Ukraine Unterstützung für Geflüchtete in Bildung und Forschung
Mehrere Hunderttausend Kinder und Jugendliche aus der Ukraine lernen inzwischen in Deutschland. Im Dezember hat der Bundestag einen Antrag der Ampel-Fraktionen zur Verbesserung ihrer Situation angenommen. Die Opposition kritisierte, der Antrag enthalte statt konkreter Maßnahmen nur schöne Worte.
Seit dem 24. Februar 2022 herrscht Krieg in der Ukraine. Ein normaler Schulalltag ist in vielen ukrainischen Orten nicht mehr möglich. Und auch die Kinder und Jugendlichen, die fliehen mussten, können nicht mehr wie gewohnt lernen.
Für deutsche Schulen und Hochschulen wiederum ist es eine große Herausforderung, so viele neue Lernende aufzunehmen, die zudem größtenteils noch kein Deutsch sprechen.
Mit diesem Thema befasst sich der Antrag „Unterstützung in Bildung und Forschung für Geflüchtete aus der Ukraine“ der Koalitionsfraktionen, den der Bundestag am 14. Dezember mehrheitlich annahm. Union und AfD stimmten allerdings dagegen, die Linksfraktion enthielt sich.
Was steht im Antrag?
Die Ampel-Fraktionen wollen Geflüchteten aus der Ukraine ihr Recht auf Bildung gewähren. Bund, Länder und Kommunen müssten gemeinsam dazu beitragen und Bildungseinrichtungen konstruktiv dabei unterstützen, ukrainische Kinder und Jugendliche zu integrieren.
Beispielsweise fordern die Koalitionsfraktionen, dass ukrainische Schuljahre und Abschlüsse schnell und unbürokratisch anerkannt werden müssen. Geflüchtete sollen leichter Zugang zur Berufsorientierung und zur Berufsausbildung bekommen. Und deutsch-ukrainische Forschungskooperationen sollen fortgesetzt und ausgebaut werden.
FDP: „Nicht nur eine Belastung, sondern auch eine Chance“
Peter Heidt (FDP) führte in seiner Rede aus, eine Million Menschen seien zwischen Februar und September 2022 aus der Ukraine nach Deutschland geflüchtet, darunter 350.000 Kinder und Jugendliche. „Die Folgen des andauernden Angriffskriegs auf die Ukraine für Bildung und Forschung sind verheerend“, sagte Heidt. „In den Bildungsbiografien der Ukrainerinnen und Ukrainer gibt es unglaubliche Einschnitte.“ Es sei Deutschlands Aufgabe, ihnen zu helfen.
Die aktuelle Situation sei aber „nicht nur eine Belastung, sondern auch eine Chance für unser Bildungssystem“, so Heidt. Deutschland brauche dringend Fachkräfte. Und ukrainische Geflüchtete seien in der Regel gut ausgebildet. Deshalb wolle die Koalition Sprach- und Integrationskurse ausbauen und eine „Kultur der Weiterbildung“ fördern, um dazu beizutragen, dass Ukrainerinnen und Ukrainer in Deutschland lernen und später arbeiten könnten.
Union: „Zumutung für alle engagierten Helferinnen und Helfer“
Ingeborg Gräßle (CDU/CSU) betonte zunächst, Kitas und Schulen leisteten „beispiellose Arbeit, die unseren Dank und unsere Anerkennung verdient“.
Der Bundesregierung und den Koalitionsfraktionen war Gräßle vor: „Sie überlassen alle Arbeit den anderen!“ Der Antrag sei „eine Zumutung für alle engagierten Helferinnen und Helfer in den Kommunen und die Kommunalpolitiker, die nicht mehr wissen, wie sie die Geflüchteten unterbringen sollen“. Die Vorlage enthalte nur „gute Worte statt Taten“. „Wo ist das Unterstützungsprogramm für die Kommunen?“, wollte Gräßle wissen.
SPD: „25 Universitäten und Berufsschulen teilweise zerstört“
Ruppert Stüwe (SPD) erklärte, wie massiv der Krieg in der Ukraine die Bildung beeinträchtige: Vier ukrainische Universitäten seien vollständig zerstört, 25 Universitäten und Berufsschulen teilweise, 26.000 Lehrerinnen und Lehrer seien ins Ausland geflohen, 1,5 Millionen Schülerinnen und Schüler könnten nicht mehr zur Schule gehen.
