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Cannabis-Legalisierung Umstrittenes Vorhaben der Regierung

Die Bundesregierung plant, Cannabis zu Genusszwecken zu legalisieren. Umstritten ist, ob das Vorhaben mit dem EU-Recht kollidieren könnte. Großen Widerstand gibt es außerdem von der CDU/CSU-Fraktion.

Wenn sich das Vorhaben der Bundesregierung realisiert, könnte in Zukunft Genuss-Cannabis in sogenannten Cannabis Social Clubs angebaut und geerntet werden. © Shutterstock/Tong_stocker

Vorhaben im Koalitionsvertrag

Im Koalitionsvertrag haben SPD, Bündnis 90/Die Grünen und FDP es festgehalten: „Wir führen die kontrollierte Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften ein.“ Das Vorhaben war von Anfang an umstritten. Ein Argument für die Legalisierung lautet, dass man den illegalen Handel dadurch eindämmen könne, Konsum und Kauf von Cannabis würden entkriminalisiert. Außerdem könne man die Weitergabe verunreinigter Substanzen verhindern und Jugendschutz gewährleisten. Aber besonders bei jungen Menschen kann sich der Cannabis-Konsum auf das Gehirn auswirken, das sich noch bis zum 25. Lebensjahr in der Entwicklung befindet. Und Cannabis kann beispielsweise das Risiko für Psychosen erhöhen. Mehr dazu hat uns der Kinderarzt Oliver Harney im Interview erzählt.

Eckpunktepapier der Bundesregierung

Bereits im Oktober 2022 hatte die Bundesregierung ein Papier zur Cannabis-Legalisierung vorgelegt. Nach Gesprächen mit der EU-Kommission im November war man allerdings zu dem Schluss gekommen, dass der erste Entwurf einen „nicht weiterbringen“ würde, sagte Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach auf einer Pressekonferenz.

Im April 2023 hat das Bundesministerium für Gesundheit dann ein überarbeitetes Eckpunktpapier für einen Gesetzentwurf veröffentlicht mit dem Titel: „Club Anbau & Regional-Modell“, kurz CARe. Es ist als Zwei-Säulen-Modell angelegt.

Anbau in Cannabis-Clubs

Eine Säule des Entwurfs besteht darin, in einem ersten Schritt den privaten und gemeinschaftlichen Anbau von Cannabis in bestimmten Mengen zu ermöglichen. Dabei dürfe dieser nicht-gewinnorientiert sein. Der Anbau soll in Vereinigungen stattfinden, auch Cannabis-Clubs genannt. So eine Vereinigung dürfe laut Entwurf nicht mehr als 500 Mitglieder haben und die Mitglieder müssen über 18 Jahre alt sein. Die Abgabe des geernteten Cannabis wäre demnach nur an Mitglieder erlaubt.

Abgabe in Fachgeschäften

Außerdem ist in dem Papier vorgesehen, die Abgabe von Cannabis in lizenzierten Geschäften zu testen. Das macht die zweite Säule des Modells aus. Dabei soll das Projekt bezogen auf Produktion, Vertrieb und Abgabe regional begrenzt umgesetzt werden und befristet sein. So sollen die Auswirkungen auf den Gesundheits- und Jugendschutz und auf den Schwarzmarkt wissenschaftlich genauer untersucht werden, heißt es in der Pressemitteilung der Bundesregierung. Die vorgesehen Projektlaufzeit dafür seien fünf Jahre.

Nach Angaben der Bundesregierung habe man sich mit der EU-Kommission auf diese beiden Säulen geeinigt.

Das sagten die Minister

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach sagte auf der Pressekonferenz im April: „Die bisherige Cannabis-Politik ist gescheitert. Jetzt müssen wir neue Wege gehen“. Man traue den Menschen mehr zu, ohne dabei die Gefahren des Cannabiskonsums zu verharmlosen, ergänzte Bundesjustizminister Marco Buschmann. Und: Der Konsum von Cannabis sei eine gesellschaftliche Realität, sagte Cem Özdemir, Bundeslandwirtschaftsminister. Durch einen kontrollierten Anbau und die Abgabe im Rahmen von Cannabis-Clubs stärke man den Jugend- und Gesundheitsschutz.

Medizinischer Einsatz von Cannabis

Immer wieder geht es im Zusammenhang mit Cannabis auch um den medizinischen Einsatz. Damit hatte sich im März 2023 auch der Gesundheitsausschuss beschäftigt. Grundlage war unter anderem ein Antrag der CDU/CSU-Fraktion, in dem es um die Versorgung von Patienten mit Cannabisarzneimitteln ging. Bei der Anhörung sprachen sich die eingeladen Sachverständigen dafür aus, dass der Zugang zu Medizinalcannabis vereinfacht werden solle. Bei chronischen Schmerzen könne mehr als die Hälfte der Patienten mit Medizinalcannabis geholfen werden, sagte Johannes Horlemann von der Deutschen Gesellschaft für Schmerzmedizin im Ausschuss.

