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Bericht: Petitionen 2020 Täglich 57 Vorschläge und Beschwerden

Eric Matt

Wer sich beschweren möchte oder einen guten Vorschlag für die Politik hat, kann dem Bundestag schreiben – das Anliegen nennt man „Petition“. 14.314 Petitionen kamen 2020 beim Parlament an. Worum es ging und was damit passierte, lest ihr hier.

Viele Kartons, auf denen Pflege-Petition steht

Stapelweise und in Kartons wandern häufig tausende Unterschriften an den Petitionsausschuss des Bundestages, wie etwa bei dieser Petition „für eine bessere Pflege“, die bisher als erfolgreichste Online-Petition in die Geschichte des Gremiums einging. © picture alliance | Frederic Kern/Geisler-Fotopress

„Allein kann ich sowieso nichts ändern“, „Die da oben interessieren sich doch gar nicht für uns“, „Die Politik sollte auch mal auf uns einfachen Leute hören“ – solche Sätze hört man immer mal wieder von enttäuschten Bürgerinnen und Bürgern. Doch tatsächlich kann sich jede und jeder in die „hohe Politik“ in Berlin einmischen, wenn einem etwas so richtig auf den Zeiger geht: nämlich durch eine Petition an den Deutschen Bundestag – also einer Bitte oder Beschwerde.

Mit den Anliegen beschäftigt sich der Petitionsausschuss, der aus 28 Politikerinnen und Politikern aller sechs Fraktionen besteht. Der Deutsche Bundestag debattierte nun kürzlich den Tätigkeitsbericht des Petitionsausschusses aus dem Jahr 2020. Was waren die großen Themen und welche Petitionen konnten überhaupt ausreichend Unterschriften sammeln?

Petition – wie geht das?

Jeder und jede kann beim Deutschen Bundestag eine Petition einreichen und für seine Ideen werben – auch Kinder und Jugendliche. Dieses Recht steht sogar im Grundgesetz: „Jedermann hat das Recht, sich einzeln oder in Gemeinschaft mit anderen schriftlich durch Bitten oder Beschwerden an die zuständigen Stellen und an die Volksvertretung zu wenden.“

Wenn deine Petition innerhalb von vier Wochen 50.000 Unterstützer findet, dann lädt dich der Petitionsausschuss nach Berlin ein, damit du mit Bundestagsabgeordneten und Regierungsvertretern in einer öffentlichen Sitzung sprechen kannst. Es kommt etwa vier Mal im Jahr vor, dass der Petitionsausschuss die Petenten einlädt – also die Verfasser der Petition. Aber selbstverständlich wird dein Anliegen auch bearbeitet, wenn du die Hürde von 50.000 Unterstützern nicht schaffst.

Du willst selbst eine Petition einreichen? Das kannst du auf dem Portal des Petitionsausschusses epetitionen.bundestag.de.

Was steht im Tätigkeitsbericht?

Im Jahre 2020 gingen insgesamt 14.314 Petitionen beim Petitionsausschuss ein. Runtergerechnet sind das pro Werktag 57. Dies ist ein deutlicher Anstieg im Vergleich zum Vorjahr, in dem es insgesamt „nur“ 13.529 eingereichte Petitionen gab.

Über 3,7 Millionen Menschen sind außerdem als Nutzer des Petitionsportals registriert – also dort, wo man Petitionen online einreichen und unterschreiben kann. Mit 2.515 Petitionen gingen durch die Coronapandemie besonders viele Petitionen ein, die das Gesundheitsministerium betrafen. Das ist ein Anstieg von 43 Prozent. Den größten Rückgang an Petitionen gab es hingegen im Bereich Umwelt.

Doch wie viele Petitionen erreichten die Hürde von 50.000 Unterschriften und wurden somit öffentlich im Ausschuss diskutiert? „14 Petitionen wurden im Rahmen von öffentlichen Sitzungen behandelt, in denen die Petenten ihr Anliegen persönlich vor den Mitgliedern des Petitionsausschusses und anwesenden Regierungsvertretern vortragen konnten“, schreibt der Petitionsausschuss. Die Themen dieser 14 erfolgreichen Petitionen reichten von der Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens über eine CO2-Kennzeichnung von Lebensmitteln bis zu Menschenrechtsverletzungen im Ausland.

