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PRO UND CONTRA Nord Stream 2 stoppen?

Sollte Europa das Pipeline-Projekt infolge des Giftanschlags auf den russischen Oppositionspolitiker Alexej Nawalny einstellen? Darüber diskutierte der Bundestag kürzlich. mitmischen-Autor Fabian ist dafür, Ludwig dagegen.

Daumen-Hoch- und Daumen-Runter-Symbol mit Autoren-Bildern

Würde Deutschland sich mit einem Stopp unabhängiger machen oder ins eigene Fleisch schneiden? mitmischen-Autoren diskutieren. © shutterstock.om/Roman Bykhalets

Pro

Fabian (17): Nicht von Russland abhängig machen

Es hört sich so an, als wäre die Geschichte einem Agenten-Spielfilm aus dem Kino entsprungen: Der russische Kreml-Kritiker, also Oppositionspolitiker, Alexej Nawalny bricht auf einem Flug von Sibirien nach Moskau zusammen. Anfangs wird er in einem sibirischen Krankenhaus behandelt, von dem aus keine oder nur sehr wenige Informationen an die Öffentlichkeit gelangten. Seine Frau und seine Unterstützter wollten ihn in ein anderes Krankenhaus einweisen lassen – die Berliner Charité war von Anfang an in der engeren Auswahl und schließlich wurde Nawalny mit einem Spezialflug dorthin gebracht. Dort lag er im Koma und wurde intensiv medizinisch betreut, denn eine Frage beschäftigte die ganze Welt: Was war dem Putin-Gegner geschehen?

Darauf hatte ein Speziallabor der Bundeswehr schnell eine Antwort: Die deutschen Ärzte – und in der Folge auch die Bundesregierung – sehen es als „zweifelsfrei erwiesen“ an, dass Nawalny mit einem verbotenen chemischen Kampfstoff der Nowitschok-Gruppe vergiftet wurde. Die Welt erinnert sich an den britischen Spion Sergej Skripal und dessen Tochter, die 2018 ebenfalls mit diesem Stoff vergiftet wurden und nur knapp überlebten. Mittlerweile liegt Nawalny nicht mehr im Koma, sein Zustand sei „stabil", heißt es aus der Charité.

Was folgt nun auf diesen Giftanschlag?

Wenn der russische Staat etwas mit der Vergiftung zu tun hat, hätte er damit gegen das internationale Chemiewaffen-Abkommen verstoßen – und das könnten wir als Demokratie nicht einfach so hinnehmen. Der Kreml muss die Vergiftung vollständig aufklären, sonst sollte man meiner Ansicht nach ein deutliches Zeichen setzen und Sanktionen planen. Ich finde sogar, man müsste alle deutsch-russischen Projekte stoppen. Deutschland kann mit dem Androhen eines solchen Stopps erheblichen politischen Druck ausüben.

Demokratie vor wirtschaftliche Interessen!

Warum nun eignet sich das Projekt Nord Stream 2 besonders als ein solches Druckmittel? Nord Stream 2 ist eine Gas-Pipeline, die parallel zu der bereits bestehenden Leitung Nord Stream 1 Erdgas von Russland nach Deutschland bringen soll – ein Milliardenprojekt und fast fertig gebaut.

Wir machen uns mit dieser Erdgasversorgung ein Stück weit von Russland abhängig und damit erpressbar. Eine diplomatische Lösung von zukünftigen Konflikten wird schwerer, wenn man wirtschaftlich erpressbar ist. Ich bin der Meinung, mit einer Regierung, die im Verdacht steht, Wahlen zu manipulieren und politische Gegner zu vergiften, darf man keine Geschäfte machen – auch nicht, wenn es wirtschaftlich für Deutschland von Vorteil wäre.

Contra

Ludwig (15): Arbeitsplätze stehen auf dem Spiel

Der Fall Nawalny erregt zur Zeit große politische und mediale Aufmerksamkeit. Alexej Nawalny, ein russischer Kremelkritiker und Aktivist, war am 20. August auf einem Flug in Russland ins Koma gefallen, in ein russisches Krankenhaus gebracht und dann zwei Tage später auf Drängen seiner Familie in die Charité nach Berlin verlegt worden. Die Bundesregierung hatte nach Untersuchungen eines Spezial-Labors der Bundeswehr mitgeteilt, es sei erwiesen, dass Nawalny mit dem militärischen Nervengift Nowitschok vergiftet worden ist.

Russland weist aktuell alle Vorwürfe zurück und verweist darauf, dass bei Nawalnys zweitägigem Aufenthalt in einer Klinik in Sibirien keinerlei Spuren von Gift gefunden wurden.

Was hat das mit Nord Stream 2 zu tun?

Viele deutsche Politiker fordern dennoch harte Sanktionen gegen Russland. Eine mögliche Sanktion wäre, das europäisch-russische Pipieline-Projekt Nord Stream 2 zu stoppen. Es soll Erdgas von Russland nach Deutschland transportieren. Kritiker befürchten, dass Russland dadurch einen zu großen Einfluss auf den europäischen Energie-Mark bekommen könnte.

Es drohen Milliardenverluste für europäische Unternehmen

Das Problem ist: Ein Baustopp könnte die Falschen treffen. Immerhin sind 120 Unternehmen aus zwölf verschiedenen Ländern an dem Projekt beteiligt. Sie investieren in Summe etwa 12 Milliarden Euro. Würde das Projekt jetzt gestoppt, würden diese Investitionen wortwörtlich in der Ostsee versenkt. Den Verlust müssten große europäische Unternehmen tragen, was wiederum unzählige Arbeitsplätze gefährden könnte.

Rechtliche Hürden

Zudem ist Nord Stream 2 ein privatwirtschaftliches Projekt. Das heißt, der Staat oder die EU-Kommission haben keinerlei rechtliche Handhabe, um das Projekt zu stoppen, da die Genehmigungen längst erteilt wurden.

Auf Deutschland und die Europäische Union könnten daher Entschädigungszahlungen zukommen, die den bereits durch die Corona-Krise gebeutelten Haushalt nochmals immens belasten würden.

Folgen für internationale Beziehungen

Ohnehin müsste die EU sich erst mal auf eine gemeinsame Haltung einigen. Die politischen Beziehungen zwischen Europa und Russland würden sich durch einen Stopp von Nord Stream 2 vermutlich nachhaltig verschlechtern.

Würde das Projekt tatsächlich gestoppt, müsste man zudem nach anderen Erdgaslieferanten suchen. Durch den Ausfall des einen Handelspartners könnten sich neue Abhängigkeiten ergeben, zum Beispiel von potenziellen Lieferanten wie den USA, dem Iran oder Kanada. Dass US-Präsident Donald Trump sich wiederholt gegen Nord Stream 2 ausspricht, könnte durchaus eigennützige Beweggründe haben.

Diese neuen Abhängigkeiten könnten zu höheren Preisen führen, die letztendlich der Endverbraucher tragen müsste.

Ich finde, Nord Stream 2 darf kein Spielball der Politik werden. Milliarden Euro, Arbeitsplätze und Handelsbeziehungen stehen auf dem Spiel. Das Projekt sollte deshalb auf keinen Fall vorschnell gestoppt werden.

Hier könnt ihr euch die Aktuelle Stunde „Haltung der Bundesregierung zum Fall Nawalny“ vom 11. September im Video anschauen:

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