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Amira Mohamed Ali (Die Linke) „Politik für die arbeitende Bevölkerung“

Mira Knauf

Zwei Tage bevor ich Amira Mohamed Ali in Oldenburg treffe, hat sie ihren Rückzug von der Fraktionsspitze der Linken bekannt gegeben. Bei einem Cappuccino sprechen wir über die Zukunft der Fraktion, ihren Weg in die Partei und ihren Wahlkreis.

Die Abgeordnete Amira Mohamed Ali sitzt an einem Holztisch vor einem Kanal in ihrem Wahlkreis Oldenburg.

Der Oldenburger Hafen liegt in der Nähe der Fußgängerzone und des Wahlkreisbüros von Amira Mohamed Ali. Die Promenade ist für Oldenburger ein beliebter Treffpunkt. © Mira Knauf

Ein kühler Wind empfängt mich, als ich vor den Oldenburger Hauptbahnhof trete. Es ist Anfang August, fühlt sich aber erstaunlich herbstlich an. Das Wahlkreisbüro von Amira Mohamed Ali liegt in unmittelbarer Nähe zum Bahnhof. Dort bin ich mit der Bundestagsabgeordneten von der Linksfraktion verabredet. Zwei Tage zuvor hat Mohamed Ali erklärt, nicht mehr zur Wahl der Fraktionsvorsitzenden antreten zu wollen. Das Amt hatte sie 2017 als Nachfolgerin von Sahra Wagenknecht übernommen.

Entspannte Stimmung im Team Mohamed Ali

Ein paar Minuten zu früh treffe ich am Büro ein, ein gut gelaunter Mitarbeiter öffnet mir die Tür. Frau Mohamed Ali sei auf dem Weg, sagt er. Er erzählt, dass am Tag zuvor alle großen Medien da waren: ARD, ZDF, Phoenix. Angespannt ist die Stimmung aber nicht.

Dann trifft Amira Mohamed Ali ein, sie trägt einen blauen Hosenanzug, darüber eine Jacke, die auch gegen das norddeutsche Wetter schützt – und lächelt freundlich. „Die Straße hier verändert sich aktuell stark“, erklärt sie, als wir vom Büro in Richtung des Oldenburger Hafens spazieren. Zunächst sei es eine klassische Bahnhofsstraße gewesen, aber nun gebe es neben dem arabischen Supermarkt auch ein hippes Café, in dem Vintage-Möbel verkauft werden, etwas weiter die Straße runter ein paar schicke Neubauten, aber auch die Oldenburger Tafel befinde sich hier.

Von Hamburg nach Oldenburg

Ich frage, ob sie noch häufig in ihre Heimat Hamburg fährt. „Selten“, antwortet sie, dazu fehle ihr oft die Zeit. Nach Oldenburg kam sie wegen ihres Mannes. Mohamed Ali hat in Hamburg und Heidelberg Jura studiert und besuchte während ihres Studiums häufiger ihre Schwester in Oldenburg, die dort lebte. „So habe ich meinen heutigen Mann kennengelernt“. Zum Referendariat zog Mohamed Ali dann nach Oldenburg.

Teurer Wohnraum in Oldenburg

„Als ich vor 18 Jahren nach Oldenburg kam, war der Wohnraum hier noch relativ günstig. Jetzt ist das anders“, erzählt die Abgeordnete. Inzwischen haben wir uns in dem hippen Café niedergelassen und Cappuccino bestellt. Die Mieten seien in den letzten Jahren aber sehr gestiegen. Mohamed Ali sieht darin eine große Herausforderung für die jungen Leute in ihrem Wahlkreis. „Oldenburg ist eine Studentenstadt“, aber bezahlbare Wohnungen zu finden, sei ganz schwierig, sagt sie.

Collage mit Bildern aus der Universitätsstadt Oldenburg.

