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DDR-Geheimdienst Stasi „Warum saß Opa im Gefängnis?“

Eric Matt

Seit 30 Jahren ist Deutschland wiedervereint. Seit 30 Jahren gibt es die „Stasi-Unterlagenbehörde“, die Dokumente der Geheimpolizei der DDR aufbewahrt. Die Behörde hat nun ihren 15. und zugleich letzten Bericht vorgestellt. Mehr zur Stasi, zur Behörde und zum Wie-weiter lest ihr hier.

Gefüllte Papiersäcke in Regalen

Nicht alles konnte gerettet werden: Säckeweise zerrissene Akten liegen im Archiv der Stasi-Unterlagenbehörde und warten auf Kleber. © picture alliance/dpa | Bernd Wüstneck

Was war die Stasi?

Stasi ist die umgangssprachliche Bezeichnung für das „Ministerium für Staatssicherheit“ (MfS). Das MfS war ein Ministerium, das in der DDR existierte und in Berlin seine Zentrale hatte. DDR steht für Deutsche Demokratische Republik, doch „demokratisch“ war diese nicht. Denn in dem ostdeutschen Staat, der von 1949 bis 1990 existierte, gab es keine freien Wahlen, keine Meinungsfreiheit und auch vieles andere nicht, was zu einer demokratisch-freiheitlichen Grundordnung gehört.

Versteckte Kameras in Schränken, verwanzte Wände im Wohnzimmer oder Personen, die sogar Freunde und Familienmitglieder ausspionierten und dem Ministerium für Staatssicherheit meldeten – so sah die Realität vieler Menschen in der DDR aus. Für all das war die Stasi verantwortlich, die als eine Art Geheimpolizei fungierte.

Aufgabe der Stasi war dabei vor allem, die Menschen in der DDR zu überwachen und einzuschüchtern, um so kritische Stimmen und Gegenmeinungen zum Staat und den Regierenden zu unterbinden. Es herrschte die Sozialistische Einheitspartei Deutschlands (SED), die mit dem Geheimdienst ihre Macht sichern wollte. Bei der Stasi arbeiteten zum Ende der DDR rund 90.000 Mitarbeiter, zu denen noch einmal bis zu 189.000 Spitzel hinzukamen.

Spitzel waren inoffizielle Mitarbeiter, kurz IM. Sie überwachten und verrieten andere und gaben Informationen an das MfS weiter. Doch die Stasi kontrollierte nicht nur Bürgerinnen und Bürger, sondern inhaftierte auch viele ohne Gründe.

Sogar an Entführungen und Ermordungen von Oppositionellen, also Gegnern des DDR-Regimes, war die Stasi beteiligt. Hierbei war es egal, ob es um Sport, Kultur, Kirche, Bildung, Polizei oder Gesundheit ging: Die Stasi überwachte nahezu jeden Bereich der Gesellschaft.

Was ist die Stasi-Unterlagenbehörde?

Die Stasi-Unterlagenbehörde gibt es seit 1990 – also seit der Wiedervereinigung Deutschlands und dem Ende der DDR. Der offizielle Name lautet: „Behörde des Bundesbeauftragten für die Unterlagen des Staatssicherheitsdienstes der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik“ (BStU).

Da diese Beschreibung aber recht lang ist, nennt man die Stasi-Unterlagenbehörde auch oft nach dem Beauftragten. Seit zehn Jahren ist es die „Jahn-Behörde“, da der derzeitige Bundesbeauftragte Roland Jahn heißt. Jahn hat übrigens einen bekannten Vorgänger: Der ehemalige Bundespräsident Joachim Gauck war der erste Chef der Stasi-Unterlagenbehörde.

Die Stasi-Unterlagenbehörde ist dafür zuständig, die Unterlagen und Akten, die die Stasi in der DDR von sehr vielen Bürgern erstellt hat, zu verwalten und aufzubewahren. Die Behörde bewahrt nach eigenen Angaben „mehr als 111 Kilometer Aktenmaterial und mehr als 1,7 Millionen Fotos sowie Karteikarten, Filme, Tondokumente und Mikrofiches“ auf. Mikrofiches enthalten zahlreiche A4-Seiten, die nur mit einem speziellen Lesegerät, nicht aber mit dem bloßen Auge erkennbar sind.

Doch was passiert seither mit all den Informationen? Personen, die in der DDR lebten und womöglich überwacht wurden, können bei der Behörde einen Antrag stellen und in ihre Stasi-Akten schauen. Dadurch möchte die Behörde „Aufklärung über das eigene Schicksal ermöglichen sowie zur Rehabilitierung von zu Unrecht verurteilten Menschen beitragen“. Seit 1990 haben 2,17 Millionen Bürgerinnen und Bürger insgesamt 7,3 Millionen Anträge gestellt, um Material zu sichten.

