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Internationales Parlaments-Stipendium 2024 „Hier wird gelacht und hart gearbeitet“

Naomi Webster-Grundl

Eleonora absolviert im Rahmen des Internationalen Parlament-Stipendiums seit April ein Praktikum im Büro der Bundestagsabgeordneten Katrin Staffler. Im gemeinsamen Interview erzählen sie uns von den bisherigen Highlights des Praktikums, den Unterschieden zwischen der Knesset und dem Deutschen Bundestag und was sie aus der gemeinsamen Zeit gelernt haben.

Die Bundestagsabgeordnete Katrin Staffler und ihre IPS-Praktikantin Eleonora stehen vor einem Gemälde und lächeln in die Kamera.

Die Bundestagsabgeordnete Katrin Staffler (CDU/CSU) freut sich, dass Eleonora aus Israel im Rahmen des IPS-Programms Praktikum bei ihr im Büro macht. © Naomi Webster-Grundl/mitmischen.de

Eleonora (25) ist in Italien aufgewachsen und nach ihrem Bachelor in Sozialarbeit nach Israel gezogen, wo ein Teil ihrer Familie lebt. Nachdem sie in der nordisraelischen Stadt Haifa einen Master in Diplomatie absolviert hat, bewarb sie sich um einen Platz im IPS-Programm. Als der Bewerbungsprozess abgeschlossen war und sie eine Zusage bekam, brach der Krieg zwischen Israel und Gaza aus. Sie arbeitet als Praktikantin im Büro der Bundestagsabgeordneten Katrin Staffler (CDU/CSU).

Eleonora, hast du überlegt, wegen des Krieges nicht am IPS-Programm teilzunehmen?

Eleonora: Ja, ich habe überlegt: Soll ich das Stipendium antreten oder nicht? Denn ein Teil meiner Familie, Freunde und Bekannten lebt in Israel und mein Freund war zu dem Zeitpunkt selbst als Soldat im Krieg. Aber dann dachte ich mir: Doch, ich gehe nach Berlin! Das ist ein Weg, um kleine Sachen zu verändern und eine Perspektive zu bekommen, die man vielleicht in Israel derzeit nicht sieht oder hört. Und dann bin ich nach Berlin gekommen und jetzt bin ich bei Katrin und ihrem Team im Bundestagsbüro.

Hat dich bisher irgendwas besonders überrascht an der Arbeit einer Abgeordneten und ihres Büros?

Eleonora: Also erstmal dachte ich, dass die Abgeordneten immer in Berlin bleiben und dass sie  ständig im Plenarsaal sitzen und abstimmen. Ich hatte nie daran gedacht, dass sie vor der Abstimmung noch diskutieren müssen. Und die Diskussion selbst findet ja nicht nur im Plenarsaal statt, sondern in Arbeitsgruppen, Ausschüssen, vorher in den Fraktionen und davor innerhalb der Partei. All das, um eine bestimmte Qualität zu gewährleisten und damit man mit gewissen Vorkenntnissen zur Plenarsitzung kommt. Mir war vorher überhaupt nicht klar, wie überlegt die Ablehnung oder Zustimmung zu einer politischen Frage ist. Und was mich außerdem überrascht hat, ist, wie zugänglich die Institutionen hier in Deutschland und in Berlin sind. Man kann hier einfach vorbeilaufen und, da viele Fronten aus Glas sind, kann man förmlich in den Bundestag reinschauen.

Katrin Staffler: Die gelebte Transparenz. (lacht)

Eleonora: Ja, diese Transparenz ist nicht selbstverständlich. In Israel haben wir die Knesset, das Gebäude des israelischen Parlaments, und das steht in Jerusalem hoch auf einem Hügel, da hat man eher ein Gefühl wie bei einem Olymp. Hier hingegen laufen ständig Studenten, Schüler, Kinder und  Familien durch – ich bin im positiven Sinne überrascht, wie offen hier alles ist.

In der aktuellen Situation mit Krieg in Gaza und Israel – konnten Sie da neue Perspektiven voneinander lernen?

Eleonora: Es ist natürlich ein schwieriges Thema. Aber ich habe im Grunde von Katrin von Anfang an Unterstützung gemerkt. 

Katrin Staffler: Ich bin die zuständige Wahlkreisabgeordnete für den Landkreis Dachau. Und deswegen haben wir einfach aus der Geschichte heraus immer schon einen sehr engen Kontakt nach Israel. Es ist ja immer lange ein großes Geheimnis, wer über das IPS zu einem ins Büro kommt. Und als wir erfahren haben, dass jemand aus Israel kommt, haben wir uns alle sehr gefreut. Einfach auch, weil ich glaube, dass es wichtig ist, gerade im Moment ein Zeichen zu setzen. Im Wahlkreis bin ich zum Beispiel auch viel in Schulklassen und dort über persönliche Erfahrungen berichten zu können, gibt dem Thema einfach noch mal eine andere Sichtweise.

Eleonora: Durch mein Praktikum hier habe ich Zugang zu vielen verschiedenen Medien, und es ist für mich sehr interessant zu sehen, wie deutsche Zeitungen darüber berichten, was in Israel passiert. Gleichzeitig sind hier ja ganz viele Stipendiaten aus anderen Ländern. Normalerweise haben wir in Israel wenig bis keinen Kontakt mit Leuten aus Ägypten oder dem Irak. Deswegen freue ich mich sehr, dass ich hier die Möglichkeit habe, mit ihnen die Geschehnisse zu debattieren – Austausch ist einfach so wichtig. Und wenn ich morgens ins Büro komme, erzähle ich dem Team, was am Tag vorher passiert ist, beispielsweise wo meine Familie ist. Und ich glaube, dadurch bekommen sie eine ehrliche Perspektive, die nicht fanatisch ist, sondern nur von einer Person, die Familie dort hat, die die Sachen miterlebt und sich Frieden wünscht wie alle normalen Menschen. Natürlich tut es weh, so weit weg von zuhause zu sein, aber ich versuche auch meinen Teil für die Zukunft beizutragen.

Die Bundestagsabgeordnete Katrin Staffler (CDU/CSU) und die IPS-Stipendiatin Eleonora unterhalten sich.

Die Bundestagsabgeordnete Katrin Staffler (CDU/CSU) und die IPS-Stipendiatin Eleonora schätzen den Austausch miteinander sehr. © Naomi Webster-Grundl/mitmischen.de

Frau Staffler, was bringt Eleonora mit, was für Ihre Arbeit wertvoll ist?

Katrin Staffler: Also zunächst mal ist sie wirklich eine hervorragende Unterstützung, was die inhaltlichen Punkte anbelangt. Eleonora hat von Anfang an schon wichtige Themen, Termine und Vorbereitungen mitbearbeitet. Aber immer, wenn jemand über das IPS zu uns ins Büro kommt, ist das etwas, wodurch wir auch eine Menge lernen als Büro: über kulturelle Verschiedenheiten oder unterschiedliche Herangehensweisen an Problemstellungen. Und wenn die Stipendiatin von Erlebnissen erzählt, das sind ja alles Erfahrungen, von denen wir lernen und profitieren können. Wir haben in der Regel auch immer noch einen sehr intensiven Austausch mit den Stipendiatinnen nach der IPS-Zeit. Wir profitieren von diesem internationalen Erfahrungsschatz, der durch das IPS zu uns ins Büro kommt und sich hier mit einbringt. Und das ist was Besonderes.

Was für Aufgaben konntest du denn bislang hier im Büro konkret übernehmen, Eleonora? Was macht dir am meisten Spaß?

Eleonora: Ich mache zum Beispiel die Presseschau, ich schaue also, in welchen Zeitungen aus dem Wahlkreis, aber auch bundesweit Katrin oder die CSU vorkommen. Wie ist die Stimmung? Woran sollten wir arbeiten? Welche Themen sind im Wahlkreis gerade wichtig? Oder ich unterstütze die anderen Mitarbeiterinnen bei der Recherche zu Themen, die im Ausschuss oder in der Arbeitsgruppe relevant sind.

Zum Thema Social Media bietet die CDU/CSU-Fraktion Weiterbildungen an, an denen ich teilnehmen darf, weil wir uns hier weiterentwickeln wollen. Aber ich durfte auch schon an anderen Veranstaltungen teilnehmen, wie zum Beispiel einem Parlamentarischen Frühstück.

Was war denn bislang ein gemeinsames Highlight?

Katrin Staffler: Ich glaube, der Besuch im Wahlkreis ist schon etwas Besonderes. Man ist dann schon ein paar Wochen im Berliner Büro und hört und liest viel davon und dann wirklich vor Ort zu sein, gibt einem schon nochmal einen ganz anderen Einblick.

