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Wissenschaft #Gut erklärt

Raphael Fröhlich

Spallationsneutronenquellen, Zoonosen, Boolsche Algebra: Über die Hälfte der Jugendlichen interessieren sich für wissenschaftliche Themen. Doch manchmal sind sie schwer zu verstehen. Die Koalitionsfraktionen steuern dagegen.

Mädchen kommuniziert im Museum mit einem Roboter.

Moderne Museen machen Lust auf Wissenschaft, hier das Deutsche Technikmuseum in Berlin. © shutterstock.com/frantic00

Was sind Spallationsneutronenquellen? Wie funktioniert Boolsche Algebra? Und womit beschäftigt sich das Galton-Problem?

Das interessiert eh keinen? Doch. Über die Hälfte aller Jugendlichen interessieren sich sehr für wissenschaftliche Themen. Zu dem Schluss kam das Wissenschaftsbarometer 2019 der Initiative „Wissenschaft im Dialog“.

Das Interesse ist also da. Mitunter ist es aber nicht so einfach, komplexe wissenschaftliche Zusammenhänge und Phänomene so zu erklären, dass Nicht-Wissenschaftler sie auch verstehen.

Zauberwort "Wissenschaftskommunikation"

Wie lassen sich der Öffentlichkeit Erkenntnisse der Forschung näherbringen? Mit Wissenschaftskommunikation. Die funktioniert auf sehr unterschiedliche Art: in Museen oder offenen Laboren, in Zeitungsartikeln oder Sachbüchern, in Podcasts, Youtube-Videos oder auf Instagram-Kanälen.

"Weltweit etwas Besonderes": Das Futurium in Berlin macht Wissenschaft erlebbar.

Die Forschung soll allen Menschen nutzen. Deshalb sollen idealerweise auch alle verstehen, was da passiert. Oft fehlt Wissenschaftlern aber das Handwerkszeug, ihre Ergebnisse allgemeinverständlich zu vermitteln. Deshalb taucht das Schlagwort Wissenschaftskommunikation auch immer öfter an Universitäten auf.

Wissenschaftler werden immer mehr in die Pflicht genommen, Wissenschaftskommunikation zu betreiben. Bei der Förderung von Forschungsprojekten fordern die Geldgeber zunehmend von Forschern, dass sie ihre Erkenntnisse auch vermitteln.

Blick nach England

In anderen Ländern ist das Thema schon lange viel präsenter als hier in Deutschland, beispielsweise in Großbritannien.

Dr. Kerstin Göpfrich hat Physik studiert, in Erlangen und an der britischen Universität Cambridge. In Deutschland, erzählt sie, habe es zwar Kurse zur Wissenschaftskommunikation gegeben. „Aber wer sich nicht speziell dafür interessierte, konnte auch gut darum herumkommen.“ In England sah das ganz anders aus, dort würden auch mehr Gelder speziell für die Kommunikation wissenschaftlicher Erkenntnisse fließen.

Göpfrich findet das gut: „Eine mündige und informierte Gesellschaft erreichen wir nur im Dialog mit der Wissenschaft“, glaubt sie. Nach dem Studium hat sie deshalb das Projekt „Ring a Scientist“ gegründet, das Schulen und Wissenschaftler vernetzt.

Das macht die Politik

Das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) veröffentlichte im November 2019 ein Grundsatzpapier zur Wissenschaftskommunikation. Ziel ist dabei unter anderem, den Dialog zwischen Wissenschaft und Gesellschaft zu fördern. Das soll dafür sorgen, dass öffentliche Diskussionen stärker auf Fakten basieren.

Um die Wissenschaftskommunikation künftig zu unterstützen, will das BMBF eine Denkwerkstatt schaffen: #FactoryWisskomm. Auch ist die Rede von „Dialog- und Beteiligungsformaten“. Es gibt schon heute einige Initiativen des Bundes, die Wissenschaftler und Bürger in den Austausch bringen. Das sind beispielsweise die Wissenschaftsjahre, die Initiative „Wissenschaft im Dialog“, das Futurium in Berlin oder die Stiftung „Haus der kleinen Forscher“.

Das Grundsatzpapier wurde von Wissenschaftlern überwiegend begrüßt. Einige halten es allerdings für zu vage.

Ende Dezember nahm das Thema wieder Fahrt auf: Die Koalitionsfraktionen aus CDU/CSU und SPD stellten im Bundestag einen Antrag vor, Titel: „Wissenschaftskommunikation stärken – Strukturen sichern, neue Möglichkeiten schaffen“.

Debatte im Bundestag

Die Fraktionen waren sich in der Debatte weitgehend einig, dass Wissenschaftskommunikation wichtig ist. Unterschiedliche Ansichten gab es vor allem über die Ausgestaltung.

Ein besseres Verständnis der Wissenschaft werde immer wichtiger, betonte Stefan Kaufmann (CDU/CSU). Die wissenschaftliche Sicht könne Sachlichkeit befördern. Man wolle daher schon im Studium die Kommunikationskompetenzen der Wissenschaftler fördern und neue Vermittlungsformate zwischen Wissenschaft und Journalismus schaffen.

Bärbel Bas (SPD) bekräftigte, der Antrag solle auch dazu beitragen, dass Wissenschaft und Gesellschaft häufiger in einen Dialog treten. Bei Ausschreibungen öffentlicher Forschungsvorhaben solle die Wissenschaftskommunikation ein fester Bestandteil werden.

Marc Jongen (AfD) war indes nicht einverstanden damit, die Wissenschaftskommunikation in Studiengängen zu verankern. Dies verdonnere die Wissenschaftler, PR in eigener Sache zu betreiben, um an Forschungsgelder zu gelangen. Die Debatte um die Rolle von CO2 im Klimawandel zeige zudem das „ideologische Missbrauchspotenzial“ der Wissenschaftskommunikation.

Kritik kam auch aus der FDP. Thomas Sattelberger beanstandete, dass die Große Koalition Wissenschaftskommunikation als „reine Elitendebatte“ denke. Weder das Grundsatzpapier noch der Antrag enthielten ein Wort darüber, wie man „Eliten-Silos“ aufbrechen, die „Provinz“ erreichen und mehr MINT-Youtuberinnen gewinnen könne.

Verblüffend sei es gewesen, sagte Petra Sitte (Die Linke), dass das Grundsatzpapier über weite Teile Projekte enthielte, die schon längst liefen. Gleichzeitig sehe der Antrag keine zusätzlichen Ressourcen darfür vor, wunderte sie sich. Für eine wissenschaftsmündige Gesellschaft sei es zwingend notwendig, den Wissenschaftlern ausreichend Zeit und Ressourcen zu geben.

#FactoryWisskomm sei nur eine Fortsetzung der bekannten Debatte ohne konkrete neue Vorschläge, bemängelte Anna Christmann (Bündnis 90/Die Grünen). Im Haushalt friste die Wissenschaftskommunikation ein eher trauriges Dasein, obwohl Bundesministerin Anja Karliczek (CDU) dies als ihren Schwerpunkt dieser Legislaturperiode angepriesen hätte.

Der Antrag soll nun federführend im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung weiter beraten werden.

Die Aussprache im Bundestag könnt ihr euch hier anschauen:

Zur Person

Mitmischen-Autor

Raphael Fröhlich

ist 19 Jahre alt und auf dem Weg, das Abitur in Tübingen zu machen. Daneben ist er immer wieder bei verschiedenen Lehrredaktionen anzutreffen und berichtet am liebsten über Themen, die den Gerechtigkeitssinn in ihm wecken.

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