Vorherige Berufe von Abgeordneten: Tijen Ataoğlu (CDU/CSU)
Hier werden Gesetze gemacht
Naomi Webster-Grundl
Tijen Ataoğlu (CDU/CSU) ist Richterin auf Lebenszeit. Doch jetzt fällt sie erstmal keine Urteile mehr, sondern arbeitet als Abgeordnete im Bundestag unter anderem an Gesetzen mit. Was war die größte Umstellung von dem einen auf den anderen Beruf? Und warum sitzen im Bundestag so viele Juristen?

Tijen Ataoğlu (CDU/CSU) vertritt ihren Wahlkreis Hagen – Ennepe-Ruhr-Kreis I seit 2025 im Deutschen Bundestag. © Paul Schneider
Ich bin von Beruf Richterin am Landgericht. Im Jahr 2019 wurde ich zur Richterin ernannt. In den vergangenen drei Jahren war ich von meinem Richteramt aus öffentlichem Interesse beurlaubt, da ich einer Tätigkeit im nordrhein-westfälischen Landtag bei der CDU-Fraktion nachgegangen bin. Ich hatte eigentlich gar nicht vor, Berufspolitikerin zu werden, weil ich die Juristerei und den Richterberuf sehr schätze. Es waren eher Zufälle, die mich letztlich in den Bundestag geführt haben.
Mein Umfeld hat unterschiedlich reagiert. Ein Teil konnte es nicht nachvollziehen. Im Sinne von: Richterin ist ein so tolles Amt, wie kann man dieses denn zeitweise aufgeben? Und die anderen, die große Mehrheit, die wissen, dass ich politisch sehr interessiert bin, wussten, dass das Bundestagsmandat auch etwas für mich ist. Aber als ich die Wahl dann gewonnen habe, haben sich natürlich alle für mich gefreut.
Im persönlichen Sinne: Dass ich jetzt in einer anderen Stadt arbeite. Der Weg von Nordrhein-Westfalen nach Berlin ist schon sehr weit. Inhaltlicher Natur: Im Gericht arbeitet man nur nach Recht und Gesetz. Im Parlament wird natürlich auch nach Recht und Gesetz gehandelt, aber es fließen naturgemäß politische Erwägungen mit ein. Und diese haben zum Glück im Gericht nichts zu suchen.
Und was sich ebenfalls verändert hat, ist die Art der Unabhängigkeit. Natürlich ist das Bundestagsmandat ein freies Mandat, das verfassungsrechtlich geschützt ist. Die richterliche Unabhängigkeit ist aber unvergleichbar. Wenn man beispielsweise Einzelrichterin ist, dann entscheidet man ganz alleine über Fälle und berät diese nicht mehr mit anderen Personen. Hier im Bundestag kommt es natürlich auf eine gute Zusammenarbeit an.
Das ist tatsächlich meine Ausbildung, das Studium der Rechtswissenschaften, mein Fachwissen. Einige Leute schimpfen immer, dass so viele Juristinnen und Juristen im Bundestag sitzen. Das hat aber auch gute Gründe, denn hier werden ja Gesetze gemacht, also Recht. Und deshalb bin ich mit meiner juristischen Ausbildung hier genau richtig.
Meine juristische Expertise, die ich im Gericht brauche, brauche ich auch hier, vor allem in den Ausschüssen, in denen ich jetzt arbeite. Und das Abwägen, dass man in die Waagschale legt, welche Sach- und welche Rechtslage man hat und dann am Ende entscheidet, das ist schon sehr ähnlich.
Ja, ganz sicher. Für alle Abgeordneten ist es ein Mandat auf Zeit. Bei manchen bedeutet das eine Legislaturperiode, bei anderen vielleicht mehrere. So oder so ist es am Ende des Tages ein Mandat auf Zeit, mit dem die Bürgerinnen und Bürger einem das Vertrauen schenken. Und wenn es irgendwann so sein sollte, dass das in meinem Wahlkreis nicht mehr der Fall ist, dann werde ich zwar traurig sein, dass ich dieses wertvolle Mandat nicht mehr ausüben kann, aber auch sehr glücklich sein, in meinen eigentlichen Traumberuf zurückzukehren.
Ich vermisse tatsächlich die Gerichtsprozesse. Also Verfahren zu betreiben und zu beenden. Auch wenn das jetzt pathetisch klingt: Ich vermisse es, für Rechtsfrieden zu sorgen. Das ist die Aufgabe der dritten Staatsgewalt und ein hohes Gut. Aber ich freue mich, nun Politik gestalten zu dürfen. Gerade auch im Rechtsausschuss, wo man sauber juristisch arbeiten kann. Das empfinde ich als großes Privileg.
Tijen Ataoğlu
… ist seit 2025 Mitglied des Deutschen Bundestages und vertritt die CDU/CSU-Fraktion als Ordentliches Mitglied im Ausschuss für Recht und Verbraucherschutz.