In der Universitätsstadt Oldenburg sei bezahlbarer Wohnraum schwer zu finden, sagt Mohamed Ali. © Mira Knauf

Sie führt diese Entwicklung auf ein Missmanagement zurück. Es gebe ohnehin nicht genug kleine Wohnungen, um dem Ansturm der Studenten gerecht zu werden. Gleichzeitig werde zwar gebaut, aber meistens entstünden nur teure Eigentumswohnungen. Es brauche unbedingt eine gesetzliche Regelung, damit Mietpreise nicht ins Unermessliche steigen könnten, so Mohamed Ali. Das sei eine Angelegenheit, die auf Bundesebene geklärt werden müsse.

Schlechte Anbindung des Ammerlandes

Ein weiteres Problem sieht die Linkspolitikerin im Bereich des öffentlichen Nahverkehrs. „Mein Wahlkreis besteht aus Oldenburg und dem Ammerland“, erklärt sie. In Oldenburg komme man mit öffentlichen Verkehrsmitteln noch verhältnismäßig gut zurecht, allerdings gebe es kaum Verbindungen in den frühen Morgen- und späten Abendstunden. „Aber im Ammerland ist schlecht ausgebauter Nahverkehr ein wichtiges Thema.“

In Mohamed Alis Wahlkreis leben mehr als 228.000 Wahlberechtigte. „Wenn ich mich hier für einen Lieblingsort entscheiden müsste, würde ich Eversten Holz nehmen, unseren Stadtwald“, sagt Mohamed Ali. Es sei ein schöner Ort, an dem man abschalten könne.

Bild der Karte des Wahlkreises der Abgeordneten Mohamed Ali

Mohamed Alis Wahlkreis besteht aus der Stadt Oldenburg und dem Ammerland – bekannt für seine Parklandschaft und das „Zwischenahner Meer“. © OpenStreetMap/Amira Mohamed Ali/Thomas Hedrich/DiG

Leben in Berlin

Ungefähr die Hälfte des Jahres verbringt Mohamed Ali in Berlin. Im Bundestag verstehe sie sich mit Abgeordneten verschiedener Fraktionen, berichtet sie. Das hänge eher von der Person als von der Fraktion ab, sagt sie, klammert dabei aber die AfD aus: „Da gibt es keinerlei Gemeinsamkeiten.“ Die Abgeordnete hat eine Zweitwohnung in Berlin. Dort einen Rückzugsort zu haben, helfe ihr auch im Umgang mit dem Stress, erzählt sie. In ihrer Freizeit mache sie aber auch gerne Musik in Oldenburg, wenn auch unregelmäßig. Seit vielen Jahren ist sie Sängerin des Akustik-Duos „Brooklyn Baby“. Dort singe sie unter anderem Songs von Lana Del Ray und Johnny Cash. 

Übrigens war Mohamed Ali früher einmal Sprecherin für Tierschutz in ihrer Partei. Für eigene Haustiere fehle ihr aktuell aber leider die Zeit. Früher habe sie Katzen gehabt und hätte eigentlich auch gerne wieder welche.

Mohamed Ali wurde bei der Bundestagswahl 2021 über die Landesliste gewählt. Die Linke wäre damals fast an der Fünf-Prozente-Hürde gescheitert, wenn sie nicht drei Direktmandate geholt hätten. So ist sie mit 39 Sitzen in dieser Legislaturperiode die kleinste Oppositionsfraktion.

Die Abgeordnete Amira Mohamed Ali steht vor einem Kanal in ihrem Wahlkreis Oldenburg.

In ihrer Freizeit sing Amira Mohamed Ali in einem Akustik-Duo namens „Brooklyn Baby“. Zum Repertoire gehören Songs von Lana Del Ray und Johnny Cash. © Mira Knauf

Der Weg in die Partei

Eigentlich stamme sie aus einem SPD-Haushalt, erzählt Mohamed Ali. Die Belange der arbeitenden Bevölkerung seien ihr schon immer sehr wichtig gewesen. „Es muss gute Bildungschancen, gut bezahlte Arbeitsplätze und eine gute Altersabsicherung für alle geben”, sagt sie. Niemand dürfe abgehängt werden. Mit der Agenda-Politik der SPD sei ihr klar geworden, dass diese Partei keine „politische Heimat“ für sie darstelle, sagt Mohamed Ali. Zur Erklärung: Die Agenda 2010 war ein Reform-Konzept unter Bundeskanzler Gerhard Schröder, das große Veränderungen für den Arbeitsmarkt und das Sozialsystem beinhaltete. Das sogenannte Hartz IV – Arbeitslosengeld II – gehörte unter anderem dazu.