Wie die einzelnen Ausschussmitglieder den Bericht beurteilten, lest ihr im Folgenden.

CDU/CSU: „An keiner anderen Stelle näher an den Bürgern“

„Der Petitionsausschuss mischt sich in Themen ein, die wesentliche Teile unserer Mitbürger bewegen. Wir tragen sie in dieses Parlament, auch wenn sie nicht immer auf Platz eins des öffentlichen Fokus stehen“, erklärte der Ausschussvorsitzende Marian Wendt von der CDU/CSU-Fraktion. Seit dem Jahre 2017 sei die Anzahl an Petitionen um 25 Prozent gestiegen.

Außerdem habe sich auch die Qualität verbessert: „Während der Anteil persönlicher Beschwerden zu Beginn dieser Legislatur noch deutlich überwog, hat sich der Anteil konstruktiver Vorschläge zur Gesetzgebung bis Ende letzten Jahres um 50 Prozent gesteigert und ist fast gleichauf mit den persönlichen Anliegen“, so Wendt. Dies zeige, die Bürger wollten „sich stärker mit ihren persönlichen Ideen für die Zukunft unseres Landes einsetzen“. Wendt erklärte: „An keiner anderen Stelle dieses Parlamentes ist man näher an den Bürgerinnen und Bürgern dran als im Petitionsausschuss.“

SPD: „Das versteht außerhalb dieser Mauern niemand“

„Um deutlich zu machen, dass Petitionen willkommen sind, weil sie oft Schwachstellen in Gesetzen oder im Verhalten von Ämtern und Behörden offenlegen, ist es Zeit, dass der Ausschuss seine Arbeitsweise und seine Instrumente überdenkt“, sagte der SPD-Abgeordnete Ralf Kapschack. Er kritisierte die Vereinbarung innerhalb der großen Koalition aus CDU/CSU und SPD, dass im Petitionsausschuss ausschließlich gemeinsam abgestimmt werden dürfe. „Weil wir uns in der Koalition nicht einigen konnten, liegen viele Petitionen auf Halde. Das versteht außerhalb dieser Mauern niemand, ich oft auch nicht“, so Kapschack.

Im Gegensatz zu anderen Ausschüssen sei der Petitionsausschuss nicht direkt an der Gesetzgebung beteiligt, sondern spiele eine Sonderrolle. Daher „wäre auch in einer Koalition manchmal mehr Souveränität und Selbstbewusstsein angebracht“. Zu verbessern seien beispielsweise auch das Onlineangebot des Ausschusses oder die lange Bearbeitungsdauer von Petitionen.

AfD: „Wir haben viele Menschen zurück in den Diskurs gebracht“

Der AfD-Abgeordnete Johannes Huber kommentierte, dass „der Petitionsausschuss des Bundestages in der 19. Wahlperiode auch und vor allem durch die AfD wiederbelebt“ worden sei. Durch die AfD habe sich die Anzahl der Petitionen jedes Jahr erhöht. „Wir haben viele Menschen zurück in den politischen Diskurs gebracht, die sich vorher nicht mehr vertreten gefühlt hatten“, so Huber.

Die Koalitionsfraktionen hingegen würden lediglich Petitionen unterstützen, die ihnen politisch zusagten. Der AfD-Abgeordnete erklärte: „Letztlich werden Petitionen nur danach beschieden, ob deren politische Richtung dem Koalitionsvertrag entspricht oder nicht. Falls die Koalition sich nicht für das Anliegen interessiert, hat die Eingabe keine Chance.“ Dazu gehöre beispielsweise das Anliegen, „dass sich unsere Heimat nicht weiter zum Paradies für illegale Einwanderer entwickeln soll“. Auch Huber sprach sich dafür aus, dass Koalitionsfraktionen zukünftig nicht mehr gemeinsam abstimmen müssen.

