Zum Inhalt springen

Einfach erklärt Was bedeutet das Klima-Urteil?

Laura Heyer

Das Bundesverfassungsgericht hat kürzlich entschieden, dass ein Teil des aktuellen Klimaschutzgesetzes gegen die Verfassung verstößt. Aber was bedeutet dieses Urteil genau für die Menschen und die Politik?

Justitia mit SChild 'Klimaschutzgesetz'

Das Bundesverfassungsgericht hat über das Klimaschutzgesetz entschieden – und fordert Änderungen. © picture alliance/ ZB | Z6944 Sascha Steinach

Gesetze sind nicht in Stein gemeißelt – sie müssen im Zweifel einer Überprüfung durch das höchste Gericht Deutschlands standhalten, des Bundesverfassungsgerichts. Genau eine solche Prüfung führten die Richter aus Karlsruhe kürzlich beim sogenannten Klimaschutzgesetz durch, das der Deutsche Bundestag 2019 beschlossen hatte. Es schreibt vor, wie viele Treibhausgase einzelne Sektoren wie Verkehr oder Landwirtschaft künftig noch ausstoßen dürfen, damit Deutschland seine Klimaziele erreichen kann.

Zum Hintergrund: Das Bundesverfassungsgericht wacht über die Einhaltung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland. Dazu sind alle staatlichen Stellen verpflichtet. Kommt es dabei zum Streit, kann das Bundesverfassungsgericht angerufen werden. Seine Entscheidung ist unanfechtbar und hat auch politische Wirkung. Das wird besonders deutlich, wenn das Gericht ein Gesetz für verfassungswidrig erklärt.

Über was wurde entschieden?

Das Bundesverfassungsgericht hatte über vier Klagen zu entscheiden. Der Vorwurf: die Bundesregierung tue nicht genug gegen den Klimawandel, gefährde damit das zukünftige Leben junger Menschen und verstoße gegen deren Grundrechte. Diesem Vorwurf hat das Gericht Ende April nun in Teilen stattgegeben – das heißt, die Bundesregierung muss das aktuell gültige Klimaschutzgesetz nun überarbeiten. (Wie sie das genau tun will, lest ihr hier.)

Geklagt haben mehrere junge Menschen im Alter von 15 bis 32 Jahren, darunter auch Klimaaktivistin Luisa Neubauer. Zahlreiche Umweltorganisationen haben die Kläger unterstützt, darunter Greenpeace, Germanwatch, der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und die Deutsche Umwelthilfe.

Was steht im „alten“ Klimaschutzgesetz?

In dem Gesetz von 2019 steht, wie bis zum Jahr 2030 der Kohlendioxidausstoß gesenkt werden soll, und zwar um 55 Prozent verglichen mit dem Jahr 1990. Außerdem soll das sogenannte Pariser Klimaabkommen eingehalten werden. Bei der UN-Klimakonferenz im Dezember 2015 in der französischen Hauptstadt einigten sich 197 Staaten auf ein neues, globales Klimaschutzabkommen. Das Abkommen trat am 4. November 2016 in Kraft. Die Staaten setzen sich das globale Ziel, die Erderwärmung im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter auf "deutlich unter" zwei Grad Celsius zu begrenzen mit Anstrengungen für eine Beschränkung auf 1,5 Grad Celsius.

Was sagt das Verfassungsgericht?

Das deutsche Klimaschutzgesetz von 2019 ist in Teilen nicht mit den Grundrechten vereinbar, sagen die Karlsruher Richter. Sie argumentierten – salopp gesprochen – dass ältere Generationen nicht nach Belieben Treibhausgase in die Atmosphäre pusten dürfen ohne Rücksicht auf die Jüngeren. Das Gericht stellte sinngemäß klar, dass die Freiheit der Älteren, sich dies heute zu erlauben, die Freiheit der Jüngeren verletze, zukünftig überhaupt noch eine Wahl zu haben.

Die Richter kritisierten vor allem, dass die Vorschriften „hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar auf Zeiträume nach 2030“ verschieben. Dadurch seien die zum Teil noch sehr jungen Beschwerdeführenden in ihren Freiheitsrechten verletzt. Das heißt: Das Gericht findet, dass die Bundesregierung aktuell zu wenig gegen die Emissionen tut.

Es sieht die Gefahr, dass dann junge Menschen in der Zukunft mit starken Einschränkungen leben müssen, zum Beispiel gar nicht mehr zu fliegen oder kein Auto mehr zu fahren, da sonst die Klimaziele nicht erreicht werden könnten. Um die Pariser Klimaziele zu erreichen, müssten die nach 2030 erforderlichen Minderungen immer dringender und kurzfristiger erbracht werden.

Grundlage ihrer Argumentation ist Artikel 20 des Grundgesetzes. Darin heißt es: "'Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung."

Die Richter verpflichteten den Gesetzgeber nun, bis Ende 2022 die Minderungsziele der Treibhausgasemissionen ab 2031 besser zu regeln. Die bis 2030 festgelegten Klimaschutzziele seien dagegen nicht zu beanstanden.

Was macht das Urteil so besonders?

Das oberste deutsche Gericht bringt mit seinem Urteil zum ersten Mal Klimaschutz und Grundrechte in Verbindung. Mit ihrer Entscheidung haben die Richter Klimaschutz als Freiheitsschutz definiert. Der Staat hat die Aufgabe, die Belastung aus der Klimakrise fair über alle Generationen zu verteilen, sagt das Gericht.

Das heißt, in Zukunft werden sich Richter und Richterinnen an diesem Urteil orientieren müssen, wenn es zum Beispiel um neue Bauvorhaben oder andere Projekte geht, die sich auf den Klimaschutz auswirken. Experten gehen zudem davon aus, dass auch andere Länder sich am Urteil des Verfassungsgerichts ein Beispiel nehmen könnten.

(lh)

Zur Person

mitmischen-Autorin

Laura Heyer

hat in Heidelberg Geschichte studiert, in Berlin eine Ausbildung zur Journalistin gemacht und ist dann für ihre erste Stelle als Redakteurin nach Hamburg gegangen. Dort knüpft sie nun Netzwerke für Frauen. Aber egal wo sie wohnt – sie kennt immer die besten Plätze zum Frühstücken.

Mehr zum Thema