Zum Inhalt springen

Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge

„Wir arbeiten für die Menschen, nicht für Steine”

Jasmin Nimmrich

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge ist für die Pflege von 830 deutschen Kriegsgräberstätten in 45 Ländern und die Bergung von Kriegstoten verantwortlich. Diane Tempel-Bornett, Pressesprecherin des Volksbundes, berichtet im Interview über diese Verantwortung und warum Erinnern für alle Generationen wichtig ist.

Es wurden gelbe Rosen auf die Steinkreuze gelegt. Volkstrauertag, zum Gedenken an die Toten der beiden Weltkriege. Kreisehrengedenkstaette (Kreisehrengedenkstätte) in Siegen-Gosenbach Volkstrauertag am 17.11.2024 in Siegen Deutschland.

Seit 1919, ein Jahr nach dem Ende des Ersten Weltkriegs, sorgt der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge für die Pflege und Instandhaltung von Gräbern. Er stellt außerdem Bildungsangebote bereit und kümmert sich um die Erinnerungskultur. © IMAGO / Rene Traut

Wofür ist der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge zuständig?

Der Volksbund wurde am Ende des Ersten Weltkrieges gegründet und wir machen tatsächlich noch vieles von dem, wofür wir seinerzeit gegründet wurden: Wir suchen und finden, wir bergen und identifizieren beispielsweise immer noch die Toten der beiden Weltkriege. Außerdem sind wir auch für die Kriegsgräberstätten des deutsch-dänischen Krieges von 1864, aber auch des deutsch-französischen Krieges, der in den Jahren 1870 und 1871 stattfand, zuständig. Und tatsächlich finden wir jährlich immer noch zwischen 11.000 und 13.000 Tote. Außerdem betreuen und pflegen wir rund 830 deutsche Kriegsgräberstätten in 45 Ländern. Das zeigt, wo überall gekämpft wurde – von Finnland bis Sizilien, es gibt auch deutsche Kriegsgräber in Übersee.

Was soll damit erreicht werden?

Mit seiner Arbeit mahnt der Volksbund zum Frieden, denn Kriegsgräberstätten sind nichts geringeres als Mahnmale dafür. Wir unterstützen und beraten aber auch die Kommunen bei der Pflege der Kriegsgräber in Deutschland. Wichtige Kriegsgräberstätten entwickeln wir in ihrer Funktion als Lernort weiter, beispielsweise mit multimedialen Ausstellungen, in denen wir auch Biografien der dort Bestatteten vorstellen. Man könnte sagen, wir versuchen die Grabsteine „zum Sprechen“ zu bringen. Verständlicherweise sind der Erste und Zweite Weltkrieg mittlerweile im Bewusstsein vieler Menschen weit in die Ferne gerückt und deshalb sehr abstrakt. Da bieten Kriegsgräberstätten ein enormes Potential, als Begegnungsort zwischen Generationen und Nationen zu dienen. 

Collage aus zwei Fotos. Links ist ein junges Mädchen mit langen, zum Zopf gebundenen, braunen Haaren zu sehen, die eine weiße Rose auf einen kleinen Sarg niederlegt. Rechts daneben der Blick auf einen Friedhof mit ebenerdigen Grabsteinen, im weiteren Blick sind das Meer und eine Hügelkette zu sehen.

Der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge ist unter anderem für die Pflege von deutschen Kriegsgräberstätten im Ausland, wie hier auf der griechischen Insel Kreta, zuständig. © picture alliance/dpa | Matthias Rietschel; picture alliance/imageBROKER/Frank Schneider

Warum ist die Auseinandersetzung mit Kriegsgräberstätten gerade für Jugendliche wichtig?

Auf fast jedem städtischen Friedhof finden sich Kriegsgräber. Beim Blick auf die Geburts- und Todesdaten wird einem schnell bewusst, dass ganz viele Menschen, die dem Krieg im Kampf, aber auch fernab der Front zum Opfer gefallen sind, nicht viel älter als 17 oder 18 Jahre waren. Und hier setzt die Jugend- und Bildungsarbeit des Volksbundes an: Denn die Auseinandersetzung mit den Friedhöfen und den Kriegsbiografien führt unweigerlich zu persönlichen Parallelen und Fragen wie: Was hätte ich getan? Wäre ich freiwillig in den Krieg gezogen? Hätte ich überhaupt eine Wahl gehabt? Wäre ich in der Lage gewesen, meine Familie zu versorgen? Und wie brüchig ist der heutige Frieden eigentlich? Können Konflikte ohne Gewalt beigelegt werden? Diese Themen finden auch in den Bildungs- und Begegnungsstätten ebenso wie in den internationalen Workcamps einen Platz.

