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Julia Klöckner (CDU/CSU) „Wer die Wahl hat, hat Macht“

Wenn alle Freunde Tik-Tok oder Whatsapp nutzen, tut man das auch, um mitzuhalten. Die Digital-Unternehmen werden immer mächtiger. Was daran problematisch ist und wie die Politik das lösen kann, erklärt Julia Klöckner im Interview.

Portrait von Julia Klöckner

„Tech-Giganten wie Amazon dürfen sich nicht selbst bevorteilen“, sagt Julia Klöckner, „diese Unternehmen brauchen Konkurrenz.“ © Torsten Silz

Ihre Fraktion fordert mit einem Antrag, die Marktmacht der „Tech-Giganten“ zu begrenzen. Wer sind diese Tech-Giganten?

Tech-Giganten sind Internet-Konzerne, die sehr große wirtschaftliche Macht haben, weil sehr viele Menschen ihr Angebot nutzen. Typische Beispiele sind Amazon, Facebook oder Google. Wie marktmächtig Google ist, kann jeder täglich nachvollziehen: Wenn Menschen in Deutschland etwas im Internet suchen, nutzen sie dafür fast immer diese Suchmaschine. Das Unternehmen ist sogar so bekannt und so dominant, dass es ein eigenes Wort geprägt hat für die Internetsuche: googeln.

Und wo liegt das Problem mit ihrer Macht am Markt?

Wenn ein Unternehmen zu mächtig wird, ist das schädlich für die Verbraucherinnen und Verbraucher. Denn dann fehlt der Wettbewerb, der in unserer Sozialen Marktwirtschaft sicherstellt, dass der Kunde am Ende das beste Produkt zum günstigsten Preis bekommt. Wettbewerb bedeutet, dass Kunden eine Wahl haben – und wenn Kunden eine Wahl haben, dann haben sie auch Macht. Ein Anbieter verbessert in der Regel deshalb seine Angebote so, dass sie dem Kundenwunsch entsprechen. Gibt es weder Wettbewerb noch Auswahl, sondern nur einen dominanten Anbieter, dann macht er häufig ohne Rücksicht auf die Kunden seine eigenen Regeln.

In der Digitalwirtschaft ist das ein großes Problem. Denn hier kann es passieren, dass Dienste einfach genutzt werden müssen, weil man keine andere Wahl hat, wenn man nicht ausgeschlossen sein will.

Haben Sie ein Beispiel?

Beim Online-Einkauf ist es zum Beispiel schwer, um Amazon einen Bogen zu machen. Auf der Plattform wirst du immer fündig, oftmals bei Angeboten von Amazon selbst. Ein anderes Beispiel: Wenn fast alle deine Freunde auf Tik-Tok sind, dann steigt der Druck, dass auch du dort aktiv bist. Denn sonst bekommst du deutlich weniger mit. Dadurch wird aber der Wettbewerb zunehmend ausgehebelt, weil nach dieser Logik immer ein Anbieter die große Mehrheit der Leute auf seiner Seite versammelt. Typisch für die digitale Welt ist, dass sich Marktmacht sehr schnell verfestigt.

Wie kann aus Ihrer Sicht der Wettbewerb auf digitalen Märkten fair gestaltet sein?

Ein wichtiger Punkt: Tech-Giganten dürfen sich nicht selbst bevorteilen. Zurück zu Amazon: Die Plattform bestimmt, welches Produkt dir als erstes angezeigt wird, wenn du nach etwas suchst. Deshalb ist es wichtig, dass es bei der Reihenfolge der Suchergebnisse fair zugeht und Amazon nicht die eigenen Produkte besser platziert als Angebote von anderen Anbietern.

Am 18. Februar wurde das Thema im Bundestag debattiert, es ging auch um Messenger-Dienste. Warum spielen sie in diesem Zusammenhang eine besondere Rolle?

Fast jeder in Deutschland muss Whatsapp nutzen, wenn er mit möglichst vielen Menschen kommunizieren will. Da zeigt sich der sogenannte Netzwerkeffekt: Der Nutzen eines Services steigt mit der Anzahl der Menschen, die auf den Service zurückgreifen. Ohne Nutzer ist eine Messenger-App im wahrsten Sinne des Wortes nutzlos. Je mehr User es gibt, desto einflussreicher wird sie aber. Menschen suchen sich deshalb den Anbieter ihres Messengers wohl nicht vorwiegend nach ihren Vorlieben aus – zum Beispiel nach den besten Verbraucherschutzstandards oder der besten Bedienbarkeit. Sondern sie müssen den Dienst wählen, den die große Mehrheit auch nutzt. Wer sich dennoch dagegen entscheidet, einen bestimmten Messenger-Dienst zu nutzen, der ist bei vielen Aktivitäten außen vor – ob beim Sportverein oder in der Schule. Das wollen wir durch „Interoperabilität“ ändern. Künftig soll es so sein wie beim Telefonieren: Jeder soll mit jedem kommunizieren können, egal, welche Firma den Dienst anbietet.

Inwieweit kann Deutschland mit nationalen Regelungen überhaupt auf große internationale Konzerne einwirken?

In Europa haben wir einen gemeinsamen Markt, den sogenannten Binnenmarkt. Die Wettbewerbspolitik wird deshalb vor allem in Brüssel gemacht. Doch Deutschland kann wertvolle Akzente setzen. So waren wir im Jahr 2021 das erste Parlament der Welt, das neue Regeln für die Digitalwirtschaft verabschiedet hat. Nun hat sich die Europäische Union dieses Wettbewerbsgesetz zum Vorbild genommen und will mit dem Digital Markets Act für ganz Europa faire Regeln in der digitalen Wirtschaft schaffen.

Was sieht dieser Digital Markets Act vor? Und wie geht es mit diesem Vorschlag weiter – wird er europaweit umgesetzt werden?

Der Digital Markets Act soll für faire Wettbewerbsbedingungen auf digitalen Märkten sorgen. Derzeit diskutieren die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union noch gemeinsam mit der Europäischen Kommission und dem Europäischen Parlament die letzten Feinheiten des Gesetzes. Ich denke, dass sie noch vor den Sommerferien fertig werden.

Über Julia Klöckner

Julia Klöckner wurde 1972 in Bad Kreuznach geboren. Sie hat Theologie, Politikwissenschaft und Pädagogik studiert, außerdem Staatsexamen in Religion und Sozialkunde gemacht. Nach dem Studium arbeitete sie als Journalistin beim SWR, später im Print-Bereich. Seit 1997 ist sie Mitglied der CDU. Von 2018 bis 2021 war sie Bundesministerin für Ernährung und Landwirtschaft und ist seit September 2021 erneut Mitglied des Deutschen Bundestages. Mehr erfahrt ihr auf ihrem Profil auf bundestag.de.

(Mira Knauf)

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