Nach Studium und Referendariat arbeitete sie zehn Jahre als Unternehmensanwältin und Vertragsmanagerin bei einem Automobilzulieferer. 2016 entschied Mohamed Ali schließlich, sich im Kommunalwahlkampf einzubringen. Die Arbeit habe ihren großen Spaß gemacht und jemand habe sie angesprochen, ob sie sich vorstellen könne, für den Bundestag zu kandidieren. Sie habe sich getraut und sei heute froh, dass es so gekommen sei.

Rücktritt als Fraktionschefin

Das sagt Mohamed Ali, obwohl ihre Fraktion sich in keiner einfachen Situation befindet. „Rückzug der Fraktionschefin: Der Anfang vom Ende der Linksfraktion“ titelt die Tagesschau am Tag unseres Treffens. Ich frage sie, warum sie sich für den Rückzug entschieden hat. „Das war eine politische Entscheidung, meine Haltungen und Überzeugungen haben sich aber nicht geändert“, sagt sie. Es sei der Kurs der Parteiführung, den sie nicht mittragen wolle. „Die Linke müsste sich stärker für die Menschen einsetzen, für die sie sich einst gründete. Für die arbeitende Bevölkerung und für die, die nicht auf der Sonnenseite des Lebens stehen.“

Zwei Frauen sitzen an einem Holztisch vor einem Kanal und unterhalten sich.

Bei ihrem Treffen sprechen Autorin Mira und die Abgeordnete auch über die Zukunft der Linksfraktion. © Mira Knauf

Kritik am Umgang mit Sahra Wagenknecht

Mohamed Ali kritisiert aber auch den Umgang ihrer Fraktion mit Parteigenossin Sahra Wagenknecht. Wagenknecht hatte in der Vergangenheit immer wieder geäußert, eine eigene Partei gründen zu wollen. Das hatte innerhalb der Fraktion zu Streit geführt. Die Parteispitze forderte deshalb nun kürzlich, dass Wagenknecht ihr Mandat zurückgeben solle. „Das widerspricht meiner Ansicht nach demokratischen Grundsätzen. Das Mandat ist frei und daran darf auch nicht gerüttelt werden“, sagt Mohamed Ali dazu, schließlich stehe es so im Grundgesetz.

Der Parteivorstand sieht das anders: Es sei nicht akzeptabel, Ressourcen zu nutzen, die auf Mandate zurückzuführen sein, die für Die Linke gewonnen wurden, um daraus ein Konkurrenzprojekts aufzubauen, schreibt der Vorstand in einem Beschluss.

Sehr ernst wird Mohamed Ali, als ich sie frage, ob der Zerfall der Fraktion eine Bedrohung darstelle. „Ja“, antwortet sie, „das muss man ehrlicherweise so sagen und das lässt sich nicht beschönigen.“ Wenn drei Menschen die Fraktion verließen, dann verliere man den Fraktionsstatus. Und das sei eine reale Gefahr.

Zur Person

Amira Mohamed Ali

Amira Mohamed Ali wurde 1980 in Hamburg geboren. Nach der Schule studierte sie Rechtswissenschaften in Hamburg und Heidelberg und machte ihr Referendariat am Oberlandesgericht in Oldenburg. Seit 2008 ist sie zugelassene Rechtsanwältin und arbeitete zehn Jahre als Syndikusanwältin und Vertragsmanagerin bei einem Automobilzulieferer. Mohamed Ali ist seit 2017 Mitglied des Bundestages und war seit 2019 gemeinsam mit Dietmar Bartsch Fraktionsvorsitzende. Sie ist Obfrau Ausschuss für Umwelt, Naturschutz, nukleare Sicherheit und Verbraucherschutz.

Mehr erfahrt ihr auf ihrem Profil auf bundestag.de.

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