Gemeinsam müssten Bund, Länder und Kommunen den Geflüchteten eine Perspektive eröffnen. Die Ampel-Koalition habe in dieser Sache sehr wohl gehandelt, so Stüwe: Sie habe etwa das Bafög für ukrainische Studierende geöffnet, eine Milliarde Euro für die Kommunen zur Verfügung gestellt und Förderungen für Studierende erweitert.
Stüwe führte zudem aus, man müsse auch die Unterstützung der Bildung in der Ukraine mitdenken, etwa indem man digitale Bildungsangebote für Ukrainerinnen und Ukrainer zur Verfügung stelle, Lehrerende in der Ukraine mit Stipendien unterstütze oder die Einrichtung binationaler Hochschulen plane.
AfD: „Absichtserklärungen statt konkreter Zusagen“
Götz Frömming (AfD) stimmte der Kritik der Union zu: Der Antrag enthalte nur „Absichtserklärungen“ statt „konkreter Zusagen“.
200.000 ukrainische Kinder und Jugendliche lernten inzwischen an deutschen Schulen. Laut Frömming sei das nur durch das „Improvisationstalent“ der Lehrkräfte vor Ort möglich. Die aktuellen Verhältnisse entsprächen nicht Deutschlands Bildungsanspruch.
Der Bund habe die Entscheidung getroffen, die Geflüchteten ins Land zu lassen, deshalb könne er jetzt die Verantwortung im Bildungsbereich nicht den Ländern und Kommunen überlassen, kritisierte Frömming. Und weiter: Wenn Deutschland nicht in der Lage sei, ukrainische Kinder angemessen zu versorgen, müsse man darüber nachdenken, keine weiteren aufzunehmen, „es gibt schließlich noch weitere Länder in der EU“.
Die AfD hatte in einem eigenen Antrag unter anderem 24.000 zusätzliche Lehrkräfte gefordert. Auch Lehrkräfte aus der Ukraine sollten eingesetzt werden. Ziel sei es, die nationale Identität der ukrainischen Geflüchteten während ihres „vorübergehenden Aufenthalts in Deutschland“ zu wahren. Der Antrag wurde abgelehnt.
Grüne: „Unbeirrt an der Seite der Menschen in der Ukraine“
Kai Gehring (Bündnis 90/Die Grünen) konstatierte, in der Ukraine seien seit Beginn des Krieges 17.000 Zivilisten verletzt oder getötet worden. 17 Millionen Menschen hätten ihre Heimatorte verlassen müssen. Deutschland stehe weiterhin „unbeirrt an der Seite der Menschen in der Ukraine“, betonte Gehring, unter anderem „indem wir weiter Schutzsuchende in unserem Bildungssystem willkommen heißen“.
Die Koalitionsfraktionen hätten den Antrag schon im Mai eingebracht, erinnerte Gehring, und seitdem sei vieles bereits umgesetzt worden. So gebe es inzwischen eine „Taskforce Ukraine“ der Kultusministerkonferenz, eine nationale akademische Kontaktstelle für ukrainische Studierende und Schutzprogramme für ukrainische Wissenschaftler. Auch seien Programme für die digitale Bildung ukrainischer Geflüchteter aufgesetzt worden. Der Bedarf, das zeige die bisherige Erfahrung, an solchen Programmen sei „riesig“.
Linke: „Desaströse Lage in Kitas, Schulen und Hochschulen“
Der Antrag beweise den richtigen „moralischen Kompass“, befand Nicole Gohlke (Die Linke). Das sei aber auch das einzig Positive, was sich darüber sagen lasse. Denn die Koalition habe wenig getan, um die „desaströse Lage in Kitas, Schulen und Hochschulen auch nur annähernd in den Griff zu kriegen“.
Gohlke zählte die aktuellen „Mammut-Aufgaben“ im Bildungssystem auf: die Bewältigung der Pandemie-Folgen, die Integration von ukrainischen Geflüchteten, die Inklusion an Schulen. Die Koalition habe zu ihrer Lösung nichts beigetragen. Trotz Kita-Schließungen, Unterrichtsausfällen und Personalmangel stelle sie kein Geld bereit und schiebe die Verantwortung auf andere. „Keine Lehrkraft mehr, keine bessere Bezahlung, keine Investition in marode Schulen“, das sei „viel zu wenig“ in der aktuellen Situation, urteilte Gohlke.
Hier seht ihr die Debatte im Video: