Zum Inhalt springen

Ausstellung zu den Grundrechten

Das Grundgesetz durch Kunst verstehen

Jasmin Nimmrich

Grundrechte? Sind selbstverständlich. Oder? Eine Ausstellung des Bundestages beschäftigt sich mit den ersten 19 Artikeln des Grundgesetzes. In einem Workshop finden Schülerinnen und Schüler heraus: Was hat das Grundgesetz eigentlich mit mir zu tun?

Foto eines Ausstellungsraumes, in dem eine Gruppe Jugendlicher sitzt und einer erwachsenen Frau zuhört.

Gesetze als Kunstwerke? Das gibt es zu sehen und zu erleben in der Ausstellung WIR im Forum Kunst im Bundestag. © mitmischen.de / Jasmin Nimmrich

Das Forum Kunst ist ein für die Öffentlichkeit zugänglicher Teil des Bundestages, in dem aktuell die Ausstellung WIR gezeigt wird. Der halbrunde Raum wirkt durch Trennwände verwinkelt, es gibt einiges zu entdecken. 19 Künstlerinnen und Künstler haben sich im Auftrag des Kunstbeirates des Bundestages mit den ersten 19 Artikeln des Grundgesetzes beschäftigt. Zu sehen sind unsere Grundrechte unter anderem verarbeitet in strahlenden Farben mit Neonleuchten, auf einer schwebenden, zusammengenähten Leinwand, in ungebrannten Tongefäßen, einem besprühten Spiegel, Skulpturen aus Shisha-Kohle oder einem nackten Selbstbildnis. 

Vom 22. Mai 2025 bis 21. Juni 2026 ist die Ausstellung im Forum Kunst des Deutschen Bundestages zu sehen. Doch was hat dieses so wichtige Grundgesetz eigentlich mit mir zu tun? Genau dieser Frage geht der Workshop zur Ausstellung auf den Grund, der sich an Klassen ab dem 4. Schuljahr richtet. Angeleitet wird der zweieinhalbstündige Workshop durch das Team von Ephra, einer gemeinnützigen Organisation, die sich der Kunstvermittlung an Kinder verschrieben hat. Bei einem der Workshops durften wir dabei sein: 

Sind wir alle gleich? 

Erstmal müssen sich alle kennenlernen. Doch neben der obligatorischen Namensrunde haben sich die Workshopleiterinnen noch eine Ergänzung zum Vornamen überlegt: Die Schülerinnen und Schüler sollen sich in einem Kreis um eine Ansammlung von Wörtern, die auf kleine Holzstückchen eingraviert sind, stellen. Da liegt „Würde“ neben „Freiheit“, das Wort „Unabhängigkeit“ neben „Grenzen“ und dem Wort „Traum“. Aus all diesen Wörtern sollen die teilnehmenden Schüler einer achten Klasse jeweils eines auswählen und ihre Assoziation dazu teilen.

Ein Foto von einem Steinboden auf dem verteilt Holzblöcke liegen auf denen Wörter geschrieben sind.

Und welches Wort verbindest du mit dem Grundgesetz? © mitmischen.de / Jasmin Nimmrich

In der Runde werden die unterschiedlichen Assoziationen ausgetauscht. Unter anderem kommt zur Sprache, dass Grenzen von anderen respektiert werden müssen, dass jeder und jede das Recht auf seinen oder ihren eigenen Körper hat und wir alle Teil eines gesellschaftlichen Systems mit Rechten und Regeln sind. Um diese Begriffe und Themen geht es auch im Grundgesetz und in den künstlerischen Beiträgen der Ausstellung. Wie genau, dem gehen die Schülerinnen und Schüler eines Berliner Gymnasiums im nächsten Schritt auf den Grund: Sie erhalten die Aufgabe, die eigens ausgewählten Wörter mit den Kunstwerken der Ausstellung in Verbindung zu bringen und ihr Wort vor je ein Kunstwerk zu legen, zu dem dieses ihrer Einschätzung nach passt.

Bild mit Blick auf den Boden, an der Wand steht ein Spiegel, die Reflexion ist auf dem Boden zu sehen.

Das Kunstwerk „Egal ist nicht gleich“ zu Artikel 3 hat die Teilnehmer zum Nachdenken über die Gleichheit in unserer Gesellschaft gebracht. © mitmischen.de / Jasmin Nimmrich

So treten die 30 Schülerinnen und Schüler in direkten Austausch mit der ausgestellten Kunst, lassen diese auf sich wirken. Sie eignen sich die kurzen Beschreibungen zu den Kunstwerken an, durch die der Bezug zu den Artikeln des Grundgesetzes deutlich wird.