Am 16. November 2025 wird der Volkstrauertag begangen und im Deutschen Bundestag wird der Opfer von Gewalt und Krieg gedacht. Welche Bedeutung kann dieser Tag für junge Menschen haben?

Das Interesse von Jugendlichen für den Volkstrauertag oder allgemein für Gedenkarbeit zu wecken, ist ein Prozess. Das geht nicht an einem Tag. Viele Jugendliche sagen, dass ihnen das anfangs sehr abstrakt erscheint und sie zunächst nichts damit anfangen können. Es geht weniger um traditionelle Rituale als vielmehr darum, Geschichte erfahrbar und Gedenken erlebbar und bedeutsam zu machen. Dies ist durch Projektarbeit möglich: Durch die Kombination von körperlichem Einsatz, wie bei der Pflege auf einer Kriegsgräberstätte, der Spurensuche und dem Nachzeichnen der Lebenswege der Toten von Krieg und Gewaltherrschaft oder durch kreative künstlerische Aktionen, tragen Jugendliche aktiv zu einer lebendigen Erinnerung bei. Sie wollen verstehen, was hinter den historischen Zahlen und Daten steht, verstehen, was Krieg und Gewalt bedeuten und welche Auswirkungen sie auf Menschen haben. Dann ergibt es für sie auch mehr Sinn, sich persönlich an einer Gedenkveranstaltung zu beteiligen, beispielsweise einen Kranz zu tragen oder eine Rede zu halten. Entscheidend ist, dass dieses Gedenken nicht in der Vergangenheit stehen bleibt, sondern aktuelle Bezüge zulässt und auch kritisches Denken der Jugendlichen ermöglicht, damit sie ihre eigene Verantwortung in der Gegenwart reflektieren können.

Vor welchen Herausforderungen steht der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge?

Vieles steht und fällt mit der Finanzierung. Während die Zuwendungen des Bundes in den letzten Jahren gleichgeblieben sind, sind unsere Einnahmen aus Spenden und Mitgliedbeiträgen rückläufig. Parallel dazu haben wir es mit teilweisen massiven Preissteigerungen in vielen Bereichen wie Löhnen, Energie oder Baumaterialien zu tun. 24 unserer Kriegsgräberstätten des Ersten Weltkrieges in Frankreich und Belgien wurden zum UNESCO-Weltkulturerbe erklärt. Gerade bei den Friedhöfen des Ersten Weltkrieges gibt es jedoch in vielen Fällen dringenden Instandhaltungsbedarf. Gleichzeitig erfahren wir großes Interesse. Immer mehr Menschen besuchen die Kriegsgräberstätten, weniger um Gräber ihrer Angehörigen zu besuchen, sondern aus historischem Interesse. Die Kriegsgräberstätten sind eben auch unsere Visitenkarten. Wir wollen viele auch weiterentwickeln, beispielsweise mit Ausstellungen und interaktiven Bildungsangeboten.

Collage aus zwei Fotos, die beide junge Menschen zeigen, die Grabsteine reinigen.

Mit Workcamps bietet der Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge jungen Menschen aus ganz Europa die Möglichkeit, sich gemeinsam für den Frieden und die Instandhaltung von Kriegsgräberstätten einzusetzen. © Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge

Im September 2025 hat der Deutsche Bundestag beschlossen, den Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge finanziell stärker zu unterstützen. Was soll mit der neuen Förderung umgesetzt werden?

Erstmal werden wir uns den dringlichsten Baustellen widmen und die baufälligen Kriegsgräberstätten instand setzen. Außerdem planen wir weitere Investitionen in unsere Bildungsprojekte und virtuellen Angebote. Der Plan, das Kriegsgräberverzeichnis komplett zu digitalisieren, steht noch am Anfang. Ganz wichtig ist uns auch, die Prozesse im Bereich der Angehörigenwünsche zu beschleunigen: Wenn wir jetzt Kinder von geborgenen Kriegstoten kontaktieren, sind diese häufig schon alt. Sie sind fast immer sehr dankbar und wünschen, dass der Vater oder Onkel noch einen Grabstein bekommt. Wenn wir ihnen dann sagen müssen, dass bis dahin noch fünf Jahre ins Land gehen, dann ist das einfach ganz traurig. Und an dieser Stelle helfen uns finanzielle Mittel dabei, diesen so wichtigen Teil unserer Arbeit zu beschleunigen. Wir arbeiten doch für die Menschen, nicht für die Steine.

Du möchtest mehr über die Bildungsangebote erfahren?

Von Workcamps über Begegnungs- und Bildungsstätten bis zu vielfältigen Projekten im In- und Ausland bietet der Volksbund Deutsche Kriegsgräberstätten viele Möglichkeiten, sich mit der historischen Verantwortung auseinanderzusetzen und sich gemeinsam für den Frieden einzusetzen.

Weitere Themen