Eleonora: Und die Stimmung war auch familiärer als in Berlin: Lokalpolitik, andere Menschen…

Katrin Staffler: Jeder kennt jeden. (lacht)

Eleonora: Genau. (lacht) Ich habe Bayerisch gehört und ich habe mit Katrin und den Wahlkreismitarbeitern Kaffee getrunken. Es hat sich so angefühlt, dass Katrin auf mich aufpasst, mir einen Ort gibt, an dem ich sein kann und mir zuhört, und das macht mich glücklich und sehr dankbar.

Welche Unterschiede nimmst du zwischen israelischer und deutscher Politik wahr?

Eleonora: Katrin ist ja Mitglied im Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung und es ist sehr interessant, wie Deutschland da versucht, die Position von Studierenden zu stärken und immer mehr zu schaffen. In Israel ist das Studium hingegen nicht umsonst, man muss viel Geld bezahlen. Von daher ist es manchmal ein bisschen lustig zu sehen, was die „Probleme“ in dem Bereich in Deutschland sind. Da denke ich: Deutschland ist schon ein cooles Land.

Frau Staffler, was soll eine Person, die im Rahmen des IPS zu Ihnen ins Büro kommt, am Ende mitnehmen?

Katrin Staffler: Mir geht es immer darum, dass die Leute hier wirklich etwas lernen, was sie in ihrem späteren Leben auch gebrauchen können. Dass sie für sich persönlich, für ihren weiteren Lebensweg Erfahrungen sammeln und mitnehmen können. Deswegen ist es mir auch wichtig, dass Eleonora nicht nur hier im Büro am Rechner sitzt, sondern auch mit in Ausschusssitzungen und ins Plenum kommen kann, und ihr gleichzeitig die Möglichkeit zu geben, große Themen für sich zu erschließen und zu erarbeiten. Und wir versuchen immer, den Stipendiaten einen breiten Überblick darüber zu geben, wie politische Arbeit und Demokratie hier in Deutschland funktionieren.  

Was konnten Sie bislang voneinander lernen?

Eleonora: Also von Katrin kann ich lernen, wie sie es schafft…

Katrin Staffler: Jetzt bin ich aber gespannt. (lacht)

Eleonora: …so authentisch zu bleiben. Ich mag sehr gerne, wie sie Reden hält, das wirkt sehr natürlich und locker für mich. Und auch die Stimmung im Büro ist locker. Aus meiner Perspektive gibt es nicht so viel Distanz zwischen den Mitarbeitenden und Katrin, wie ich erwartet hätte. Ich darf sie sogar duzen. Und sie spricht gerne über ihren Sohn. Arbeit und Familie funktionieren hier zusammen, man kann ins Büro mitbringen, was einem im Leben passiert. Es ist kein Ort, an dem man eine Maske anziehen muss. Es kann alles offen besprochen werden, alle wissen Bescheid, was passiert. Hier wird gelacht und hart gearbeitet und die Tage gehen sehr schnell vorbei.

Katrin Staffler: Generell gilt für das IPS-Programm: Ich finde es immer wieder spannend, was für unglaublich engagierte, motivierte junge Menschen wir hier kennenlernen, die uns ihre Heimat, ihr Land, ihre Kultur näherbringen. In Eleonoras Fall ist es natürlich schon besonders, jemanden bei uns im Büro zu haben, die aus einem Land kommt, wo gerade eine ganz schwierige Situation herrscht. (wendet sich an Eleonora) In den ersten Wochen, in denen du hier warst, war ja sogar dein Freund selbst im Kriegseinsatz. Und wie Eleonora dann trotzdem jeden Tag hier ins Büro kommt und gute Laune versprüht, anpackt und mitarbeitet, motiviert ist und ihren Weg geht, das ist schon bemerkenswert. Mich beeindruckt das sehr.

Eleonora, weißt du schon, wie es nach dem IPS für dich weitergeht?

Eleonora: Nicht wirklich. Mein Freund und ich wollen im August heiraten, da wird es eine kleine Zeremonie in Israel geben. Aber der Krieg verursacht eine sehr große Ungewissheit, deshalb ist es schwierig, einen Plan zu machen, wie es genau weitergehen soll. Beruflich würde ich mich gerne in israelisch-europäischen Beziehungen engagieren oder in einem International Office einer Universität arbeiten. Wir müssen Hoffnung in diesen Austausch setzen, denn Leute kennenzulernen und deinem „Feind“ ein Gesicht zu geben, ist, was dafür sorgt, dass es keine Feinde, sondern nur noch Menschen gibt. In diesem Bereich würde ich mich gerne engagieren.


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