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Lebensmittelabfälle Debatte über Verschwendung

Jedes Jahr landen in Deutschland viele noch essbare Lebensmittel im Müll. Die Abgeordneten diskutierten nun im Plenum darüber, wie die Verschwendung von Nahrungsmitteln reduziert werden kann.

Ein junges Mädchen packt Tomaten in einem Supermarkt in eine Tüte.

Viele Menschen kaufen oft zu viel ein. So entsteht ein Teil der vielen Lebensmittelabfälle in Privathaushalten. © BearFotos/Shutterstock

Lebensmittelabfälle im Umfang von 10,9 Millionen Tonnen wurden im Jahr 2020 in Deutschland weggeworfen. Mit 59 Prozent entsteht der Großteil des Mülls laut Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in den Privathaushalten. Das sind 78 Kilogramm pro Person und Jahr. Unter anderem entstehen aber auch bei der Verarbeitung von Lebensmitteln und im Handel eine ganze Menge Abfälle.

Das Thema wurde nun auch im Bundestag besprochen. Dazu hatten die Oppositionsfraktionen der CDU/CSU und der Linksfraktion Anträge vorgelegt.

Unionsfraktion: Einfachere Lebensmittelweitergabe an Tafeln

Die Unionsfraktion hatte einen Antrag mit dem Titel „Lebensmittelverschwendung wirksam verringern – Lebensmittelspenden fördern“ vorgelegt. Darin fordert die Fraktion unter anderem, die kostenlose Weitergabe von Lebensmitteln an die Tafeln und soziale Einrichtungen zu vereinfachen, indem spendende Unternehmen von Haftungsrisiken befreit werden. Zur Erklärung: Wer Lebensmittel weitergibt, ist eigentlich für die Sicherheit dieser Lebensmittel verantwortlich und haftbar, falls jemand beispielsweise nach dem Verzehr eines Lebensmittels erkrankt. Außerdem fordert die Unionsfraktion eine unabhängige Kompetenzstelle zur Reduzierung von Lebensmittelverlusten und Lebensmittelabfällen zu institutionalisieren.

Über die Haftungsfrage hat mitmischen übrigens auch mit Renate Künast (Grüne) im Interview gesprochen. Mehr dazu hier.

Linksfraktion fordert Gesetzentwurf

Es stelle einen ethischen Grundwiderspruch dar, wenn die Verschwendung von Lebensmitteln von der Rechtsordnung in Deutschland geschützt werde, heißt es im Antrag der Linksfraktion. Die Abgeordneten fordern deshalb einen Gesetzentwurf, der das Wegwerfen und Zerstören von noch genießbaren Lebensmitteln bekämpft. Die neuen Vorschriften sollten laut Antrag beispielsweise für bestimmte Supermärkte, Großmärkte, Großküchen und landwirtschaftliche Erzeuger gelten. So solle es eine Pflicht zum „unentgeltlichen Angebot noch verzehrfähiger Lebensmittelreste an soziale Einrichtungen“ geben. Auch die Linksfraktion spricht sich in ihrem Antrag für eine Befreiung sozialer Einrichtungen von der Produkthaftung aus.

Union: „Mindesthaltbarkeitsdatum ins Bewusstsein rücken“

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir könne Schlagzeilen produzieren, aber nicht liefern, sagte Christina Stumpp von der Unionsfraktion zu Beginn der Debatte. Sie kritisierte die Art, wie Özdemir mit seinem Vorhaben, das Containern zu entkriminalisieren, umgehe. Er würde dabei verschweigen, dass das Containern aus gesundheitlichen Gründen sehr bedenklich sei.

Es sei sinnvoller, sich um die Verwertung noch genießbarer und sicherer Lebensmittel zu kümmern. Die unionsgeführte Bundesregierung habe damals schon eine Menge in diese Richtung unternommen, so Stumpp. Die Abgeordnete nannte beispielshaft die Initiative „Zu Gut für die Tonne“. Stumpp sagte auch, man müsse das Mindesthaltbarkeitsdatum verstärkt ins Bewusstsein der Menschen rücken. Die Bundesregierung müsse sich dafür einsetzen, den Unterschied zwischen Verbrauchs- und Mindesthaltbarkeitsdatum verständlich zu machen.

SPD: „App ist eine Errungenschaft“

Rita Hagl-Kehl von der SPD-Fraktion kritisierte die Kollegen von der Union, die 16 Jahre regiert hätten, aber nun anprangerten, dass der Zeitpunkt gekommen sei, an dem man etwas ändern müsse. Der Antrag der Unionsfraktion wirke, als hätten die Unionsfraktion aus dem Koalitionsvertrag abgeschrieben. In diesem heiße es: „Wir werden gemeinsam mit allen Beteiligten die Lebensmittelverschwendung […] branchenspezifisch reduzieren, haftungsrechtliche Fragen klären.“

Abschließend erwähnte die Abgeordnete privatwirtschaftliche Apps wie „To Good To Go“ und sagte, diese brächten eine Win-Win-Situation für alle Beteiligten. Sie seien eine Errungenschaft. Zur Erklärung: Ziel der App ist es, dass Händler noch verkaufen können, wovon sie zu viel haben, und Verbraucher diese Nahrungsmittel für einen geringeren Preis erstehen können.

Grüne: „Müssen uns mit Überproduktion beschäftigen“

Es gebe ein paar gute Vorschläge im Antrag der Unionsfraktion, merkte Renate Künast von der Grünenfraktion an. An diesen arbeiten man aber längst. Künast kritisierte, dass ihre Vorrednerin Frau Stumpp „Krokodilstränen“ angesichts der verschwendeten Lebensmittel weine, sich aber über den Vorschlag lustig mache, Verfahren, die im Zusammenhang mit Containern liefen, einzustellen.

Man müsse sich mit dem Ernährungssystem und der Überproduktion beschäftigten, wenn man anfangen wolle, etwas zu verändern, so die Abgeordnete. Abschließend kam Künast auf konkrete To-dos zu sprechen: Dazu gehöre, das Container strafrechtlich zu regeln und dass jedes Unternehmen im Sinne der Kreislaufwirtschaft Abfälle vermeiden und dies auch nachweisen müsse.

FDP: „Menschen vor Ort wieder mehr in die Pflicht nehmen“

Gero Clemens Hocker (FPD) merkte an, dass der Lebensmitteleinzelhandel es in den vergangenen Jahrzehnten hinbekommen habe, Lebensmittelverschwendung zu reduzieren. Dies sei ein Grund dafür, dass die Tafeln in Deutschland aktuell große Probleme hätten: Es gebe immer weniger Überschüsse. Hocker wies darauf hin, dass die größte Lebensmittelverschwendung in den privaten Haushalten stattfinde. Ein zentraler Punkt hierbei sei das Mindeshaltbarkeitsdatum. Hocker befand, es sei eine Chance, Lebensmittelverschwendung in privaten Haushalten zu reduzieren, indem man Menschen wieder mehr in die Pflicht nehme, selber zu entscheiden, ob ein Lebensmittel noch genießbar sei.

AfD: „Künstliche Intelligenz kann Verschwendung senken“

Circa 160 Millionen Tonnen Lebensmittel seien in der Ära Merkel weggeworfen worden, so Peter Felser von der AfD-Fraktion. Er kritisierte, dass die Prioritäten falsch gesetzt worden seien und man durch den Ausstieg aus der Kernenergie nun auch mit den hohen Energiekosten zu kämpfen habe. Diese hätten wiederum zu gestiegenen Kosten für Lebensmittel geführt.

Im Kern seien in den Anträgen der beiden Fraktionen gute Ansätze enthalten, so Felser. Es sei richtig, Haftungsrisiken zu minimieren, auch am Mindesthaltbarkeitsdatum müsse etwas geändert werde. Felser sagte zudem, Künstliche Intelligenz könne im Lebensmitteleinzelhandel Verschwendung dramatisch senken.

Linke: „Kämpfen für den Stopp der Lebensmittelverschwendung“

Lebensmittelverschwendung den Kampf anzusagen, sei ein Grundanliegen sozialer, linker Agrarpolitik, sagte Ina Latendorf (Linke). Es dürfe nicht sein, dass in Deutschland Massen an Lebensmitteln aus Fahrlässigkeit, Profitstreben oder wegen Überproduktion vernichtet würden. Die Linke kämpfe deshalb für den Stopp der Lebensmittelverschwendung durch ein Wegwerfverbot. Ihre Fraktion fordere die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf zur Bekämpfung des Wegwerfens und Vernichtens wertvoller Lebensmittel auf den Weg zu bringen, so Latendorf. Außerdem gebe es einen Gesetzentwurf der Linken zur Entkriminalisierung des Containerns.

Die komplette Debatte könnt ihr euch im Video ansehen. Das Protokoll findet ihr wie immer auf bundestag.de.

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