Zum Inhalt springen

Artothek des Bundestages

Kunst zum Ausleihen

Naomi Webster-Grundl und Jasmin Nimmrich

Einen hübschen Arbeitsplatz wünscht sich wohl jeder. Die Kunstsammlung des Bundestages verleiht Kunstwerke aber nicht nur, damit Abgeordnete ihren Arbeitsplatz verschönern können, sondern um Dialoge anzustoßen.

Foto eines Galerieraumes, an den Wänden hängen verschiedene Kunstwerke, eine Frau mit kurzen blonden Haaren, Jeans und grauem Blazer steht vor den Kunstwerken und gestikuliert.

Für die Einrichtung ihrer Büros haben die Abgeordneten des Deutschen Bundestages die Möglichkeit, Kunstwerke aus der Sammlung des Parlamentes auszuleihen. © mitmischen.de

In den Liegenschaften des Bundestages haben die Abgeordneten des Deutschen Bundestages und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ihre Büroräume. Wer welches Büro beziehen darf, entscheidet der Ältestenrat zu Beginn einer Legislaturperiode. Die durchschnittlich 18 Quadratmeter großen Büroräume sind mit allem ausgestattet, was für die parlamentarische Arbeit nötig ist. Wer mehr als das Nötige möchte, dem ermöglicht das Ausleihsystem der Artothek des Deutschen Bundestages, die eigenen Büroräume mit den Kunstwerken aus der mobilen Kunstsammlung zu verschönern. 

„Kunst schafft Dialog“ 

Dass der Deutsche Bundestag eine eigene Kunstsammlung hat, ist dem Abgeordneten Prof. Gustav Stein zu verdanken, der von 1961 bis 1972 als Abgeordneter für die CDU im Parlament saß. Mit dem Erwerb von 500 Grafiken legte er 1968 den Grundstein für die Sammlung der Artothek. Seit 1976 wird die Sammlung stetig erweitert. Für den jährlichen Neuankauf von Werken stehen 175.000 Euro zur Verfügung.

So haben die Abgeordneten mittlerweile die Möglichkeit, sich aus den knapp 5.000 Kunstwerken von mehr als 2.000 verschiedenen Künstlerinnen und Künstlern ihre Lieblingsstücke für ihre Büroräume auszuleihen. „Die Kunst soll im Arbeitsalltag der Abgeordneten einen Dialog schaffen, denn sie kann inspirieren, Neues anregen und Menschen miteinander verbinden“, so Julia Pfannschmidt, die stellvertretende Leiterin der Kunstsammlung. Durch die Sammlung fänden Kunst und Politik sozusagen zueinander.

Zu den Aufgaben von Pfannschmidt und ihrem Team gehören neben der Pflege des Bestandes und des Verzeichnisses von Kunstwerken auch, die nötigen Restaurierungen zu organisieren sowie bei den Ankaufssitzungen des Kunstbeirates zu unterstützen. Wenn dieser tagt, wird unter dem Vorsitz der Bundestagspräsidentin unter anderem entschieden, welche Kunstwerke für die Artothek angekauft werden. Die Mitglieder des Kunstbeirates entscheiden darüber hinaus auch über die Kunst am Bau, die in allen Liegenschaften des Deutschen Bundestages zu sehen ist, sowie über laufende Ausstellungen und Kunstprojekte, die das Parlament anbietet. 

(Politische) Kunst im politischen Raum 

Wenn es darum geht, welche Kunstwerke in die Sammlung aufgenommen werden sollen, können die Abgeordneten Vorschläge machen, die dann dem Kunstbeirat vorgelegt werden, „der dann darüber diskutiert, welche Neuanschaffungen getätigt werden“, so Julia Pfannschmidt. Für sie ist die Kunstsammlung des Deutschen Bundestages auch durch dieses Mitbestimmungsrecht einmalig: „Die Auswahlprozesse der Artothek führen dazu, dass zeitgenössische und auch junge Kunst besonders gefördert werden. Die Sammlung wächst und wandelt sich also förmlich mit dem politischen Raum des Deutschen Bundestages.“  

Der Katalog der Artothek ist online einsehbar. Das ermöglicht auch den Abgeordneten, sich vor ihrem Besuch in der Sammlung mit den Kunstwerken auseinanderzusetzen und eine Vorauswahl zu treffen, welche Malereien, Fotografien, Illustrationen oder Statuen zu ihren Büroräumen passen würden. Beim eigentlichen Auswahltermin stehen Julia Pfannschmidt und ihr Team dann beratend zur Seite, erläutern die Entstehungsgeschichten hinter den Werken oder überlegen gemeinsam mit den Abgeordneten, wie die Kunstwerke in den Büroräumen am besten zur Geltung kommen können. 

