Afghanistan Erklärt: 20 Jahre Bundeswehr-Einsatz
Fast 20 Jahre lang war die Bundeswehr in Afghanistan im Einsatz. Was innerhalb dieser Jahrzehnte passierte und wie es überhaupt zu dem Einsatz kam, könnt ihr hier nachlesen.
Der Afghanistan-Einsatz der deutschen Bundeswehr steht in enger Verbindung zu den Terroranschlägen des 11. September 2001 in den USA. Damals waren vier Passagierflugzeuge von Al-Qaida-Terroristen entführt worden: Zwei davon wurden in einem Selbstmordattentat in das World Trade Center in New York geflogen. Ein Flugzeug wurde ins Pentagon in Washington gesteuert, das vierte Flugzeug sollte ebenfalls Washington ansteuern, wurde aber von dem Piloten vorzeitig zum Absturz gebracht.
Unmittelbar nach den Anschlägen marschierten US-Soldaten ab Oktober 2001 in Afghanistan ein. Das war der Beginn der sogenannten „Operation Enduring Freedom“ (englisch für „Operation andauernde Freiheit“), einer Militärintervention unter dem damaligen amerikanischen Präsidenten George W. Bush.
Afghanistan galt damals als Rückzugsort für die Terror-Organisation Al-Qaida. Bush brachte das Terror-Netzwerk außerdem mit dem Taliban-Regime in Verbindung, das damals in Afghanistan an der Macht war. Die USA wollten gemeinsam mit militärischen Verbündeten die Organisation zerschlagen und das Taliban-Regime stürzen.
Oktober 2001: Der Bündnisfall
Die USA sind Mitglied des Nordatlantik-Pakts Nato – wie auch Deutschland. Bereits kurz nach dem 11. September wurde vom Nato-Rat darauf hingewiesen, dass es sich um einen Bündnisfall handelte, da die Anschläge auf die USA vom Ausland aus geführt worden waren. Bündnisfall bedeutet, dass ein Angriff auf einen Mitgliedsstaat der Nato als Angriff auf alle Mitgliedsstaaten gesehen wird. Im Fall eines bewaffneten Angriffs auf ein Mitglied wird von den anderen Parteien dann Beistand geleistet.
Nachdem Beweise vorgebracht worden waren, die belegten, dass Al-Qaida für die Anschläge verantwortlich war, beschlossen die damals 19 Nato-Mitgliedsstaaten erstmals den Bündnisfall.
Oktober 2001: Erste militärische Intervention
Zunächst marschierten US-amerikanische und britische Truppen in Afghanistan ein. Deutsche Soldaten wurden erst Anfang 2002 in Afghanistan eingesetzt. Schon im Dezember 2001 war das Land vollständig eingenommen und die Taliban entmachtet worden.
2002 bis 2014 Übergangsregierung und Stabilisierung
Im Rahmen der Afghanistan-Konferenz in Bonn einigte man sich im Dezember 2001 darauf, eine Übergangsverwaltung in Afghanistan einzusetzen, die von internationalen Truppen abgesichert werden sollte. Die sogenannte International Security Assistance Force (ISAF) sollte zur Stabilisierung des Landes beitragen. Zur ISAF gehörten auch deutsche Soldaten. Die deutsche Beteiligung an der ISAF stellt übrigens den größten Einsatz in der Geschichte der Bundeswehr dar. Von 2002 bis 2014 beteiligte die Bundeswehr sich mit bis zu 5.350 Soldaten am ISAF-Einsatz.
Die ISAF kämpfte gemeinsam mit afghanischen Sicherheitskräften gegen Taliban-Kämpfer und andere Aufständische. Außerdem wurden von der ISAF auch örtliche Sicherheitskräfte ausgebildet, die zur Stabilisierung des Landes beitragen sollten.
2015: Afghanische Regierung in der Verantwortung
Im Januar 2015 wurde die ISAF durch die Mission „Resolute Support“ (englisch für „entschlossene Unterstützung“) ersetzt. Die Nato und ihre Verbündeten bildeten weiterhin afghanische Sicherheitskräfte aus, berieten sie und leisteten anderweitig Unterstützung. Die Sicherheitsverantwortung lag aber bereits bei der afghanischen Regierung.
2020: Donald Trump verhandelt mit Taliban
Die Taliban verschwanden aber nie vollständig von der Bildfläche und hatten zuletzt wieder mehr Einfluss im Land sicherstellen können. Im Februar 2020 leitete der damalige US-Präsident Donald Trump den Truppenabzug aus Afghanistan ein: Im US-Taliban-Abkommen von Doha wurde vereinbart, dass sämtliche Truppen bis zum 1. Mai 2021 das Land verlassen sollten. Die Taliban sollten sich im Gegenzug ebenfalls an einige Abmachungen halten. So sollten sie beispielsweise in Friedensgespräche mit der afghanischen Regierung eintreten.
Das Land befand sich zu diesem Zeitpunkt in keiner stabilen Situation. Einige Experten bewerteten den Afghanistaneinsatz als gescheitert. Die afghanische Regierung war zerstritten, die Bevölkerung lebte in großer Armut. Und die Taliban kontrollierten wieder erhebliche Teile Afghanistans.
Der nachfolgende US-Präsident Joe Biden verschob den Truppenabzug nach Amtsantritt um einige Monate, hielt aber an der Entscheidung fest. Geplant war der Truppenabzug dann für September 2021.
2021: Erneute Machtübernahme der Taliban
Im August 2021 erlangten die Taliban die Macht in Afghanistan allerdings vollständig zurück. Am 15. August 2021 nahmen sie Kabul ein, der afghanische Präsident floh ins Ausland. Seitdem haben die Taliban angefangen, Afghanistan nach ihren Vorstellungen umzugestalten. Wenige Wochen nach der Machtübernahme benannten sie das Land um und bezeichnen es jetzt als „Islamisches Emirat Afghanistan“.
Da die Sicherheitslage für viele Meschen in Afghanistan zunehmend gefährlich wurde, begann im August eine Evakuierungsaktion. Die deutsche Bundeswehr war daran vom 15. bis 27. August beteiligt. Sie flog mehr als 5300 Personen aus: darunter deutsche Staatsbürger, aber auch Angehörige anderer Staaten und afghanische Staatsbürger, denen in ihrem Land Verfolgung drohte. Dass die Situation so schnell eskalierte, kam für viele überraschend. So sagte die ehemalige Bundeskanzlerin Angela Merkel damals, auch Deutschland habe unterschätzt, „wie umfassend und damit im Ergebnis wie atemberaubend schnell die afghanischen Sicherheitskräfte nach dem Truppenabzug ihren Widerstand gegen die Taliban aufgeben würden“.
2022: Situation jetzt
Der Zustand des Lands ist bis heute schwierig. Zwar hatten die Taliban die offensichtliche Gewalt zunächst in weiten Teilen eingestellt, nachdem sie im August gesiegt hatten. Aber die wirtschaftliche Lage ist sehr instabil, viele Menschen leben unter der Armutsgrenze. Insbesondere Frauen werden von der Taliban-Regierung diskriminiert und unterdrückt, die Medien werden zensiert und ehemalige Regierungsangehörige verfolgt.
Weitere Infos findet ihr unter bpb.de, bmvg.de, bundeswehr.de und natürlich auf bundestag.de.
(Mira Knauf)