Gebäude der Stasi-Unterlagenbehörde in Berlin von außen

Ein Gebäude wie die langen Regale, die es beherbergt: die Stasi-Unterlagenbehörde in Berlin. © BStU

Die Behörde


Ob Infos darüber, wie man einen Antrag stellt, um Akten einzusehen, ein Lexikon zur Stasi oder die Social Media-Kanäle der Stasi-Unterlagenbehörde – auf www.bstu.de findet ihr all das und mehr.

Was steht im Stasi-Unterlagenbericht?

Die Stasi-Unterlagenbehörde veröffentlicht alle zwei Jahre einen Bericht über die Tätigkeiten und Entwicklungen des jeweils letzten Zeitraumes. Am vergangenen Freitag war dies nun zum 15. Mal der Fall. Der Bundesbeauftragte Roland Jahn überreichte den aktuellen Bericht an Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU). Der aktuelle Bericht klärt über die Jahre 2019 und 2020 auf.

Das Besondere dabei ist, dass dies der letzte Tätigkeitsbericht der Stasi-Unterlagenbehörde ist, denn noch dieses Jahr soll die Behörde aufgelöst werden.

Der Bericht umfasst über 100 Seiten. Daraus geht hervor, dass es im Jahre 2019 35.554 Erstanträge und 14.156 Wiederholungsanträge auf Akteneinsicht gab. 2020 hingegen wurden nur noch 23.686 Erstanträge und 9.195 Wiederholungsanträge gestellt. Dies lasse sich durch die Corona-Pandemie erklären, heißt es in dem Bericht.

Vor allem Angehörige und Nachkommen verstorbener Menschen hätten in den vergangenen zwei Jahren vermehrt Akteneinsicht beantragt, heißt es weiter. Dies mache 19 Prozent aller Anträge aus. „Die Familienmitglieder schauen in die Akten und wollen sehen, wie hat die Staatssicherheit eingegriffen in das Leben der Familie? Warum saß Opa im Gefängnis?“, erklärte Jahn den Umstand, dass es auch 30 Jahre nach dem Ende der DDR „noch immer mehrere tausende Anträge jeden Monat“ gibt.

Behörde wird aufgelöst – was dann?

Nach fast 30 Jahren und 15 Tätigkeitsberichten wird die Stasi-Unterlagenbehörde am 17. Juni 2021 aufgelöst. Dies hat der Deutsche Bundestag im vergangenen Jahr beschlossen. Laut Jahn seien „die letzten zwei Jahre davon geprägt“ gewesen, „dass wichtige Weichen gestellt worden sind für die Zukunft der Stasi-Unterlagen“.

So sollen alle Stasi-Akten in Zukunft beim Bundesarchiv einsehbar sein. Das Bundesarchiv ist eine Behörde, die beispielsweise Plakate, Bilder, Videos oder Tonaufzeichnungen aufbewahrt. Dabei reicht die Palette vom Heiligen Römischen Reich über das Deutsche Reich bis in die Gegenwart der Bundesrepublik Deutschland hinein. Zukünftig finden Interessierte im Bundesarchiv nun auch die Stasi-Unterlagen.

Jahn versicherte: „Der Gesamtbestand des Stasi-Unterlagen-Archivs wird Archivgut des Bundes und somit dauerhaft gesichert. Die Nutzung der Stasi-Unterlagen geht unverändert weiter, nach den bewährten Regeln und an den gleichen Orten.“ Das Archiv aber biete die Möglichkeit, „die SED-Diktatur insgesamt zu betrachten“, was besonders wichtig sei, da die Stasi-Unterlagen „sozusagen eine Trophäe der Revolution“ seien. Damit meint er die sogenannte „friedliche Revolution“, mit der Demonstranten in der DDR gewaltlos und friedlich das SED-Regime zum Einsturz brachten.

In Zukunft wird es außerdem einen „Bundesbeauftragten für die Opfer der SED-Diktatur beim Deutschen Bundestag“ geben. Jahn erklärte, dass dies „eine Weiterentwicklung des Bundesbeauftragten für die Akten zu einem Bundesbeauftragten für die Menschen“ sei.

Er sagte: „Aufklärung ist die Grundlage, damit wir aufarbeiten können, damit wir Konflikte in der Vergangenheit bereinigen können. In diesem Sinne ist es wichtig, dass die Akten auch den nächsten Generationen zur Verfügung stehen.“

Das Parlamentsfernsehen des Deutschen Bundestages interviewte Roland Jahn zu seinem letzten Bericht:

Zur Person

Portraitfoto von mitmischen-Autor Eric Matt
mitmischen-Autor

Eric Matt

... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.

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