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Meinung

Social Media erst ab 16?

Eine Petition an den Bundestag verlangt, dass in Deutschland für Social-Media-Plattformen ein Mindestalter von 16 Jahren eingeführt werden soll. Zwei mitmischen-Autoren, die davon betroffen wären, haben uns aufgeschrieben, was sie von diesem Vorschlag halten.

Eine Person hält ein Smartphone in der Hand.

© picture alliance / dpa | Matthias Balk

Social Media gefährde die seelische Gesundheit von Kindern und Jugendlichen - das erklärt eine Petition, die fordert, dass der Staat eingreifen und als Schutz eine klare Altersgrenze für die Nutzung von Social Media Plattformen einführen soll. Als Risiken werden unter anderem aufgezählt: psychische Belastung, Cybermobbing, jugendgefährdende Inhalte und Cybergrooming, das zu sexuellem Missbrauch führen kann. Doch natürlich ist Social Media nicht nur schlecht und bedient Bedürfnisse nach Unterhaltung, die Möglichkeit, sich mit anderen zu vernetzen, und vieles mehr.

Zwei unserer mitmischen-Autoren sind selbst noch nicht 16 Jahre alt. Würde dieses Mindestalter für Social-Media-Plattformen in Deutschland eingeführt werden, dürften sie TikTok, Instagram und Co erstmal nicht mehr nutzen. Sie haben uns aufgeschrieben, was sie von den Forderungen in der Petition halten. Außerdem haben wir zwei Experten – die Medienpädagogin Kristin Langer und den Kommunikationswissenschaftler Prof. Dr. Adrian Meier – gefragt, was sie von einem Mindestalter für Social-Media-Plattformen halten und welche alternativen Lösungen es geben könnte.

Meinung von Narin

Ich bin 15 Jahre alt und ich war bis vor ein paar Monaten auf mehreren Social-Media-Plattformen angemeldet, zum Beispiel auf TikTok und Snapchat. Anfangs fand ich es total spannend. Ich konnte mir lustige Videos anschauen, mit Freundinnen und Freunden schreiben und war immer auf dem neuesten Stand, was Trends, Promis oder bestimmte Themen wie Politik oder Kunst anging.

Aber mit der Zeit habe ich gemerkt, dass sich mein Verhalten verändert hat. Ich war oft stundenlang am Handy, ohne dass ich es richtig gemerkt habe. Ich wurde unruhig, konnte mich schlechter konzentrieren, besonders beim Lernen oder in der Schule und mein Kopf war ständig „online“, auch wenn ich eigentlich offline war.

Irgendwann hat es sich angefühlt, als wäre ich süchtig nach diesen Plattformen.

Ich konnte kaum abschalten, habe mich ständig mit anderen verglichen und mich oft unter Druck gesetzt gefühlt, weil ich dachte, ich müsste auch so „perfekt“ sein, wie es viele auf Social Media zu sein scheinen. Das hat sich nicht gut angefühlt.

Deshalb habe ich mich dazu entschieden, die Apps Schritt für Schritt zu löschen: zuerst TikTok, dann Snapchat und zum Schluss Instagram. Es war ein längerer Prozess, der sich über ein paar Wochen hingezogen hat, weil ich mir erst sicher sein wollte. Schließlich habe ich auch meine Accounts gelöscht, damit ich nicht in Versuchung komme, die Apps wieder zu installieren. Das Ganze ist jetzt etwa vier Monate her.

Meine Freundinnen und Freunde haben sehr unterschiedlich darauf reagiert. Manche haben mich bestärkt und fanden es mutig, andere konnten meine Entscheidung nicht so ganz verstehen und meinten, sie könnten das selbst nie durchziehen.

Es war zwar nicht leicht, aber im Nachhinein war es eine der besten Entscheidungen.

Seitdem ich die Social Media Apps gelöscht habe, geht es mir viel besser. Ich habe mehr Zeit für mich selbst, für echte Freundschaften, meine Hobbys und ich bin wieder fokussierter und entspannter.

