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Damals mit 14... „Ich habe Transparente gemalt“

Bei den Demonstrationen, die letztlich zur Wiedervereinigung führten, war Alexander Krauß (CDU/CSU) als 14-Jähriger in Sachsen mit dabei. Heute ist die Einheit in seinen Augen vollzogen – außer vielleicht im Fußball.

Der Abgeordnete Alexander Krauß im Bundestag

„Ich würde mir wünschen, dass die jungen Leute sich ein bisschen mit der Geschichte beschäftigen“, sagt Alexander Krauß (CDU/CSU). © Deutscher Bundestag/ Inga Haar

Am 3. Oktober 1990 waren Sie 14 Jahre alt. Wie haben Sie die Wiedervereinigung Deutschlands erlebt?

Ich habe mich damals schon für Politik interessiert und war ab der zweiten Demonstration in meiner Region in Schwarzenberg mit dabei. Im Keller meines damaligen Elternhauses sind wahrscheinlich jetzt noch Farbspuren von den Transparenten zu finden, die ich gemalt habe.

Das war eine sehr bewegte Zeit – es hat Spaß gemacht, mit dabei zu sein. Wir waren motiviert, wir wollten einen Neuanfang. Ich war sehr froh, dass es damals so schnell zur Deutschen Einheit gekommen ist. Ich bin sicher, der Osten wäre sonst ausgeblutet, weil immer mehr Leute in den Westen geflohen wären.

Für Sie war die Wiedervereinigung also ein politischer Anfang?

Ja, das kann man so sagen. Ich habe mich danach weiter engagiert, bin mit 14 Kreisvorsitzender der Jungen Union geworden. Auf einer Demonstration in Chemnitz hatte ich den damaligen Bundeskanzler Helmut Kohl von der CDU reden gehört, das hat mich beeindruckt und motiviert.

Was hat sich in Ihrer Heimat im sächsischen Erzgebirge in den letzten 30 Jahren verändert?

Helmut Kohl hat mal von „blühenden Landschaften“ gesprochen. Ich glaube, die haben wir inzwischen im Osten. Da ist wirklich wahnsinnig viel entstanden.

Natürlich gab es auch Entwicklungen, die schwierig waren. Viele sind in den Westen abgewandert. Man kann fast sagen: Uns fehlt eine Generation. Das führt zu einer gewissen Überalterung. Nach der Wende gab es ja auch erst mal eine hohe Arbeitslosenquote von über 25 Prozent. Jetzt sind wir bei 5 Prozent, wir haben quasi Vollbeschäftigung. Das ist wirklich eine sehr erfreuliche Entwicklung.

Als Abgeordneter aus einem ostdeutschen Bundesland sind Sie in Ihrer Fraktion eindeutig in der Minderheit. Merken Sie das im parlamentarischen Alltag?

Eigentlich nicht. Wir haben zwar in der Unionsfraktion eine Gruppe der Ost-Abgeordneten, die sich mit ein paar Themen beschäftigt, bei denen es noch unterschiedliche Bedingungen gibt. Zum Beispiel sind die Renten im Osten nach wie vor niedriger als im Westen, wenn wir zwei Personen mit vergleichbarem Arbeitsleben nehmen. Aber für die meisten Themen spielt diese Ost-West-Aufteilung gar keine Rolle mehr. Wir treffen uns eher in den Landesgruppen: Die Sachsen mit den Sachsen, die Mecklenburger mit den Mecklenburgern und so weiter.

Ich fühle mich absolut nicht als Minderheit. Wir stellen ja sozusagen auch die Bundeskanzlerin, sie ist eine Ostdeutsche. Vor ein paar Jahren kamen sogar Bundeskanzlerin und Bundespräsident aus dem Osten.

Was denken Sie: Wie weit ist die Deutsche Einheit vollzogen?

Meine Erfahrung ist, dass das bei jungen Leuten wirklich gar kein Thema mehr ist. Da wird überhaupt nicht mehr in Ost-West-Kategorien gedacht. Ich denke, junge Menschen verstehen sich als Deutsche, als Europäer, als Sachse, Bayer oder was auch immer – aber nicht als Ostdeutscher oder Westdeutscher. Und so soll es ja auch sein.

Allerdings würde ich mir wünschen, dass die jungen Leute sich ein bisschen mit der Geschichte beschäftigen. Damit sie verstehen, dass es nicht selbstverständlich ist, dass wir in einem einheitlichen Land und in Freiheit leben. Es ist nur 30 Jahre her, dass das anders war. Daran sollte man schon erinnern, damit niemand denkt, so etwas könne nicht passieren.

Also ist die Einheit aus Ihrer Sicht geschafft?

Im Großen und Ganzen: Ja. Es gibt natürlich noch ein paar Herausforderungen. Das Lohnniveau ist in manchen Bereichen noch unterschiedlich in Ost und West. Das kann die Politik aber nicht vorgeben, das legen die Arbeitgeber fest. Ich würde mir wünschen, dass es mal ein Dax-Unternehmen im Osten gibt, das ganz oben mitspielt. Wir haben zwar viel Fertigung im Osten, aber was Firmensitze oder auch Forschung angeht, da sind wir noch nicht auf Augenhöhe mit dem Westen.

Das gilt zum Beispiel auch für den Fußball – na, inzwischen haben wir mit dem RB Leipzig immerhin eine Erstliga-Mannmannschaft. Auch das hängt mit der Wirtschaft zusammen, weil große Unternehmen natürlich mächtigere Sponsoren sind. Da würde ich mir einfach noch mehr Selbstverständlichkeit wünschen. Aber das wird weiter wachsen, da bin ich mir sicher.

Was werden Sie am 3. Oktober machen?

Trotz Corona: auf jeden Fall feiern! Es gibt bei uns in der Region eine schöne Tradition auf dem höchsten Berg in Sachsen, dem Fichtelberg. Dort gibt es eine Friedensglocke und dort kommen jedes Jahr am 3. Oktober Menschen zusammen, um mit Gesang und Gebet zu feiern, dass wir frei und einheitlich in einem Land leben.

Es ist ein bisschen schade, dass durch Corona wahrscheinlich deutlich weniger gefeiert werden kann als geplant. Weil wir wirklich Grund haben, zu feiern und dankbar zu sein und stolz auf diese letzten 30 Jahre.

Über Alexander Krauß

Alexander Krauß, 44, ist Politikwissenschaftler. 1990 trat er als 14-Jähriger in die Junge Union ein, seit 2017 sitzt er für die CDU/CSU-Fraktion im Bundestag. Dort ist er Mitglied im Ausschuss für Gesundheit. Mehr erfahrt ihr auf seinem Profil auf bundestag.de.

(jk)

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