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Bildung Bafög-Reform zum Wintersemester

Immer weniger junge Menschen erhalten während ihrer Ausbildung Bafög. Die Bundesregierung will nun die Sozialleistung reformieren. Darüber gibt es Streit im Bundestag.

Mehrere Studierende sitzen im Hörsaal und blicken konzentriert in dieselbe Richtung

Ab Herbst sollen die Bafög-Sätze erhöht werden, das sieht ein Gesetzentwurf der Bundesregierung vor. Abgeordnete der Opposition halten die Erhöhung für nicht ausreichend.© shutterstock/Gorodenkoff

Mit „Bafög“ finanzieren viele Studenten, Azubis und Schüler ihr Studium oder ihre Ausbildung. Hinter der Abkürzung Bafög verbirgt sich das „Bundesausbildungsförderungsgesetz“. Es regelt eine Sozialleistung, die an Bedürftige gezahlt wird. Es wird durch die gesamte Gesellschaft finanziert, und zwar aus Steuermitteln.

Bafög für mehr Chancengleichheit

Ziel des Bafögs ist es, die Chancengleichheit unter allen Jugendlichen und jungen Erwachsenen zu erhöhen. Denn Bildung kann sich nicht jeder leisten, ein Studium etwa dauert mehrere Jahre und währenddessen verdient man noch kein Geld. Viele Eltern jedoch können ihren Kindern jahrelange Ausbildungen kaum oder gar nicht finanzieren. Durch Bafög sollen auch diese Kinder Zugang zu Bildungseinrichtungen wie etwa Hochschulen erhalten.

Was auffällig ist: Kinder von Akademikern – also Eltern, die selbst einen Hochschulabschluss haben – studieren hierzulande viel häufiger als Kinder aus Nicht-Akademikerfamilien.

Ob man Anspruch auf Bafög hat, hängt von verschiedenen Faktoren ab, beispielsweise vom Einkommen der Eltern. Einen Teil der Bafög-Leistungen müssen nach dem Studium zurückgezahlt werden, es handelt sich also teilweise um ein Darlehen.

Bafög-Reform geplant

Laut Statistischem Bundesamt erhielten 639 000 Schüler und Studierende im Jahr 2020 Bafög. Die Zahl derjenigen, die Bafög bekommen, ist in den letzten Jahren stark gesunken. Die finanzielle Unterstützung wurde 1971 eingeführt, 1972 erhielten fast 45 Prozent der Studierenden Bafög, zuletzt sank der Anteil auf gut elf Prozent. Die Zahl der geförderten Schüler lag 2020 mit 174 000 geförderten Personen auf dem niedrigsten Stand der vergangenen 30 Jahre.

Nun hat die Bundesregierung im Mai 2022 einen Gesetzentwurf vorgelegt, der verschiedene Änderungen des Bundesausbildungsförderungsgesetzes vorsieht. Der Entwurf wurde am 12. Mai in erster Lesung im Bundestag beraten und zunächst an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung überwiesen. Am 24. Juni soll der Bundestag über die Bafög-Novelle abstimmen. Zuvor ist eine weitere 70-minütige Debatte angesetzt.

Geplante Änderungen

Der Entwurf zur Bafög-Reform sieht verschiedene Änderungen vor. So sollen die Bedarfssätze um fünf Prozent steigen. Bedarfsätze sind die unterschiedlichen Beträge, die Studenten, Azubis oder Schüler abhängig von ihren Lebensumständen bekommen können. Der derzeitge Förderungshöchstsatz beträgt 861 Euro. Nach der Reform soll er auf 931 Euro ansteigen.

Höhere Freibeträge und höhere Altersgrenze

Außerdem sollen die sogenannten Freibeträge um 20 Prozent erhöht werden. Zur Erklärung: Ob und in welcher Höhe man Bafög bekommt, hängt wie erwähnt auch vom Einkommen der Eltern ab. Liegt dieses unter dem Freibetrag, bekommt das Kind den Höchstsatz. Ab dem Freibetrag wird das Einkommen der Eltern angerechnet und man bekommt weniger oder gar kein Bafög.

Der Bafög-Zuschuss ist aber auch davon abhängig, über wie viel Geld man selbst verfügt. So darf man aktuell beispielsweise 8200 Euro auf dem Sparkonto angesammelt haben und kann trotzdem den Bafög-Höchstsatz beantragen. Wer mehr Geld gespart hat, bekommt entsprechend weniger Zuschuss. Diese Grenze soll nun aber auf 45 000 Euro angehoben werden. Auch die Altersgrenze für diejenigen, die Bafög beantragen können, soll angehoben werden: auf 45 Jahre.

Über die geplanten Maßnahmen diskutierten die Fraktionen am 12. Mai kontrovers. Kritisiert wurde sowohl der neue Gesetzesentwurf als auch die Maßnahmen der vorherigen Regierung.

FDP: „2,3 Milliarden Euro für Reform eingeplant“

Bildungsministerin Bettina Stark-Watzinger von der FDP eröffnete die Debatte. Sie betonte, dass die Bafög-Reform seit der letzten Bundestagswahl ganz oben auf der Prioritätenliste des Bildungsministeriums stehe. Denn jeder Euro für Bildung sei doppelt investiert. Es sei dringend notwendig, beim Bafög nachzusteuern, da dies lange versäumt worden sei. 2,3 Milliarden Euro seien für die Reform in dieser Legislaturperiode eingeplant. So wolle man die Fördersätze erhöhen und die Zahl derer, die sie in Anspruch nehmen.