Natürlich gibt es Momente, in denen ich Social Media ein bisschen vermisse. Zum Beispiel, wenn in der Schule über virale Trends oder neue Memes gesprochen wird und ich nicht mitreden kann. Aber ich merke auch, dass ich mich dadurch nicht mehr so unter Druck gesetzt fühle und das ist mir wichtiger.

Deshalb finde ich die Petition richtig und wichtig.

Ich unterstütze die Idee, Social Media erst ab 16 Jahren zu erlauben. Viele Kinder und Jugendliche unter 16 sind noch nicht bereit für den Druck, die ständige Reizüberflutung oder die Suchtgefahr, die damit verbunden ist.

Natürlich ist Social Media nicht nur schlecht. Es kann auch verbinden, informieren und inspirieren. Aber ich denke, man sollte erst Zugang dazu bekommen, wenn man reifer ist und besser einschätzen kann, wie man damit umgehen sollte. Ein Verbot bis 16 kann helfen, junge Menschen zu schützen und ihnen Zeit geben, sich zu entwickeln, ohne dabei ständig online sein zu müssen.

Ich denke, ich würde mich vielleicht wieder auf einer Plattform anmelden, wenn ich 16 bin – aber dann bewusster, mit einem klaren Umgang und festen Grenzen. Ich glaube, dass ich dann reifer bin und besser einschätzen kann, was mir guttut und was nicht.

Meinung von Sam

TikTok, Instagram und Co. gehören für viele Jugendliche längst zum Alltag. Noch vor dem ersten Bissen ins Frühstücksbrötchen wird durch den Feed gescrollt, werden Influencer-Videos konsumiert oder eigene Beiträge gepostet. Doch hinter den bunten Bildern und trendigen Sounds lauern auch Schattenseiten. Eine aktuelle Petition fordert daher, das Mindestalter für soziale Medien auf 16 Jahre anzuheben. Genug Unterschriften wurden bereits gesammelt – nun muss sich der Bundestag mit dem Vorschlag auseinandersetzen. Aber: Wäre das wirklich sinnvoll?

Ich meine: Ja. Und das sage ich als jemand, der ganz bewusst auf Social Media verzichtet.

Ich habe kein TikTok, kein Instagram – nicht, weil ich es nicht darf, sondern weil ich die Auswirkungen bei anderen sehe. In meiner Klasse vergleichen sich viele mit den vermeintlich perfekten Leben von Influencerinnen und Influencern. Der Druck, ständig präsent zu sein, neue Inhalte zu posten, immer mehr Likes und Follower zu sammeln, ist groß. Und auch wenn es kaum jemand offen zugibt: Dieser ständige Vergleich macht auf Dauer krank.

Was mich besonders schockiert, ist die Suchtgefahr.

Viele sagen: „Ich kann jederzeit aufhören.“ Doch ein Selbstversuch in meiner Klasse – eine Woche ohne Social Media – zeigte, wie schwer es wirklich fällt. Laut einem Bericht der DAK-Gesundheit und dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf aus dem Jahr 2024 zeigen 6,1 Prozent der Jugendlichen zwischen 10 und 17 Jahren ein suchtähnliches Verhalten. Rund 1,3 Millionen Minderjährige zeigen deutschlandweit ein riskantes Verhalten im Umgang mit Social Media.

Und dann ist da noch das Thema Cybermobbing.

Beleidigungen, Ausgrenzung, Bloßstellungen – all das kann in sozialen Netzwerken schnell viral gehen und enorme Schäden hinterlassen. Laut einer Studie von Statista aus dem Jahr 2024 leiden rund 2 Millionen Kinder und Jugendliche in Deutschland unter Cybermobbing. Ein gesetzliches Mindestalter von 16 Jahren wäre hier kein rücksichtsloses Verbot, sondern ein Schutzschild.