Die Qual der Wahl

Die SPD-Abgeordnete Anja Troff-Schaffarzyk hat einen der ersten Ausleih-Termine in der 21. Wahlperiode. Als sie 2021 zum ersten Mal in den Bundestag gewählt wurde, besuchte sie die Artothek erst recht spät und die Kunstwerke, die sie am meisten angesprochen hätten, waren bereits durch andere Abgeordnete ausgeliehen oder reserviert worden. Denn bei der Kunst-Ausleihe gilt das Motto: Wer zuerst kommt, leiht zuerst aus. Wer später in der Legislaturperiode in die Kunstsammlung kommt, steht aber nicht vor leeren Wänden. An die frei gewordenen Plätzen hängt und stellt das Team der Artothek nach und nach andere Werke aus der Sammlung. 

Dieses Mal fällt Anja Troff-Schaffarzyk die Entscheidung schwer, weil ihr viele der ausgestellten Kunstwerke gut gefallen. Anja Troff-Schaffarzyk lässt die Arbeiten auf sich wirken, während Frau Pfannschmidt ihr Hintergründe und Entstehungsgeschichten näher erläutert. Am Ende entscheidet sie sich für eine Fotoarbeit in Schwarz-Weiß. Die politische Botschaft – ein „aber“, das bleibt, auch wenn man versucht, es wegzuwischen – schlägt hier für sie die bunten Farben anderer Kunstwerke. „Ein wenig politische Botschaft darf schon sein im Abgeordnetenbüro“, schmunzelt sie.

Da sie als Abgeordnete aber natürlich nicht alleine im Büro sitzt, hat sie auch ihre Mitarbeitenden zum Termin mitgebracht, damit auch sie sich Werke aussuchen können. Zwei von ihnen sind so zufrieden mit ihrer Auswahl, die sie zu Beginn der letzten Legislaturperiode getroffen haben, dass sie die Werke einfach weiter im Büro behalten – endgültig abgeben werden müssen die Kunstwerke erst beim Ausscheiden der Abgeordneten aus dem Parlament. Laut Frau Pfannschmidt wachsen vielen die ausgeliehenen Werke, die sie fast täglich sehen, so ans Herz, dass der Abschied oft sehr schwer falle, wenn die Kunst zurück in die Sammlung gehe. Dann komme oft die Frage auf, ob die ausgeliehene Kunst auch gekauft werden könne. Doch diesen Wunsch kann das Team der Artothek nicht erfüllen, die Werke bleiben Teil der Kunstsammlung des Parlamentes.

Kunst, die anregt und inspiriert

Auch Schahina Gambir von Bündnis 90/Die Grünen ist mit der Absicht in die Artothek gekommen, gleich zu Beginn der Legislaturperiode zu entscheiden, welche Kunstwerke ihr Büro verschönern sollen. Auf den Besuch der Ausstellungsräume hat sie sich im Vorhinein bereits vorbereitet und im Onlinekatalog der Artothek Werke gefunden, die sie sich jetzt von Nahem ansehen will. „Die Kunst muss für mich ansprechend und ästhetisch sein, soll aber auch den Inhalt meiner Arbeit widerspiegeln und Haltung zeigen“, so ihr Anspruch an die Kunstwerke in ihrem Büro. Ihr eigener politischer Fokus auf Menschenrechte findet sich in zahlreichen Werken der Artothek wieder, so beispielsweise ein zweiteiliges Diptychon des Deutschen Malers Cornel Wachter, das eine Frau mit Kopftuch – einmal mit und einmal ohne Gesicht – zeigt. 

Von der Auswahl, dem Umfang und der Diversität der Artothek zeigt sich Schahina Gambir sichtlich beeindruckt, während Julia Pfannschmidt sie durch die Ausstellungsräume führt, immer mal wieder anhält und bei potentiell interessanten Werken auf die Künstlerinnen und Künstler und die Ideen hinter den Werken eingeht. Doch zu sehen sind in der Artothek nicht nur die Werke, die an den Wänden hängen oder auf Ausstellungspodesten stehen. Da der Platz begrenzt, die Sammlung jedoch groß ist, sind einige Werke noch sicher verpackt. Denn die vorgezogene Neuwahl hat auch die Artothek vor logistische Herausforderungen gestellt, die Rücknahme und den Neuverleih von Kunstwerken an scheidende und neue Abgeordnete zu organisieren. Doch auch über das in Luftpolsterfolie eingepackte Inventar hat Julia Pfannschmidt den Überblick. 

Das Kunstwerk, das es schließlich in Schahina Gambirs Büro schaffen wird, soll ihren und den Arbeitsalltag ihrer Mitarbeiter bereichern, zum Denken anregen und ihre politische Motivation widerspiegeln. „ Auch wenn ein Abgeordnetenbüro keine Kunstausstellung ist, das Kunstwerk soll inspirieren und für die Arbeit motivieren.“

Weitere Themen