Durch die Erhöhung der Freibeträge beim Einkommen der Eltern könne man auch viele erreichen, bei denen das Studium bisher auf der Kippe stand, weil Eltern nicht schlecht verdienten, aber nicht genug, um ein Studium der Kinder zu stemmen. Stark-Watzinger betonte, dass Bafög sich dem Leben anpassen müsse und nicht umgekehrt.

SPD: „Beginn einer Trendwende“

Lina Seitzl von der SPD-Fraktion merkte an, dass die Aussage „Zeig mir deine Eltern, und ich sage dir, welchen Abschluss du machst“ heute noch genauso der Realität entspreche wie früher. Und sie betonte, dass Bildung der Schlüssel zur gesellschaftlichen Teilhabe sei.

Die Errungenschaften, die Bafög einst darstellte, seien beginnend mit der Kohl-Regierung umgekehrt worden, kritisierte sie. Helmut Kohl war von 1982 bis 1998 Bundeskanzler und gehörte der CDU/CSU an. Man freue sich deshalb, nun offensichtlich mit der Union gemeinsam, für die Studierenden und das Bafög kämpfen zu können. Die vorgelegte Novelle bedeute nicht nur ein „Reformschrittchen“, sondern man beschließe damit den Beginn einer Trendwende, so Seitzl

CDU/CSU: „Brauchen Reform statt halbgarer Novelle“

Katrin Staffler von der CDU/CSU-Fraktion betonte, dass Bafög erheblich zur Bildungsgerechtigkeit in Deutschland beitrage. Daher sei es richtig und gut, dass die Bundesregierung die Bafög-Reform frühzeitig auf die Agenda gesetzt habe. Dennoch werde mit dieser Novelle nur das fortgesetzt, was die Regierung in der letzten Legislaturperiode begonnen habe, kritisierte Staffler. Man sei damals allerdings mutiger gewesen als die jetzige Regierung. Zudem müsse man sich fragen, warum Bafög immer weniger Menschen erreiche, und evaluieren, „wo der Schuh wirklich drückt“.

Abschließend sagte Staffler, man sei sich einig, dass das Bafög nicht so stehen bleiben könne und man eine richtige Reform statt einer „halbgaren Novellen“ brauche. Lest im mitmischen-Interview, was die CSU-Politikerin darüber hinaus zur Bafög-Reform zu sagen hat!

Grüne: „Gesetzesänderung ist erstes Etappenziel“

Laura Kraft von der Grünen-Fraktion betonte die Wichtigkeit von Bafög, merkte aber an, dass es immer noch nicht alle erreiche, die es dringend bräuchten. Kraft wies darauf hin, dass nur noch ein Zehntel der Studierenden Bafög-Leistungen erhalte und kritisierte, dass die Union die Leistung „heruntergewirtschaftet" habe.

Es sei überfällig, dass zum Beispiel die Freibeträge deutlich angehoben würden, denn Freibeträge seien oft der Grund, wieso Bafög-Anträge abgelehnt würden. Kraft merkte außerdem an, dass es ihrer Fraktion besonders wichtig war, die Altersgrenze anzuheben, denn schließlich seien Lebensläufe vielfältiger geworden. Abschließend sagte sie, dass der größte Teil der Bafög-Reform noch bevorstehe, die Gesetzesänderung sei das erste Etappenziel.

AfD: „Ein Tropfen auf den heißen Stein“

Götz Frömming von der AfD-Fraktion sagte, dass die Ursachen für wirtschaftlichen Erfolg Deutschlands ausschließlich in der „Intelligenz, der Schöpferkraft und dem Fleiß seiner Bewohner“ liege. Deshalb tue man recht daran, in Bildung und Forschung zu investieren. Frömming kritisierte aber, dass Bafög und Bildung scheinbar verwechselt würde. Mehr Bafög heiße nicht automatisch, dass Deutschland gebildeter werde. Angesichts der derzeitigen Inflation sei der vorgelegte Entwurf außerdem nur ein Tropfen auf den heißen Stein, so Frömming.

Linke: „Darlehensanteil muss gestrichen werden“

Die geplanten Reformen seien überfällig, sagte Nicole Gohlke von der Linksfraktion. Auch sie kritisierte die letzte Bundesregierung und bezeichnete es als schweres Versagen, dass das Bafög nicht schon früher angepackt worden sei. Außerdem merkte sie an, dass die Reform an vielen Stellen nicht viel verändern werde. So würden etwa die Bedarfssätze auch weiterhin den realen Bedarf nicht decken. Sie forderte deshalb eine automatische Anpassung der Bafög-Sätze an die Inflationsrate und dass der Darlehensteil dringend gestrichen werden müsse.

In der Debatte m 12. Mai wurde außerdem über einen Antrag der Linken beraten, in dem die Fraktion fordert, dass Bafög „existenzsichernd und krisenfest“ zu gestalten und es Studenten als rückzahlungsfreien Zuschuss zu ermöglichen. Der Antrag wurde an den Ausschuss für Bildung, Forschung und Technikfolgenabschätzung überwiesen.

Die komplette Bundestagsdebatte seht ihr hier im Video, das Protokoll findet ihr wie immer auf bundestag.de.

(Mira Knauf)

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