FDP: „Es geht um die Bürger, nicht um Unternehmen oder Verbände“

„Der Petitionsausschuss ist der direkte Draht des Bürgers ins Parlament. Nirgendwo sonst wird parteiübergreifend so an Lösungen gearbeitet wie in diesem Ausschuss“, merkte der FDP-Abgeordnete Manfred Todtenhausen an. Jedoch gebe es auch im Petitionsausschuss Verbesserungsbedarf.

So hätten sich wegen der Coronapandemie über 58.000 Menschen an den Petitionsausschuss gewandt. Hier habe man jedoch nicht schnell genug helfen können, da sich die Ausschussmitglieder nicht einig gewesen seien.

Todtenhausen zeigte sich besorgt, dass die Petitionen, die die erforderliche Hürde von 50.000 erreichten, oftmals nicht durch privates, sondern durch kommerzielles und politisches Interesse motiviert gewesen seien. „Dafür ist das aber eigentlich nicht gedacht. Das Petitionsrecht darf und soll nicht missbraucht werden. Hier müssen wir gemeinsam aufpassen. Es geht um die Bürger, nicht um Unternehmen oder Verbände“, erklärte der FDP-Abgeordnete.

Linke: „Nur drei Prozent an Ministerien weitergeleitet“

„Ich bin in diesen Ausschuss gegangen, weil ich gerne für die Bürger da sein möchte. Das ist die Hauptaufgabe des Petitionsausschusses, und es ist in dieser Situation in unserer Gesellschaft bitter nötig, dass wir direkt auf die Bürger zugehen“, erklärte Kerstin Kassner von der Fraktion Die Linke.

Sie kritisierte, dass in der aktuellen Legislaturperiode lediglich drei Prozent der Petitionen an die Ministerien weitergeleitet worden seien. „Wissen Sie, warum das so ist? Weil sich die Vertreter von SPD und CDU/CSU einfach vor die Türen der Ministerien legen und sagen: Nein, wir wollen nicht, dass das weiterkommt“, so die Linksabgeordnete.

Jedoch hätten es „die Bürgerinnen und Bürger verdient, dass ihre Anliegen auch dorthin gehen, wo sie politisch verarbeitet werden sollen“. Dies sei Schuld und Pflicht zugleich. Kassner forderte: Machen wir in der nächsten Legislaturperiode etwas, was für die Bürgerinnen und Bürger tatsächlich wirkt.“

Video „Die Petition“

Grüne: „Anwälte unserer Petenten“

Corinna Rüffer von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen bemerkte, „dass der Petitionsausschuss ein ganz besonderer Ausschuss ist, der enorm starke Instrumente hat. Wir können Regierungsvertreter laden, wir können Akten einsehen, wir können Fachleute hinzuziehen, wir können ganz viele Dinge tun“.

Um erfolgreich zu sein, sei jedoch wichtig, diese Instrumente auch richtig einzusetzen. „Wir wollen doch Anwältinnen und Anwälte unserer Petenten sein“, so Rüffer. Die Menschen würden große Hoffnungen in den Petitionsausschuss setzen und kämen mit ihren persönlichen Sorgen und Problemen zu diesem.

Rüffer kritisierte, dass der Bundestag im Plenum nur einmal jährlich über Petitionen debattiere. Sie erklärte: „Unsere Demokratie braucht Stärkung. Denn es gibt dieses weitverbreitete Gefühl: ‚Die Politik steht da oben und wir Menschen ganz unten, und unsere Anliegen werden von der Politik da oben gar nicht wahrgenommen.‘ Daran kann dieser Ausschuss tatsächlich richtig viel ändern.“

Die komplette Debatte findet ihr wie immer auf bundestag.de und hier im Video.

Portraitfoto von mitmischen-Autor Eric Matt
mitmischen-Autor

Eric Matt

... ist 22 Jahre alt und studiert an der Universität Konstanz Politik- und Verwaltungswissenschaften. Zurzeit macht er ein Auslandssemester in Israel.

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