Flucht Streit um neues EU-Asylsystem
Am 8. Juni haben sich die EU-Innenminister auf eine Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylrechts (GEAS) geeinigt. Im Bundestag erntete der Entwurf viel Kritik.
In den letzten Jahren wurde in der Europäischen Union viel über den unterschiedlichen Umgang mit dem Asylrecht gestritten. Nun scheint sich eine Einigung anzubahnen: Am 8. Juni kamen die EU-Innenminister zusammen, um über neue europaweite Regelungen für die Aufnahme von Geflüchteten zu sprechen.
Wer aus einem Staat einreist, der als relativ sicher gilt, könnte in Zukunft nach dem Grenzübertritt in eine streng kontrollierte Aufnahmeeinrichtung kommen, wo dann innerhalb von zwölf Wochen geprüft werden soll, ob der Antragsteller Chancen auf Asyl hat. Wenn nicht, soll er so schnell wie möglich zurückgeschickt werden. Wer dagegen Chancen auf Asyl hat, soll wie bisher ein normales Asylverfahren durchlaufen.
Wenn Länder mit einem sehr großen Zustrom an Menschen konfrontiert sind, sollen sie über einen Solidaritätsmechanismus Unterstützung von anderen Mitgliedstaaten beantragen können. Eine bestimmte Anzahl an Schutzsuchenden würde dann über einen Verteilungsschlüssel in andere Länder kommen. Staaten, die sich daran nicht beteiligen wollen, müssten für jeden nicht aufgenommenen Menschen Geld bezahlen, mit dem die anderen Länder unterstützt werden.
Im nächsten Schritt werden die EU-Staaten mit dem Europäischen Parlament über den Entwurf verhandeln. Ziel ist es, die Gespräche vor Ende des Jahres abzuschließen.
In einer Debatte im Bundestag diskutierten die Abgeordneten am 15. Juni sehr kontrovers über den Kompromiss. Anlass waren verschiedene Oppositionsanträge.
Union: „Nicht ganz zufrieden“
Andrea Lindholz (CDU/CSU) sagte, es sei zwar ein „guter Schritt“, dass man sich auf ein verpflichtendes Grenzverfahren an der EU-Außengrenze geeinigt habe. Insgesamt könne man mit dem Kompromiss aber „nicht ganz zufrieden sein“. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) habe zudem bereits angekündigt, dass man bei den weiteren Verhandlungen die Beschlüsse „noch aufweichen“ wolle.
Falsch sei die Darstellung, dass es einen verpflichtenden Solidaritätsmechanismus bei der Aufnahme von Flüchtlingen gebe. „Am Ende werden es wieder einige wenige Staaten sein, die überhaupt Asylbewerber aufnehmen werden“, kritisierte Lindholz.
Die Unionsfraktion fordert in einem Antrag weitere Schritte zur Reduzierung irregulärer Migration in die EU und nach Deutschland und wertet den Beschluss der EU-Innenminister zur GEAS-Reform als „insgesamt nicht ausreichend“.
SPD: „Verbindlicher Solidaritätsmechanismus“
Gülistan Yüksel (SPD) begrüßte dagegen, dass es endlich einen „dauerhaften und verbindlichen Solidaritätsmechanismus“ geben solle, über den mindestens 30.000 Flüchtlinge pro Jahr aus den Außengrenzstaaten verteilt werden sollten. Länder müssten Geflüchtete aufnehmen oder sich „durch finanzielle Beiträge solidarisch zeigen“. Flüchtlinge würden innerhalb der EU so gleichmäßiger und fairer verteilt.
Auch habe Deutschland erreicht, dass unbegleitete Minderjährige direkt in die EU einreisen könnten und nicht in die Grenzverfahren kämen. Die Bundesregierung werde sich weiter dafür einsetzen, dass auch Familien mit Kindern von den Grenzverfahren ausgeschlossen würden.
AfD: „Riesige Alibi-Veranstaltung“
Gottfried Curio (AfD) nannte den Innenminister-Beschluss „eine riesige Alibi-Veranstaltung“. Es sei klar, dass am Ende das meiste an Deutschland „hängen“ bleiben werde, wenn sich andere Länder von der Aufnahme „freikaufen“. Außerdem sei bei den geplanten Abweisungen die Rücknahme unklar. „So lange hierzulande nicht der Wille zu effektiver Rückweisung und Abschiebung besteht, ist das alles reine Makulatur“, kritisierte Curio.
Grüne: „Verstetigung von Leid und Chaos“
Filiz Polat (Bündnis 90/Die Grünen) mahnte, die Einigung laufe auf eine „Verstetigung von Leid und Chaos“ hinaus. Auch gebe es keinen verbindlichen Verteilmechanismus, während die Durchsetzung der Rechte von Geflüchteten massiv erschwert werde. Dem Rat und dem Europäischen Parlament empahl sie, „diesem Beschluss so nicht zuzustimmen“.
Linke: „Frontalangriff auf die Rechte Schutzsuchender“
Janine Wissler (Die Linke) nannte den Ratsbeschluss einen „Frontalangriff auf die Rechte Schutzsuchender“ und einen „Anschlag auf die Menschenrechte“. Damit hätten die EU-Innenminister die „faktische Abschaffung des Grundrechts auf Asyl beschlossen“. Denn künftig sollten Geflüchtete an den EU-Außengrenzen in Haft und unter haftähnlichen Bedingungen interniert werden. Nicht einmal Familien mit kleinen Kindern seien ausgenommen.
Die Linke hatte drei Anträge zum Thema vorgelegt, die alle abgelehnt wurden. Dabei ging es unter anderem um eine Stärkung des individuellen Asylrechts und um die Verhinderung „illegaler Pushbacks und Menschenrechtsverletzungen“ an den EU-Außengrenzen.
FDP: „Erste Blockade gelöst“
Stephan Thomae (FDP) sagte, es sei eine gute Nachricht, dass jetzt nach jahrelangem Stillstand „eine erste Blockade gelöst“ worden sei. Momentan würden im EU-Asylsystem Regeln nicht befolgt. Daher würden Regeln benötigt, die wieder alle akzeptierten, und dazu sei jetzt trotz sehr unterschiedlicher Interessen in der EU ein erster Schritt gemacht.
Hier seht ihr die Debatte im Video: