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Abgeordneten-Interview Flut-Region: „Desolat und behelfsmäßig“

Laura Heyer

Der Wahlkreis von Mechthild Heil (CDU/CSU) liegt in Rheinland-Pfalz und ist besonders von der Flutkatastrophe betroffen. Laura hat sie gefragt: Wie geht es den Kindern und Jugendlichen dort? Und: Wie läuft der Wiederaufbau?

Portraitfoto

Mechthild Heil (CDU/CSU) hofft, dass der Aufbau in ihrem Wahlkreis Ahrweiler schnell vorangeht. © Tobias Koch

Frau Heil, Ihr Wahlkreis Ahrweiler war sehr stark von der Flutkatastrophe betroffen. Wie ist die Lage dort aktuell?

Jetzt ist schon sehr viel aufgeräumt und nicht mehr ein so großes Chaos wie noch im Juli. Aber Menschen, die das erste Mal ins Ahrtal fahren, sind immer noch geschockt: Häuser sind zerstört, die Straßen sind aufgerissen, überall liegt sehr viel Staub, der sich bei Regen in Matsch verwandelt. Mittlerweile haben alle Anwohner wieder Wasser, wenn auch noch nicht überall aus der Leitung. Es haben aber noch nicht alle wieder Strom, sondern nutzen Stromaggregate, weil eben alle Leitungen zerstört sind. Alles ist immer noch sehr desolat und behelfsmäßig.

Häuser, Straßen und auch öffentliche Einrichtungen wie Schulen wurden zerstört, einige Familien haben alles verloren. Wie geht es den jungen Menschen vor Ort?

Es sind natürlich sehr viele alltägliche Dinge zerstört worden – auch besonders Schulen und Kindergärten. Die Städte haben Container aufgestellt oder die Kinder gehen in Schulen in umliegenden Gemeinden, die nicht betroffen sind. Dadurch sind die Fahrwege aber oft viel weiter. Und das Ganze wird dann natürlich durch die kaputten Straßen erschwert, sodass Kinder und Jugendliche oft eine oder anderthalb Stunden unterwegs sind zum Unterricht. Hinzu kommt, dass alle Klassen quasi neu zusammengewürfelt sind. Gleichzeitig sind viele Jugendliche einfach sehr froh, ihre Freunde und Freundinnen zu sehen.

Einige, besonders kleine Kinder, sind von den Erlebnissen der Flut auch traumatisiert. Daher merkt man, dass viele Eltern ihre Kinder auch gar nicht über längere Zeit in die Kita oder den Kindergarten geben wollen.

Am 26. September ist Bundestagswahl. Kann die Wahl geregelt stattfinden?

Die Wahl wird auf jeden Fall nicht so stattfinden, wie es geplant war. Denn die meisten Orte, in denen ein Wahllokal gewesen wäre, sind zerstört. Viele Menschen haben außerdem gar keine Anschrift mehr, an die man ihnen ihre Unterlagen schicken könnte, sondern leben gerade im Hotel oder bei Verwandten oder Freunden. In der Kreisstadt Ahrweiler gibt es zwei Zelte, die als Wahllokal dienen und es gibt nun Busse, in denen man seine Unterlagen bekommen und Briefwahl machen kann. Aber ich denke, am Ende wird es gut gelingen, da sich die Menschen auch untereinander kennen und unterstützen.

Der Bundestag hat in dieser Woche einen Aufbaufond von 30 Milliarden Euro beschlossen. Wie kommt dieses Geld jetzt zu den Betroffenen?

Der Aufbaufond wird vom Bund und allen Ländern zusammen organisiert. Nun sind die Länder an der Reihe – wie in meinem Fall Rheinland-Pfalz – und beschließen dann die Details: Wie und wann wird ausgezahlt? An wen wird ausgezahlt? Im Moment gibt es aber noch einige Unsicherheiten. Privatleute werden das Geld direkt erhalten – Winzer oder Landwirte erhalten das Geld zum Beispiel über ihre jeweiligen Verbände.

Aber der Aufbau wird sicher Zeit in Anspruch nehmen. Aus Erfahrungen kann man sagen, dass Familienhäuser und Geschäfte vielleicht schon im nächsten Sommer wieder aufgebaut sind. Aber Brücken, Kläranlagen und andere technische Einrichtungen aufzubauen, kann gut einige Jahre in Anspruch nehmen.

Wie kann sich Deutschland gegen solche Katastrophen besser wappnen?

Erstmal ist der Vorfall natürlich ein Wetterereignis – aber natürlich hat dieser Starkregen etwas mit der Veränderung des Klimas zu tun. Ich glaube, langfristig ist es wichtig, nicht nur auf die Gebäude zu schauen und diese zu schützen. Sondern wir müssen die kleinen Bäche abschirmen, denn die fallen beim normalen Hochwassermonitoring oft aus der Statistik. Im Ahrtal ist es so, dass viele kleine Bäche in Gebieten liegen, die gar nicht dicht besiedelt sind. Wenn man diese Bäche also dort staut und freie Flächen flutet, fließt das Wasser gar nicht erst in die Ahr und man schützt die Wohngebiete.

Mechthild Heil, 60, sitzt seit 2009 für die CDU/CSU-Fraktion im Deutschen Bundestag. Sie ist die Vorsitzende des Ausschusses für Bau, Wohnen, Stadtentwicklung und Kommunen. Heil wohnt im Kreis Ahrweiler in Rheinland-Pfalz, der besonders stark von der Flutkatastrophe betroffen ist.

(lh)

mitmischen-Autorin

Laura Heyer

hat in Heidelberg Geschichte studiert, in Berlin eine Ausbildung zur Journalistin gemacht und ist dann für ihre erste Stelle als Redakteurin nach Hamburg gegangen. Dort knüpft sie nun Netzwerke für Frauen. Aber egal wo sie wohnt – sie kennt immer die besten Plätze zum Frühstücken.

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