Entkriminalisierung ebenfalls Thema im Ausschuss

Außerdem wurde auch die Entkriminalisierung von Cannabis thematisiert. Bereits im Juli 2022 gab es im Bundestag eine Debatte dazu: Die Linksfraktion hatte einen Antrag gestellt, in dem sie forderte, Cannabis zu entkriminalisieren. Die Vorlage war nach der Bundestagsdebatte zur Beratung an den Gesundheitsausschuss überwiesen worden. Die Fachleute befürworteten zwar auch die Entkriminalisierung. Eine konsequente Legalisierung sei einer Entkriminalisierung aber vorzuziehen, sagte der Strafrechtler und Kriminologe Robin Hofmann von der Universität Maastricht in den Niederlanden. Andere Fachleute stimmten ihm zu.

Die Ausschusssitzung findet ihr hier.

Wie geht es in Deutschland weiter?

Anfang Juli ist ein Referentenentwurf des Bundesministeriums für Gesundheit vorgelegt worden. Er trägt den Titel: „Entwurf eines Gesetzes zum kontrollierten Umgang mit Cannabis und zur Änderung weiterer Vorschriften.“

Referentenentwurf heißt ein Entwurf übrigens dann, wenn er noch nicht von der Bundesregierung beschlossen wurde. Über jeden Entwurf stimmt das Kabinett ab. Nach dem Kabinettsbeschluss beraten dann Bundestag und Bundesrat den Entwurf.

Kleine Anfragen der CDU/CSU-Fraktion

Und obwohl im Bundestag aktuell Sommerpause ist, beschäftigten sich einige Fraktionen weiterhin mit dem Thema Cannabis. So stellte die die CDU/CSU-Fraktion Ende Juni eine Kleine Anfrage. Die Abgeordneten formulierten 44 Fragen in Bezug auf den Anbau und die Abgabe von Cannabis in Cannabis Social Clubs. Unter anderem wollten sie wissen, wie die Bundesregierung sicherstellen möchte, dass Cannabis in den Clubs aufgrund der erheblich gestiegenen Energiekosten nicht sehr viel teurer würde als das Cannabis auf dem Schwarzmarkt. Außerdem fragte die Fraktion etwa, welche Voraussetzungen für die Mitgliedschaft in einem Cannabis Social Club notwendig seien. Die Antwort der Bundesregierung findet ihr hier.

Kleine Anfrage der Linksfraktion

Auch die Linksfraktion hatte im Juni eine Kleine Anfrage gestellt, in der sich die Abgeordneten nach den Gesprächen zwischen der Bundesregierung und der EU-Kommission erkundigten. Unter anderem wurde gefragt, welche Verhandlungsposition die Bundesregierung in diesen Gesprächen eingenommen habe und zu welchen Ergebnissen man dabei gekommen sei. Die Antwort der Bundesregierung lest ihr hier.

Gutachten nimmt EU-Recht unter die Lupe

Im Juni wurde außerdem eine Ausarbeitung des Fachbereichs Europa vorgelegt. Zur Erklärung: Wie die Wissenschaftlichen Dienste des Deutschen Bundestages unterstützt der Fachbereich Europa als Teil der Verwaltung die Abgeordneten etwa bei Fragen in EU-Angelegenheiten. In der Ausarbeitung befasst sich der Fachbereich mit der Frage, welche Freiheiten und Kompetenzen die EU-Mitgliedstaaten innerhalb des EU-Rechts in Bezug auf eine Cannabis-Legalisierung haben. Genauer gesagt geht es also darum, ob die Pläne der Bundesregierung mit EU-Recht kollidieren könnten.

Gesetzeslagen in anderen EU-Staaten

Übrigens treibt das Thema Cannabis nicht nur die Politiker in Deutschland um. In den EU-Nachbarländern wird mit dem Thema Cannabis unterschiedlich umgegangen. Das wohl bekannteste Beispiel in diesem Zusammenhang sind die Niederlande: Hier wird der Verkauf in Coffeeshops toleriert. Legalisiert wurde Cannabis allerdings nie. Ab 18 Jahren darf man in den Coffeeshops Cannabis kaufen und Joints rauchen. In den vergangenen Jahren sind einige Maßnahmen hinzugekommen, die unter anderem den Drogentourismus einschränken sollen. An manchen Orten muss man deshalb inzwischen einen Wohnsitz in den Niederlanden nachweisen können.

Italien, Spanien, Österreich

In Italien forderten 600.000 Menschen 2022 in einer Petition, den Anbau von Cannabis zu legalisieren. Das Vorhaben scheiterte aber vor dem Verfassungsgericht. Portugal hat eines der liberalsten Drogengesetze der EU. Dort wurden 2001 harte und softe Drogen entkriminalisiert. Wer dort mit Drogen zum Eigengebrauch erwischt wird, muss sich nicht den Behörden, sondern einer Kommission von Ärzten, Psychologen und Sozialarbeitern stellen.

In Spanien gibt es Clubs, in denen Mitglieder Cannabis rauchen dürfen. Auch der Konsum zu Hause wird toleriert. Die Gesetzeslage ist aber nicht eindeutig, eine offizielle Legalisierung hat es hier nicht gegeben. Eine Legalisierung und Regulierung für den Einsatz von Cannabis zu medizinischen Zwecken ist derzeit im Gespräch. In Österreich sind der Erwerb, der Besitz, die Erzeugung und der Konsum von Cannabis verboten. Im Juli 2022 war ein Antrag auf Aufhebung des Cannabis-Verbots vom Verfassungsgerichtshof abgelehnt worden.

(Mira Knauf)

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