch die für Frauen die freie Arztwahl gewährleistet werde, argumentiert die Union.

Die AfD ist desweiteren der Ansicht, die Gesetzesentwürfe der Linken, Grünen und der FDP seien ein Vorwand von Abtreibungsbefürwortern, einen kleinen Stein des Gesamtkonstrukts rund um das Thema Abtreibung herauszuziehen, sodass alle Regelungen diesbezüglich ins Wanken gebracht würden.

Was gilt?

Aktuell gilt: Eigentlich ist Schwangerschaftsabbruch in Deutschland verboten und steht unter Strafe (unter anderem nach Paragraf 218 des Strafgesetzbuches). Es gibt dazu allerdings in der Realität einige Ausnahmen, bei denen Straffreiheit gilt: Zum Beispiel wenn der Abbruch innerhalb der ersten zwölf Wochen seit der Befruchtung stattfindet und die Schwangere sich hat beraten lassen (zum Beispiel bei profamilia), wenn körperliche oder seelische Gesundheit bedroht sind oder die Schwangerschaft auf eine Vergewaltigung zurückgeht. Um die Regelungen zur Abtreibung an sich geht es aber bei der aktuell diskutierten Gesetzesänderung nicht.

Rein nach Gewissen?

Vertreter aller Fraktionen betonten, wie ihr diesem Protokoll der Debatte im Bundestag entnehmen könnt, dass das Ganze ein hochemotionales und komplexes Thema ist. Gerade das macht eine Änderung des Gesetzes schwierig. Diskutiert wird deshalb unter anderem, ob für eine Änderung des Gesetzes die sogenannte Fraktionsdisziplin aufgehoben werden soll. Abgeordnete würden dann offiziell ermutigt, rein nach ihrem Gewissen zu entscheiden. Sie würden dann beispielsweise auch nicht mehr auf Koalitionen Rücksicht nehmen, was sie in der Regel tun, damit diese auch halten. Damit wäre es theoretisch möglich, auch ohne die Union eine Reform des Paragrafen zu bewirken.

Juna Icaza Wilfert

Zur Person

Mitmischen-Autorin

Juna Icaza Wilfert

ist Schülerin

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