Die Politik hat eine Verantwortung gegenüber Kindern und Jugendlichen. Es geht nicht darum, Jugendlichen etwas wegzunehmen, sondern darum junge Menschen vor psychischem Druck, Suchtgefahren und Online-Hass zu bewahren.

Experten-Interviews

Kristin Langer ist Medienpädagogin und berät bei der Initiative „Schau hin! Was dein Kind mit Medien macht“ Eltern und Familien zur Mediennutzung zuhause.

Frau Langer, was halten Sie von dem Vorschlag, ein Mindestalter von 16 Jahren für Social-Media-Plattformen einzuführen und welche anderen Lösungen könnte es geben?

Grundsätzlich sollte man beim Thema Mediennutzung immer mitdenken, wie alt eine Person ist, die die Medien nutzt. Denn um gewisse Dinge in der Medienwelt verstehen und einordnen zu können, müssen bestimmte Entwicklungsphasen im Leben abgeschlossen sein. Zudem kann eine Festlegung eines Mindestalters von 16 Jahren, um bestimmte Plattformen zu nutzen, nur dann sinnvoll greifen, wenn gleichzeitig Zugangs- und Kontrollmechanismen von den Anbietern eingebaut werden. Ich bin eher eine Vertreterin davon, dass Kinder und Jugendliche in dieser Gesellschaft, die digital ausgestattet ist, frühzeitig Handwerkszeug für die Medienwelt erlernen sollen, um zu wissen, wie was funktioniert und was dort auf sie zukommen kann. Es wäre wünschenswert, wenn dieses Wissen in der Familie und in der Schule vermittelt wird und darüber hinaus im Bereich der Jugendarbeit, also zum Beispiel in Jugendzentren oder bei Treffpunkten im Freizeitbereich.

Zwei unserer mitmischen-Autoren, die selbst noch nicht 16 Jahre alt sind, begrüßen den Vorschlag der Petition. Überrascht Sie das?

Nein, das überrascht mich nicht, denn Heranwachsende empfinden etwas, das fest geregelt ist, oft als Schutz. Ich sage zu den Kindern und Jugendlichen, mit denen ich arbeite, immer: Das Internet ist gar nicht für euch gemacht – das ist ein Bereich für Erwachsene. Und was vielleicht auf diese beiden mitmischen-Autoren zutreffen könnte: Je mehr Zeit man hatte, digitale Erfahrungen zu sammeln, desto besser kann man einschätzen, ob einem das gut tut.

Prof. Dr. Adrian Meier ist Juniorprofessor für Kommunikationswissenschaft an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Sein Forschungsschwerpunkt ist die Medienpsychologie, wobei er sich unter anderem mit der Frage beschäftigt: „Was macht Social Media mit unserer mentalen Gesundheit?“

Herr Meier, was halten Sie von dem Vorschlag, ein Mindestalter von 16 Jahren für Social-Media-Plattformen einzuführen?

Solche Altersgrenzen sind zwar recht willkürlich gezogen, können aber sinnvoll sein. Es gibt durchaus entwicklungspsychologische Argumente für ein Mindestalter, beispielsweise dass ältere Jugendliche im Schnitt eine größere Reife, mehr Reflexionsvermögen und kritischere Medienkompetenz haben als beispielsweise 13-Jährige. Zudem sind jüngere Jugendliche, ca. 13- bis 15-Jährige, besonders anfällig für bestimmte Einflüsse, wie etwa die Meinung von Gleichaltrigen oder den soziale Vergleich mit Vorbildern. Auch erste empirische Studien zeigen, dass es einen Unterschied macht, wenn man den Zusammenhang von mentaler Gesundheit und Social-Media-Nutzung in verschiedenen Altersgruppen betrachtet, wobei jüngere eher negativere Erfahrungen machen. Mit 13 oder 17 Jahren befinden sich Jugendliche einfach in sehr unterschiedlichen Lebensphasen.

Das heißt: Pro oder Contra?