Vor einem großen durchlöcherten Spiegel mit dem aufgesprayten Spruch „Egal ist nicht gleich“ sammeln sich einige der Holzklötze: die Worte „Wir“, „Moral“, „Vertrauen“, „Raum“ und „Unendlichkeit“ liegen vor dem dem Werk der italienischen Künstlerin Monica Bonvicini, durch die Spiegelung in doppelter Ausführung. Das Kunstwerk ist Artikel 3 des Grundgesetzes, der die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz beschreibt, gewidmet. Die Aussparungen im Spiegel verkörpern die Lücken, die der Gesetzestext lässt: So werden alte oder queere Menschen in dem Artikel nicht explizit erwähnt. „Egal ist nicht gleich“ steht dabei für die Bedeutung einer juristischen Verankerung eben dieses Diskriminierungsschutzes.

Unter den Schülerinnen und Schülern ergibt sich die Frage nach der Gleichheit in unserer Gesellschaft: Ist diese überhaupt erstrebenswert? Wäre ein Miteinander ohne Unterschiede nicht auch langweilig? Alleine im eigenen Klassenverband ergeben sich viele Eigenschaften der Schülerinnen und Schülern, die sie sowohl miteinander verbinden als auch voneinander unterscheiden. Aber in beiden Fällen, und da sind sich alle einig, müssten sie geschützt werden. Durch ein WIR, das alle einschließt.

Grundrechte, die man rauben kann?

Im Untergeschoss des neu eröffneten Forum Kunst des Bundestages wird ein besonderes Augenmerk auf weitere Werke von Kubra Khademi und Marc Jung gelegt, die für die Ausstellung WIR Arbeiten zu den Artikeln 5 beziehungsweise 18 des Grundgesetzes beigesteuert haben.

Eine Gruppe von jungen Menschen in einem Ausstellungsraum an dessen Wänden gerahmte Illustrationen hängen.

Auch mit dem bisherigen Leben der afghanischen Künstlerin Kubra Khademi setzen sich die Schülerinnen und Schüler auseinander. © mitmischen.de / Jasmin Nimmrich

Kubra Khademis autobiografische Illustrationen füllen einen ganzen Raum. Jeder Schritt entlang der Wand gibt Einblick in ein neues Kapitel oder einen einschneidenden Moment in ihrem Leben. Dieses ist geprägt von Flucht, geraubter Freiheit und dem Verbot jeglicher eigener Meinung. In Afghanistan geboren, floh sie in jungen Jahren mit ihrer Familie in den Iran. Sie studierte Bildende Kunst in Pakistan und musste aufgrund der Reaktionen auf eine ihrer Performances aus dem Land fliehen. Nun lebt sie in Frankreich und besitzt die französische Staatsbürgerschaft. Die Illustrationen, die Momente der Schwäche und Demütigung, aber auch persönlicher Stärke und Selbstermächtigung zeigen, erlauben den Schülerinnen und Schülern durch Khademis Leben und diese intimen Einblicke, die sie gewährt, durch eine andere Kindheit und Jugend zu wandern. 

Mit Stinkefüßen und langen Nägeln die Demokratie verteidigen

Bild eines Ausstellungsraumes, im Vordergrund sind Zeichnungen von kleinen Monstern zu sehen, auf der Rückwand hängen bunte Kunstwerke.

Was braucht es, um unsere Demokratie zu verteidigen? Stinkefüße und Tentakeln könnten sich durchaus als hilfreich erweisen. © mitmischen.de / Jasmin Nimmrich

Einen Raum weiter beschäftigen sich die Schülerinnen und Schüler vor der Kulisse der visuell lauten und machtkritischen Gemälde und Graffiti-Werke des Künstlers Marc Jung damit, was die Demokratie gefährdet und wie sie verteidigt werden kann. Um wirklich gewappnet zu sein, entwickeln sie in Zusammenarbeit eigene Wesen mit Eigenschaften und Attribute, die die Demokratie beschützen können. Die mehrfach gefalteten Blätter werden immer weitergereicht, wenn jeweils der Kopf, Oberkörper, Unterkörper oder die Füße gemalt wurden. So entstehen Wesen mit Tentakeln, Ohren, die alles hören, vollgepackt mit langen Muskeln, filigranen und spitzen Fingernägeln, mit schützendem Schildkrötenpanzer und stark stinkenden Füßen. Es ist eine eigenartige aber mächtige Truppe, die so zusammengesetzt wird. Doch trotz der schützenden Ausstattung – und da sind sich die Schülerinnen und Schüler einig – können diese Wesen, wie auch wir als Gesellschaft, nur gemeinsam die Demokratie, die uns so vieles ermöglicht, schützen und wahren. 

Weitere Themen