Insgesamt blicke ich zwiegespalten auf den Vorschlag. Ich verstehe die berechtigte Besorgnis und die Argumente, die auch die Petition aufzählt. Das Einführen einer solchen Altersgrenze wäre aber eine pauschale Regulierung nach dem Motto „one size fits all“. Wir wissen jedoch, dass die Erfahrungen, die Jugendliche mit Social Media machen, sehr unterschiedlich sind. Die Forschung findet insgesamt nur sehr schwache Zusammenhänge zwischen der auf Social Media verbrachten Bildschirmzeit und der mentalen Gesundheit. Es scheint nur eine Minderheit an Jugendlichen ernsthafte Probleme durch die Nutzung von Social Media zu erleben – natürlich muss die Gesellschaft das aber nicht in Kauf nehmen und sollte die Tech-Konzerne hier in die Verantwortung nehmen, vulnerable Gruppen besser als bisher zu schützen. Es stellt sich dennoch die Frage: Soll eine vulnerable Minderheit geschützt werden, indem pauschal die große Mehrheit junger Leute diese Medienangebote nicht mehr nutzen darf? Studien zeigen eben auch, dass Social Media für Jugendliche Vorteile haben kann, etwa wenn sich junge Menschen mit Gleichgesinnten in einer ähnlichen Lebenssituation vernetzen und austauschen können. Diese Formen der Unterstützung sowie der Nutzung von niedrigschwelligen Informations- und Unterhaltungsangeboten würde dann wegfallen.

Der zentralste Kritikpunkt an so einer Altersgrenze ist für mich jedoch die Frage der Durchsetzbarkeit: Wie soll diese Regelung technisch umgesetzt werden, ohne Datenschutzrechte zu gefährden? Und lässt sich Ausweichverhalten von Unter-16-Jährigen auf Plattformen mit Social Media-Funktionen – beispielsweise Chats in Games – verhindern? Hier bin ich skeptisch. Ohne realistische Durchsetzbarkeit ist eine pauschale Altersgrenze eher kontraproduktiv.

Welche alternativen Lösungen könnte es geben?

Ich bin Teil eines europäischen Forschungsprojektes, in dem wir Vorschläge zur Regulierung von Social-Media-Nutzung mit Blick auf die mentale Gesundheit von Kindern und Jugendlichen untersuchen. Hierbei zielen wir vor allem auf das Design der Plattformen ab. Es geht also um problematische Aspekte von Social Media, wie sie auch in der Petition genannt werden: suchterzeugendes Design und glücksspielähnliche Elemente. Wenn wir mehr darüber wissen, welche Wirkungen solche problematischen Design-Elemente auf junge Nutzer haben, können wir Social Media durch gezieltere Regulierungen – beispielsweise Verbote bestimmter Features – verbessern.

Und gibt es Lösungen, die auch jetzt schon direkt umgesetzt werden könnten?

Aktuell beschreitet die Europäische Union mit Maßnahmen nach dem Digital Services Act (DSA) bereits einen guten Weg. Dieser sieht unter anderem vor, dass die Plattformen Risiken – insbesondere auch Risiken für junge Menschen und deren Wohl – abschätzen müssen und dazu Berichtspflichten haben. Diese Berichte müssen von unabhängigen Dritten, von der Wissenschaft beispielsweise, kritisch darauf überprüft werden, ob sie stichfest sind. Allerdings ist hier in den vergangenen Jahren, seit der DSA in Kraft getreten ist, noch nicht genug passiert. Ich habe den Eindruck, dass wir erst am Anfang davon stehen, wie die Plattformen anhand des DSA reguliert werden können.

Aus meiner Sicht ist daher jetzt der nächste Schritt, den DSA wirklich ernst zu nehmen und vollständig umzusetzen. Beispielsweise könnte die deutsche Regierung in der EU darauf drängen, die Tech-Konzerne stärker zur Einhaltung der europäischen Gesetze im Bereich des Jugendschutz zu bewegen, etwa indem den Konzernen ansonsten hohe finanzielle Strafen auferlegt werden. Das ist nach dem DSA bereits möglich.

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